Frank Elstner und die
»Vier Fröhlichen Wellen«
Die Luxemburger sind neben dem Deutschlandfunk die einzigen, die
überregional senden. Locker, live und immer lustig auf den „vier
fröhlichen Wellen” (Mittelwelle 208 Meter, Kurzwelle im
49-Meter-Band und im Raum Trier auf den UKW-Kanälen 6 und 33). Der
Spiegel stellt 1971 fest: „Das erfolgreichste Hörfunkprogramm in
deutscher Sprache - geringster Aufwand, größter Gewinn - wird im
Ausland gemacht: von Radio Luxemburg”. Die Privatfunker aus dem
Großherzogtum machen mitten in Europa amerikanisches Radio und
zeigen den ARD-Anstalten, dass man mit diesem Medium nicht nur
Informationen und Kultur, sondern auch einfach nur Spaß vermitteln
kann.
Der Erfolg von Radio Luxemburg ist vor allem das Verdienst von Tim
Elstner. Er kommt 1964 nach Luxemburg und legt sich den
Künstlernamen „Frank” zu, weil es bereits einen Sprecher namens Tom
gibt, mit dem er nicht verwechselt werden will. Frank Elstner
braucht nur ein Jahr, und schon ist er der beliebteste Sprecher bei
den Hörern. Als Chefsprecher moderiert er mehr als 10.000 Sendungen,
vor allem samstags »Die Großen Acht«, wo er die meistverkauftesten
Singleplatten aus Deutschland spielt.
Und jeden Sonntag die Hitparade, für die er sich etwas ganz
BBesonderes ausdenkt: Stimmkarten für die Lieblingshits liegen in
70.000 Sparkassenfilialen im westlichen Bundesgebiet aus. Damit
bindet Elstner Fans und Kunden an sein Programm. Für die Sendung »12
Uhr mittags« arbeitet er eng zusammen mit deutschen Lokalzeitungen
und wildert mit dieser Live-Mittagssendung vor Ort im Sendegebiet
der Öffentlich-Rechtlichen.
Elstner hält bis heute einen wohl einmaligen Rekord: Auf eine
RRätselfrage erhielt er 1,6 Millionen Zuschriften! 1973 wird Elstner
auch Programmdirektor und krempelt den Sender radikal um. Es gelingt
ihm das Kunststück, vormittags (dank Jochen Pützenbacher) die
Hausfrauen zu begeistern, aber nachmittags und abends noch
Jugendliche dazuzugewinnen. Das schafft er mit viel Popmusik und
simplen Ratespielen, allerdings immer wieder unterbrochen von
Werbung. Damals gibt es sogar ein Transistorradio mit einer
speziellen grünen Taste - nur für Radio Luxemburg, lange bevor
Stationstasten in Mode kommen. Der Sender wird vor allem in
Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gehört, aber er strahlt auch
bis weit in den Ostblock hinein. Dort hören die Soldaten in den
Kasernen fast ausschließlich Radio Luxemburg und bringen damit ihre
Offiziere zum Verzweifeln: „Dieser Sender ist die raffinierteste
Form der psychologischen Kriegsführung des Westens”, stellt die
tschechoslowakische „Militär-Revue” anerkennend fest.
Doch nach einigen Jahren Dauerberieselung aus Luxemburg wachen die
ARD-Sender zu Beginn der siebziger Jahre aus ihrem Dornröschenschlaf
auf und bieten mit Popwellen wie Bayern 3, hr3 und vor allem SWF3
Paroli. Plötzlich stagnieren die sonst immer kontinuierlich
gestiegenen Hörerzahlen von Radio Luxemburg bei zirka sechs
Millionen. Damals, als es nicht
mehr aufwärts ging, erkennt der Plattenplauderer Frank Elstner: „Der
Diskjockey am Rundfunkmikrofon hat ausgedient”. Statt dessen sucht
er im ganzen Bundesgebiet nach Journalisten und lockt sie mit
attraktiven Honoraren in die Villa Louvigny, die Zentrale seines
Senders. Vom WDR kommt Talkmaster Reinhard Münchenhagen und
übernimmt die Leitung der Nachrichtenredaktion. Der beim NDR
abgelehnte „Björn” Hergen Schimpf wird Sportchef („Sport mit Björn
ist großer Mist, wenn Du nicht am Radio bist”). Samstags kommentiert
Björn gemeinsam mit Fußball-Legende Fritz Walter die „Torparade” der
Fußball-Bundesliga. Und schließlich holt Frank Elstner noch Geert
Müller-Gerbes, den ehemaligen Pressereferenten von Bundespräsident
Gustav Heinemann. Ihn macht er zum RTL-Statthalter in Bonn, der sich
täglich mit Hintergrund-Informationen zur Bonner Politik meldet.
Es bewirbt sich sogar die komplette Jugendredaktion eines
AARD-Senders bei Frank Elstner, doch der pickt sich nur die Rosinen
raus: Für die älteren Hörer Elmar Gunsch, Rainer Holbe, Lou van
Bourg und Max Schautzer. Und für die Jugendlichen Thomas Gottschalk,
Thommy Ohrner und Desirée Nosbusch. Alles Namen, die später auf dem
Bildschirm ganz groß rauskommen. Denn wer am Mikrofon von Radio
Luxemburg die Gesellenprüfung bestanden hat, dem stehen auch beim
Fernsehen alle Türen offen. Frank Elstner selbst entwickelt 1981
fürs ZDF »Wetten, dass?...«, die einzige noch bestehende
Samstagabendshow mit dem Prädikat „Straßenfeger”.
Ulrich Wenger im
Radio-Report
Aus
RADIOJournal 3/1999 (gekürzt)