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Radio Luxemburg
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»Rauschen, Knistern, Knacken ...
und ab und zu ein Sprung in der Platte...« - Erinnerungen an Radio
Luxemburg
Eine alte Chronistenweisheit sagt: Am Anfang steht die Wiege. Bei Radio Luxemburg befand sie sich in der Villa Louvigny im Büro von Matthias Felten, Generaldirektor von 1956 bis 1964. Der Sender aus dem Großherzogtum meldete sich am 15. Juli 1957 zum ersten Mal offiziell mit einem Testprogramm: „Meine Damen und Herren, Sie hören ein Versuchsprogramm in deutscher Sprache. Wir senden ab heute täglich zwei Stunden...“. Zwei Jahre zuvor hatte man bereits die ersten zaghaften Versuche in Luxemburg gestartet. Seit Juli 1955 gab es täglich, frühmorgens kurz nach sechs Uhr deutschsprachige Nachrichten.
Die Stimme der ersten Stunde gehörte dem Luxemburger Journalisten Pierre Nilles alias „Peter Perleberg“. In Deutschland hatten Wolfgang Sauer und Margot Eskens große musikalische Erfolge. „Cindy oh Cindy“ hörte man an jeder Ecke. Harry Belafonte stellte seinen Banana Boat Song vor, Freddy Quinn, Peter Alexander und Caterina Valente waren mit ihren Liedern in den Jukeboxen zu hören. Das Jahr 1958 brachte für Fred Bertelmann und seinen „Lachenden Vagabund“ einen großen Erfolg, ebenso für Heinz Schachtner mit seinem Mitternachts-Blues. In Luxemburg er-weiterte Programmdirektor Claude Fischer die Mikrofonmannschaft. Elisabeth Merkels wohnte seinerzeit in Luxemburg, bewarb sich um eine Stelle im Sender und arbeitete zwei Jahre lang bei den englischen Kollegen. Am 28. Juli 1958 saß sie dann im Studio 4 am Mikro und begrüßte die deutschen Hörer. Sie lernte Hans Bertram kennen, zwei Jahre später heirateten die beiden. Das gemeinsame Kind quiekte herzerfrischend im „Babysitter-Boogie“. Elisabeth blieb Radio Luxemburg auch weiterhin treu, nachdem sie den Sender im April 1960 bereits verlassen hatte. In der Musikbranche textete sie Schlager wie „Schön ist es auf der Welt zu sein“ oder die deutsche Version der „Schiwago Melodie“.
Die Resonanz auf die Sendungen von Peter Perleburg und Elisabeth waren umwerfend. Daher wurde aus dem Zwei-Stunden-Versuch im November 1957 ein Vier-Stunden-Programm, ausgestrahlt von 14.00 bis 18.00 Uhr. Was hatte Peter Perleburg im Juli bei der Premierenansage den Hörern versprochen: „Sie hören ein leichtes Musikprogramm“ - aber dem deutschen Team fehlten die Schallplatten, um es zu gestalten. Lieder von Willy Schneider und Josef Schmidt waren der Standard des Senders. Es musste ein Musikarchiv her; Programmdirektor Claude Fischer erkannte das Gebot der Stunde und schickte sein Moderatorenpaar zum Plattenkauf in die Stadt. Damals existierte das Wort „Bemusterung“ (die Schallplattenfirmen beliefern die Radiosender mit Neuerscheinungen) bei Radio Luxemburg noch nicht. Doch das änderte sich schnell. Zufällig hörte Fred Weyrich im Autoradio die Mittelwelle 208. Elisabeth hatte an diesem Tag Dienst und erzählte den Hörern, dass dem Radio ein richtiges Musikarchiv fehle. Senderbetreuer Fred Weyrich (später Produzent) steuerte Luxemburg an und so kam es zur Uraufführung der Bemusterung.
Elisabeth und Peter präsentierten in den ersten Sendemonaten einen ungewohnt lockeren Sprachstil, und betraten damit absolutes Neuland in der deutschen Rundfunkszene. Ihr Motto: „Reden wie einem das Herz gewachsen ist“. 1960, zwei Jahre später, formulierte Camillo Felgen den Umgang mit den Hörern so: „Der Hörer wird direkt angesprochen, er darf auch am Geschehen hinter den Studio-Kulissen teilnehmen und kann - wie er möchte - je nach Humorlage mit den Moderatoren schmunzeln, grienen und lachen.“ Diese etwas andere Art der Höreransprache war sensationell und verbreitete sich in Windeseile. Aber erst viele Jahre später gingen die Rundfunkanstalten in Deutschland darauf ein und machten es den Luxemburgern nach.
