RTL
Radio Luxemburg
Fanpage
»Radio bedeutet für mich in erster
Linie Kreativität und Lebensfreude.«
Gespräch mit Holger
Richter,
Programmdirektor RTL RADIO
Als Holger Richter Anfang Juli 1995 nach Luxemburg kam, da hatte er zuvor in Berlin bei Hundert,6, JFK 98,2 und Radio Charly das Programmresearch aufgebaut und geleitet; und davor war er knapp zwei Jahre Morningshow-Anchor und Musikchef bei Energy 103,4. Nun stand er vor der Herausforderung als Programmleiter von RTL RADIO aus einem Sender, von dem wort.lu schrieb, dass er in der Bedeutungslosigkeit versunken sei, wieder eine populäre Hörfunkstation zu machen. Keine leichte Aufgabe, wenn der Werbekuchen mit über 400 anderen Privatsendern und den öffentlich-rechtlichen Service-Wellen geteilt werden muss. Ein aufwändiges Programm wie es noch in den 80er Jahren gefahren wurde, wäre heute nicht mehr finanzierbar. Werbung ist sozusagen das Sahnehäubchen auf dem Musikmix von Europas größtem Musiksender ohne das überhaupt nichts laufen würde. Mit den „Besten Hits aller Zeiten“ hat Holger Richter vor zwei Jahren eine Musikfarbe kreiert, die für viele Hörer nicht nur die Alternative geworden ist, sondern mittlerweile ihre Anhänger dank der Astra-Satellitenabstrahlung in ganz Europa findet. Begleitet wird das Musikformat mit Nachrichten zur vollen Stunde und der relaxten Moderation durch den Tag, die den Hörer unterhalten und informieren soll.
Radio Luxemburg
war gestern - RTL RADIO ist heute. Beides gehört als Teil der
Rundfunkgeschichte zusammen, ist aber nicht dasselbe. Wie wollen Sie
ehemalige, ältere Hörer, die
mit Luxemburg abgeschlossen haben,
wieder zurückgewinnen? Geht es nicht eher darum, mit „mehr Farbe“ im
Programm die Zielgruppe 14 bis 49 besser anzusprechen und an den
Sender zu binden?
„Leider werden im heutigen Radiogeschäft zumindest bei der Kombivermarktung von der Werbeindustrie nur Hörer zwischen 14 und 49 bezahlt. Um die geht es. Das mag komisch klingen und / oder bitter sein, lässt sich aber von uns Radioleuten nicht ändern. Dass die soziodemografische Entwicklung konträr dazu verläuft, spricht sich zwar langsam herum - wird aber in absehbarer Zeit zu keinen Veränderungen im Buchungsverhalten führen.“
Nun kommt heute
niemand mehr mit seiner Platten- oder
CD-Sammlung ins Studio und
zieht dort seine Personalityshow ab. Wie können die Moderatoren von
RTL RADIO im Rahmen des Hitformats und den neuen Programmelementen
ihre Persönlichkeit vorm Mikrofon entfalten, damit Radio wieder
„lebt“?
„Radio lebt doch nicht dadurch, dass jeder Moderator seine eigenen Lieblingsplatten bzw. CDs mitbringt. Das war auch früher nicht so. Radio lebt davon, dass die Menschen im Radio eine Brücke schlagen zum Hörer. Personalityshows sind alle Shows, in denen genau das passiert. Das Problem heute ist doch vielmehr, dass wir Radiomacher (ich schließe mich da selbst nicht aus) in den letzten 20 Jahren unserem eigenen Nachwuchs vielfach jede Eigenständigkeit ausgetrieben haben und der nun heute deshalb kaum etwas zu sagen hat - außer vielleicht auf Gedeih und Verderb irgendwo draufzuhauen. Moderator/in sein bedeutet mehr als nur Linercards ablesen zu können. Als erstes bedeutet es, unterhalten zu wollen, als „Flaneur“ durch die Welt zu gehen und alle Impulse wie ein Schwamm aufzusaugen, um sie dann bei passender Gelegenheit wieder herauszulassen. Wenn man das begriffen hat, kann man auch kompakt und ohne Ausschweifungen in einem Musikformat wunderbar unterhalten und so schließlich zur Personality werden.“
Mit der Programmoptimierung hat RTL RADIO auch ein neues Sounddesign bekommen. Können Sie uns das etwas näher erklären?