Im Herbst 1958 wurde Enno Spielhagen als Musikexperte beschäftigt und wechselte 1964 zur Europawelle Saar. Dort versuchte man den persönlich-lockeren Stil aus Luxemburg zu übernehmen, was aber nicht so gut gelang. In seiner Luxemburger Zeit war Enno auch Spracherzieher hinter dem Mikrofon. Annelie von Mohrenschild schrieb in dieser Zeit eine Bewerbung an „Den SENDER“, wie die Einheimischen Radio Luxemburg einfach nannten. Sie wurde engagiert und trat 1958 den Dienst im Studio 4 an. Sie blieb bis zum April 1970. Von den Hörern verabschiedete sie sich mit einem „Mikrofon-Kuss“. Ihre Seefahrersendung »Klabautermann« war über Kurzwelle weltweit zu hören und wurde zum unlösbaren Bestandteil im Programm von Radio Luxemburg, ebenso ihre »Kindergeschichten«. Annelie zog es nach Österreich, dort schrieb sie Kinderbücher.
Mit dem Lied „Die Farbe der Liebe“ war Paul Kuhn 1958 sehr erfolgreich. Billy Vaughan & His Orchestra spielte den Ohrwurm „La Paloma“. Die Hörer summten im Radioland diese Lieder mit. Enno Spielhagen saß damals als „Franz“ in Luxemburg vor dem Mikrofon. Er hatte mit Camillo eine Wette abgeschlossen - worum es ging - weiß heute keiner mehr. Enno behauptete: „Wenn das nicht stimmt, werde ich Franz heißen“. Es hatte nicht gestimmt. Während Franz seinen Probemonat absolvierte, holten Claude Fischer und Matthias Felten im April 1958 einen Mann ins deutsche Programm nach Luxemburg zurück, der bereits Anfang der fünfziger Jahren in den Diensten von RTL (Radio - Tele - Luxemburg) stand und im französischen Programm die Nachrichten las: Camillo Felgen. Er sang als ausgebildeter Bariton die Erkennungsmusik für RTL - France.
Camillo komponierte viele Hits, schrieb in einer Nachtaktion für die Beatles die deutsche Version „Sie Liebt Dich“ und „Komm, gib mir deine Hand“. Sein größter Erfolg war das Lied „Ich hab’ Erfurcht vor schneeweißen Haaren“, geschrieben für seine Mutter.
Camillo wurde Chefsprecher im deutschen Programm von Radio Luxemburg, er erfand die erste deutschsprachige Hitparade und schrieb damit Radiogeschichte: Ostersonntag, 6. April 1958, 17.00 Uhr. Genau in dieser Minute startete die »HITPARADE«. Nach einer Woche kamen über viertausend Karten mit der Adresse „An die Hitparade von Radio Luxemburg“ in der Villa Louvigny, dem Funkhaus von RTL, an.
Die Generalvertretung von Radio Luxemburg, die ihren Sitz seit 1958 in Frankfurt am Main hatte, und ab 1960 unter dem Namen IPA firmierte, brachte ein neues Kind auf die Bühne. Der Vorläufer für die Löwenverleihung wurde geboren - „Das Schlagerfestival“.
Und wer erfand die Löwenverleihung? Camillo Felgen hatte damals bei seinen Vorgesetzten in der Verwaltung von Radio Luxemburg eine Besprechung. Da diese länger dauerte als vorgesehen, und seine Sendung im Studio 4 immer näher rückte, musste Camillo einen Schritt zulegen um von der Verwaltung quer durch das Gebäude in den Technikertrakt zu kommen. Er sauste durch die Gänge der Villa Louvigny, seine Gedanken kreisten um das Schlagerfestival, dabei übersah er einen Teppich auf dem Fußboden, rutschte aus und landete genau auf dem Emblem eines Löwen. „Das ist es“, sagte er spontan, „DER LÖWE“. In der Schrecksekunde des Falls entstand die Idee zum Goldenen, Silbernen und Bronzenen Löwen. Er wurde die Trophäe der Veranstaltung und darüber hinaus das Markenzeichen des Senders.
Die ersten Löwengewinner im Jahre 1959 waren Fred Bertelmann, Conny, Peter Kraus, Nilsen Brothers, Dalida, James Brothers und Freddy Quinn. In dieser Zeit kam Annelie ins Team der Luxemburger und erfand unter anderem die Sendung »Interview mit einem Geist«. Sie war nach Geist-Biografie aufgebaut und die Hörer mussten die dahinter steckende Person erraten.
Die Sprecherinnen und Sprecher von Radio Luxemburg hatten einen sehr hohen Beliebtheitsgrad und Wiedererkennungswert in der Bevölkerung. Monika reiste in ihrer Dienstzeit nach Köln zu einer Veranstaltung. In der Gaststätte wo sie einkehrte, überprüften Polizeibeamte gerade die Personalien der Gäste. Monika hatte ihren Ausweis zu Hause in Luxemburg liegen lassen und sagte: „Ich bin Monika von Radio Luxemburg“, worauf einer der Polizisten meinte: „Da ich ein Fan von ihr bin, erkenne ich Monika an der Stimme.“ Die stellte sich daraufhin in den Raum und machte eine Stationsansage: „Es ist 16.00 Uhr und Sie hören weiterhin Radio Luxemburg mit seinen vier fröhlichen Wellen, auf der Mittelwelle 208 Meter = 1440 kHz, auf der Kurzwelle im 49m Band = 6090 kHz, und auf der Ultrakurzwelle im Kanal 6 und 33...“. Monika brauchte nicht mehr weiterzureden, die Überprüfung ihrer Personalie wurde sofort eingestellt.
Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre ist Radio Luxemburg längst ein Sender für ein Millionen-Publikum geworden und war auch „der SENDER in der DDR“. In einem Buch zur Geschichte von RTL steht, dass die SED damals eine Broschüre unter dem Titel „Heiße Musik und kalter Krieg“ herausgegeben hatte. Sie befürchtete, der Einfluss des populären Westsenders auf die Bürger könnte zu groß werden. Trotzdem hörten viele Menschen in der DDR heimlich Radio Luxemburg, und dort fand man immer einen Weg ihnen Autogrammkarten zukommen zu lassen
James Last komponierte 1967 zum 10-jährigen Bestehen die neue Erkennungsmelodie „Happy Luxemburg“, ab Sendestart bis dato hörte man „Bell of the Ball“ von Montovani. Damals war es Kult bzw. ein Muss ins Großherzogtum Luxemburg zu reisen, um eigens „seinen SENDER“, der im Stadtpark beheimatet war, kennenzulernen. Einmal die Villa Louvigny von außen und innen anschauen (in den ersten Jahren kam man als Besucher noch in den Sender bzw. ins Studio 4). Da das Studio 4 sehr klein war (von der räumlichen Größe), wurde viel improvisiert bzw. Radio wurde in Luxemburg mit der Hand gemacht. Natürlich bekamen die Hörer manches über Antenne mit: das Vogelgezwitscher aus dem Stadtpark, ein Gewitter das über Luxemburg niederging, Sirenen in weiter Ferne, Moderatorenwechsel vor offenem Mikrofon, oder der Moderator der nachfolgenden Sendung stand im Stau, oder sie/er hatte einfach seine Sendung vergessen... das war Radio Luxemburg live und in Farbe. Die Hörer liebten es, und die Moderatoren ließen keine Frage unbeantwortet.
Auch die Indikative (Erkennungsmelodie einer Sendung) hatten einen hohen Wiedererkennungswert: Jubilee - Orchester Ken Jones „Hitparade“; Fiesta in Bela Horizonte - Martin Böttcher „wurde für den Wetterbericht eingesetzt“; Work Song - Herb Alpert „Gefragt - Gespielt“; The Swinging Creeper - Venturs „Die Großen Acht“; Matthew and Son - Apollo 100 „Stunde der Hits“.
Aus den zwei Sendestunden wurden ganz schnell vier Stunden, aus vier Sendestunden recht bald neunzehn. Viele Moderatoren und Gastmoderatoren saßen Tag ein Tag aus vor dem Mikro im Studio 4 um uns zu unterhalten. Peter Langenbach formulierte es in seinem Buch genauer: „...denn das Herz von Radio Luxemburg war nicht die komplizierte Technik, sondern das kleine Studio 4 mit all seinen Moderatorinnen und Moderatoren, die dort am Mikrofon gesessen haben. Das war ein Team von Sprechern, das vom »Fröhlichen Wecker« bis zur »Nachtarbeiter-Sendung« jeden Tag uns auf Neue unterhalten und informiert hat“. Sicher kennen wir viele Namen und deren Stimmen. „Menschlich gesehen“ ist „der SENDER“ kein elektronisches Wunderding, das auf Knopfdruck funktioniert. Da hat jeder Sprecher seine Eigenart - Stärken - und Schwächen. Vor allen Dingen auch seine eigene Geschichte.