„Die Jingles stammen von Foster Kent, die eine - wie ich finde - hervorragende Arbeit geleistet haben. Unsere Stationvoice ist Martin Wehrmann, der eine tiefe, sympathische und warmherzige Stimme hat. Wir setzen ihn nicht reisserisch, sondern eher smart ein. Unser Sounddesign vorort wird aktualisiert und gepflegt von unserem Produktionsleiter Christian Runne, der von Radio Hamburg zu uns gekommen ist. Der hat dort viel von unserem alten Produktionschef Thomas Gleixner gelernt. Ansonsten legen wir Wert auf Musikstrecken, sodass bei uns auch viele Titel „back to back“ laufen. Ich vertrete die Philosophie, dass zu viele Kennungen eher ein Nervfaktor sind, den ich gerne vermeiden möchte.“
Sie haben eine Zeit lang bei RTL RADIO die Morgenshow moderiert. Erzählen Sie uns etwas darüber?
„Ich glaube so 1996/97 habe ich mal ein knappes Jahr die RTL RADIO Morningshow moderiert. Zuerst mit Ruth Fürsatz, später zusammen mit Frank Beecken und danach mit Julia Siegel. Das hatte sich so ergeben, weil unser Morgenmoderator Thorsten Sleegers damals zu RTL TV abwanderte. Zuvor hatte ich schon jahrelang Morningshow moderiert bei OK Radio in Hamburg und später dann bei Energy 103,4 in Berlin. Nach einem Jahr bei RTL RADIO habe ich dann einsehen müssen, dass ich mir etwas zuviel aufgehalst hatte. Die Dreifachbelastung Morningshow, Programmleitung und Musikplanung war etwas zu heftig. Da ich nie gerne früh aufgestanden bin, fiel die Entscheidung leicht, die Morningshow wieder abzugeben. Obwohl ich es immer geliebt habe, gerade morgens zu senden. Das ist so eine ganz eigene Atmosphäre.“
Wie sind Sie überhaupt zum Radio gekommen? Gab es da einen Kindheitstraum oder waren Sie auch ein Radio Luxemburg Fan?
„Als Norddeutscher war ich kein Radio Luxemburg Fan. Dazu war der Empfang zu schlecht. Abends hab ich aber immer gerne das englische Programm gehört. Die haben coole Musik gemacht damals. Ja, Radio war immer mein Traum. Als ich Anfang der 80er nach Würzburg ging, um dort zu studieren, habe ich das damals als DJ finanziert und hatte deshalb gute Kontakte zur lokalen Szene. 1987 bin ich dann von Radio Gong Mainland in Würzburg als Abendmoderator eingestellt worden. Nach zwei Wochen Crashkurs ging es auf Sendung. Das war echt spannend damals.“
Ihre erste
Moderation: Wann und wo war das -
und was war das für ein Gefühl?
„Radio Gong startete glaube ich am 7. April 1987. Der erste Song war ‘Nothing’s Gonna Stop Us Now’ von Starship. Das weiß ich noch genau. Meine erste Sendung lief zwei Tage später. Die Samstag Abend Radiodisco. Ich war brutal aufgeregt und hab damals noch mindestens eine Oktave höher moderiert. Ab da hatte ich dann drei feste Abend-Sendungen pro Woche. Mittwochs zwei Stunden Hardrock! Donnerstags eine Stunde Musikerinterviews aus der Region und samstags dreieinhalb Stunden Radiodisco. Eine herrliche Zeit. Das kann man sich heute im Radio kaum noch vorstellen. Ich bin meistens ne halbe Stunde vor der Sendung ins Archiv, hab mir einen Stapel Singles und LPs geholt und bin ins Studio. Während die letzte Platte vom Vorgänger noch lief, hab ich dann mal geguckt, mit welchem Song ich denn mal anfange. Das gibt’s heute nur noch beim Offenen Kanal.“
Was bedeutet für Sie Radio?
„Radio bedeutet für mich in erster Linie Lebensgefühl und Kreativität. Dazu kommt der Aspekt, dass kein Tag wie der andere ist und dass alles schnell umgesetzt werden kann bzw. muss. Radio lebt! Immer noch! Ich gebe zu, dass man es als Geschäftsführer manchmal schwer hat, das auch täglich zu erleben. Meist stehen die betriebswirtschaftlichen Erwägungen ja sehr im Vordergrund. In meiner Arbeit versuche ich deshalb in diesem Punkt immer eine gute Balance herzustellen. Manchmal nicht ganz einfach, aber was wäre das Leben ohne Herausforderungen...?!“
Anita Pospieschil
Aus
RADIOJournal 11/2007