Zum Jahreswechsel 1959/60 wurde die Mittelwelle auf 600 Kilowatt erhöht. Elisabeth, die aus dem englischen Archiv „Bell of The Ball“ ins deutsche Programm als Erkennungsmelodie mitbrachte, verließ die Villa Louvigny. An ihrer Stelle kam Annemarie Perl neu ins Luxemburger Team und Tony Schwaegerle im Jahre 1961. Als Autor über die „Vier Fröhlichen Wellen“ machte er sich ebenso einen Namen. Er schreibt in seinem Buch wie er nach Luxemburg kam und was er dort erlebte.
1962 vertrat der Chefsprecher und Sänger Camillo Felgen das Großherzogtum Luxemburg beim Grand Prix d’Eurovision. Camillo belegte den dritten Platz mit seinem Lied „Betit Bonhomme“. Er brachte auch eine deutsche Version heraus unter dem Titel „Du kleiner Mann“.
„Henry und der Käse“ geisterte damals als Ritterdrama über die fröhlichen Wellen, der Autor dieses Dramas war Hans-Karl Schmidt, allen bekannt als „Atze“. Im Mai 1962 kam er nach Luxemburg. Atze lieh Ritter Henry seine SSendume, der auf der Suche nach einer stinkenden Geruchswelle war. Gerhard Wendland sang 1962 „Tanze mit mir in den Morgen“, Bob Moore spielte „Mexiko“, die „zwei kleinen Italiener“ wurden von Conny Froboess besungen, Mina stellte ihren „Heißen Sand“ vor, und die schnellste Maus aus Mexiko „Speedy Gonzalez“ brachte Rex Gildo in die Hitparade. Willy Brandes und die kleine Elisabeth (mit dem fröhlichen Kinderlachen) sangen den „Baby Twist“. Übrigens, die Mutter von diesem netten Mädel ist Elisabeth von Radio Luxemburg, die mit Peter Perleberg die ersten Sendungen gestaltete.
Im Jahr 1962 waren kurzfristig im Team Gerti Barna, Rene Franke, Fred Ziller und Dorothee. Auf dem Frankfurter Flughafen wurde ihr umwerfendes Timbre bei der Lautsprecheransage von Camillo entdeckt. Im Winter 1962 übernahm Radio Luxemburg den UKW-Kanal 33. Die Sendungen aus dem Großherzogtum Luxemburg konnte man nun von 6.00 bis 21.00 Uhr auf der Ultrakurzwelle hören; auf Mittel- und Kurwelle von 14.00 bis 18.00 Uhr.
Mariann kam 1963 ins Team, drei Jahre später verließ sie den Sender wieder. Das hessisch babbelnde Karlchen alias Carly (Klaus Heller) kam ebenfalls 1963 nach Luxemburg und verließ RTL 1966. Norbert führte die Sendung »Die Wochenstichler« ein. Samstagabends hieß es nun Kabarettzeit. Das Jahr 1963 brachte nicht nur Mariann und Carly nach Luxemburg sondern es kamen noch Monika Georges, Haidy Jacoby, Edy Hildebrand und Jörg Ebner. Edy, von Beruf Bäcker, besuchte regelmäßig das Luxemburger Funkhaus. Bevor man ihn auf den Ätherwellen hören konnte, bekam er von einem Kollegen eine Sprachausbildung.
Haidy arbeitete damals beim öffentlich-rechlichen Rundfunk und entdeckte in der Tageszeitung eine Stellenanzeige von RTL. Sie bewarb sich und wurde nach Frankfurt zum Vorsprechen eingeladen. Kurz vorher bekam sie einen Schnupfen. Das war natürlich unangenehm, aber Haidy baute ihn geschickt in ihre Moderation mit ein und wurde vom Fleck weg eingestellt. Ihre erste Sendung hatte sie am 22. November 1963. Kurz vor Acht, Haidy kam ins Studio und erfuhr von ihrem Kollegen aus der Frühsendung, dass der damalige US-Präsident John F. Kennedy in Dallas erschossen worden war. Der Schock über das Attentat nahm sie so mit, dass der Kollege von der Frühsendung für sie weiter machte. Haidys Markenzeichen wurden die Sendungen »Von Haus zu Haus« und »Scharade«. Die Erkennungsmelodie für »Von Haus zu Haus« heißt „Mexican Whistler“, gesungen von Roger Whittaker. Haidy verließ in den neunziger Jahren RTL und ging als Schauspielerin zum Theater. Sie starb 2005.
Die Compagnie Luxemburgeoise de Radiodiffusion (CLR) hatte die Villa Louvigny (das legendäre Funkhaus von Radio Luxemburg) 1933 angemietet und vier Jahre später gekauft. Ab 1955 wurde das Luxemburger Fernsehen aus der Villa Louvigny gesendet, die CLR wurde umgetauft und nannte sich von nun an CLT - „T“ wie Telediffusion. Aus Radio Luxeburg wurde Radio-Tele-Luxemburg (RTL). In den neunziger Jahren verließ RTL den Stadtkern Luxemburgs und zog von der Villa Louvigny in ein neues modernes Sendezentrum auf den Kirchberg.
Aber zurück zu dem Sender aus Luxemburg, der in den goldenen Zeiten des Radios diesen neuen Stil in den Äther brachte. 1964 gab es heiße Diskussionen um die Hitparade. Stapelweise kamen Postsendungen immer aus derselben Gegend nach Luxemburg. Camillos Verdacht: Fanclubs versuchen ihre Stars in der Hitparade zu halten bzw. die Platzierungen zu verbessern. Daraufhin stellte er die Hitparade trotz vieler Protestschreiben ein.
Auszug aus dem Buch „25 Jahre Radio Luxemburg“: „Im festen Gastsprecher-Engagement waren für den Sender tätig: Wolfgang Sauer 1963; Lou van Burg 1963/ 64 und 80er Jahre; (Harald Juhnke 1964; Bill Ramsey im Sommer 1965 und 1982; Hans Jürgen Bäumler im Sommer 1965 und Sommer 1982; Michael Holm im Dezember 1966; Christian Anders im März 1970; Jonny Hill im September 1970; Elfie Graf im Februar 1974); Dieter Kürten im Juni 1979; Hanne Haller und Jürgen Marcus im August 1980“.
Mit Wolfgang Sauer hatte ich vor langer Zeit ein sehr informatives und freundliches Gespräch. Er sagte mir, dass er bekannt wurde und man sich heute noch an ihn erinnert, habe er Radio Luxemburg zu verdanken. Da er blind ist, nahm er immer seine Frau mit ins Studio, die ihm die Handzeichen des Technikers erklärte.
Man wollte in Luxemburg trotz der Einstellung der Hitparade hautnah am Hörer bleiben. So entstand die die Sendung »Die Großen Acht“. Der Moderator rief in ausgesuchten Plattengeschäften an, und die gaben ihre verkauften Hits über den Sender bekannt. Später kam die Hitparade wieder dazu und blieb neben den Großen Acht ein fester Bestandteil im Programm. Sendezeit der Großen Acht war samstags zwischen 14.00 und 15.00 Uhr, später liefen sie auch im Wochenprogramm von RTL.
Alf Wolf stieß im Jahr 1964 zu RTL. Er fuhr seine Sendungen bei Radio Luxemburg bis Herbst 1967. Die Hörer der Europawelle Saar konnten ihn anschließend bis zu seiner Pensionierung auf SR 3 Saarlandwelle hören. Er moderierte auch im ZDF die »Hot and Sweet«. Dieter Weidenfeld - auch ein Neuzugang 1964 - blieb in Luxemburg bis im Sommer 1966. Er führt heute ein Künstlermanagement.
In den sechziger Jahren war die Fernsehsendung »Spiel ohne Grenzen« der Renner. Damit begann 1963 für Camillo als Kommentator in Dax (Südfrankreich) sein Fernseh-Debüt. Kurze Zeit später stand er für die TV-Show als Spielleiter vor der Kamera. RTL-Kollege Frank Elstner stand im Sommer 1966 in der Spielesendung an der Seite von Camillo. Altmeister Camillo beendete 1973 seine »Spiel ohne Grenzen«-Zeit. Im gleichen Jahr übernahm Frank beim damaligen Südwestfunk (SWF) die Fernsehsendung »Punkt-Komma-Strich«.
Frank Elstner und Helga Guitton landeten 1964 in Luxemburg. Franks Vespa schaffte die Reise von Baden-Baden durch die Eifel ins Großherzogtum. Schlagkräftig wie der junge Mann war, der eigentlich Tim hieß, bekam er den Radio-Job. Doch Tim konnte er sich am Mikro von Radio Luxemburg nicht nennen, weil zu dieser Zeit jemand mit Namen Tom Dienst im Studio 4 tat, und da Franz (Enno Spielhagen) schon vergeben war, einigte man sich schließlich auf Frank. Frank startete am Anfang seiner Dienstzeit gleich eine Nachtaktion im Musikarchiv. Danach kannte er jede A und B-Seite von den dort gelagerten Platten. Wie schlagfertig er war das erfuhr auch Jochen Pützenbacher bei seinem Vorstellungsgespräch.
Der kreative Frank hatte immer neue Ideen und so entstand aus seiner Feder die Luxemburger »Funkkantine«. Am 4. September 1964 konnten die Hörer auf UKW abends um 20.00 Uhr die »Funkkantine« zum ersten Mal empfangen. Ab 1965 wurde die »Funkkantine« in die Mittagszeit verlegt und war nun zwischen 12.00 und 14.00 Uhr im Programm. Die Sendung entwickelte sich zum Dauerbrenner - 10 Jahre lang - bis zum Jahresende 1975. Am 2. Januar 1976 ertönte um 12.00 Uhr auf den Vier Fröhlichen Wellen die Erkennungsmelodie zur Nachfolgesendung »12 Uhr Mittags«. Durch das Programm führte Jochen Pützenbacher. Ab Januar 1981 bekam die Sendung einen neues Gesicht und hieß fortan »12 Uhr Mittagspause«.
1964 erweiterten die Luxemburger ihr Abendprogramm, das nun bis 22.00 Uhr dauerte; im Dezember blieben die Lichter im Studio 4 dann bis Mitternacht an. In der gleichen Zeit wurde Camillo von der Fachzeitschrift „Musikparade“ zum beliebtesten Diskjockey gewählt. 1965 ging die Hitparade mit einer Neuerung wieder „on air“. Nicht nur nationale Musiktitel sondern auch internationale wurden gespielt. Platz Nummer Eins in der ersten Sendung belegte Petula Clark mit „Downtown“. Das Jahr 1965 brachte auch für andere Künstler große Erfolge. Nino Rosso spielte auf seiner Trompete „Il Silenzio“, das „Fräulein Wunderbar“ stellte uns Peter Alexander vor; Drafi Deutschers Ohrwurm „Marmor, Stein und Eisen bricht“ erschien ebenfalls in diesem Jahr. Auf der internationalen Showbühne schmetterten die Rolling Stones ihr „Satisfaction“, und in den Hitparaden waren die Beatles und Roy Orbison vertreten.
Im Februar 1965 reiste Dieter aus dem hohen Norden an, vorbei am Ruhrgebiet, hinter Köln bog er rechts ab, dann ging es quer durch die Eifel nach Luxemburg. Dieter hatte einen Arbeitsvertrag als Moderator bekommen, aber mit Dieter konnte er sich aus dem Studio 4 nicht melden, der Name Dieter (Weidenfeld) war schon im Hause RTL vergeben. Was nun? Nach langen Überlegungen sollten die Hörer, genauer gesagt „die Leserinnen und Leser der BRAVO“ darüber abstimmen. Die entschieden sich für „Thomas“. Dieter-Thomas Heck blieb bis Juli 1966 bei Radio Luxemburg. Anschließend ging er zu SR 1 Europawelle Saar und moderierte später die ZDF-HITPARADE.
Nachdem Thomas seinen Probemonat bestanden hatte, ertönten für deutsche Ohren ungewohnte Klänge aus Luxemburg. Am Mikrofon war George von den Beatles. Monika, Norbert und Thomas hatten in London ein Interview mit den Beatles gemacht. Dabei entstand die Bandaufnahme.
Im Frühjahr 1965 gab es bei der Straßburger Zeitung „Bonjour“ eine sechsteilige Serie über den Radiosender in Luxemburg. Im Vorwort schrieben die Straßburger: „Radio Luxemburgs Anhängermillionen haben sich so vermehrt, dass die Fachindustrie daran gehen musste, Rundfunkgeräte mit einer besonderen RADIO-LUXEMBURG-TASTE auf dem Mark zu bringen“. Aber auch negative Schlagzeilen über Radio Luxemburg wie „Opium fürs Volk“ oder „Die Sprecher gebärden sich wie Kapläne ohne Zölibatsverpflichtung - Jeder von ihnen fühlt sich wie ein Messias und Psychotherapeut in einer Person“ machten die Runde. Der SENDER nahm's gelassen und Camillo meinte dazu: „Wem’s nicht passt, der drehe ab!“.
Eine Umfrage von Infratest brachte aber positive Zahlen auf den Tisch: Mindestens vier Millionen Menschen schalten das deutsche Programm von Radio Luxemburg ein. Der populären Musik entzog sich RTL nicht. »Die Großen Acht« waren sehr stark international geprägt, ebenso die Sendung »Hits aus aller Welt«. Trotzdem blieb auf dem Musikplan des Senders der deutsche Schlager im Vordergrund. Die »Deutschen Zehn« wurden im Jahre 1967 eingeführt. Camillos Argument dazu: Die in den Plattengeschäften telefonisch abgefragten Verkaufshits für »Die Großen Acht« müssen nicht unbedingt den Geschmack der Hörer treffen.
Der Trend für die internationale Popmusik kam 1963 mit Jörgs Sendung »Hits von der Schulbank«, der Wiedergeburt der HITPARADE im Jahr 1965 und mit Achims Sendung »Country - Westernszene« (ab 1967) ins Programm. Er setzte sich immer weiter fort, sei es beim Grand Prix RTL International, der von 1969 bis 1972 veranstaltet wurde, oder bei den Rock-Sendungen ab Sommer 1978. Peter startete seinen »Nachtrock«, Anfang der 80er Jahre kam die tägliche »RTL-YOUNG-SCHIENE« dazu. Das YOUNG-Team bestand aus Honey-Bee Benson, Dave Christian, Jörg, Achim und Peter. Felix Parbs hatte im Jahre 1982 ein Exklusiv-Interview mit Mick Jagger. Tony Price vom englischen Programm führte 1970 ein exklusives Interview mit Elvis Presley in Las Vegas, das von den deutschen Kollegen übernommen wurde. Das Team vom englischen Dienst hatte genauso eine große Fangemeinde. Gesendet wurde auf der Mittelwelle 208 Meter ab den frühen Abendstunden bis weit in die Nacht hinein.
In den siebziger Jahren wurden die Vier Fröhlichen Wellen abends um 18.00 Uhr geteilt. Auf der Mittelwelle und der Kurzwelle sendete Oliver aus dem Studio 4 den »Superclub« (eine Gemeinschaftssendung vom deutschen, niederländischen und englischen Programm). Auf UKW konnte man in dieser Zeit die Sendung »Immer mit der Ruhe« hören. Sie wurde aus dem Studio 1 gefahren. Ab 19.00 Uhr ging es dann aus dem Studio 4 weiter mit dem zweiten Teil. Die Erkennungsmusik hieß „Samba Pa Ti“ von Santana.
Anfang des Jahres 1966 ließ Frank sich den »Fröhlichen Wecker« einfallen. Sendezeit war morgens ab 6.00 Uhr. Er musste das erste Frühaufsteher-Programm selbst fahren und verbrachte - um nicht zu verschlafen - die Nacht im Studio 4. Später wurde die Sendung dann im Wechsel moderiert.
Marion Preuss kam 1967 nach Luxemburg. Sie führte die Sendung »Nachsitzen« ein und blieb bis 1970. Später übernahm Oliver die Sendung. Achim Graul und Wolfgang Sievers kamen ebenfalls 1967 zum Sender. Achim blieb zunächst bis 1971 und tauchte ab 1975 wieder im Studio 4 auf. Wolfgang moderierte unter anderem die Autofahrersendung, er verließ Radio Luxemburg im Februar 1969.
Im Jahr der Neuankömmlinge Marion, Achim und Wolfgang feierte Radio Luxemburg sein 10-jähriges Jubiläum. Gesendet wurden jetzt 19 Stunden am Tag, von 6.00 Uhr morgens bis 1.00 Uhr nachts. Durchgehend auf UKW Kanal 33 - und seit April 1967 - Kanal 6 sowie auf Kurzwelle 6090 kHz. Auf der Mittelwelle 1440 kHz (600 Kilowatt) von 6.00 bis 9.00 Uhr und von 12.00 bis 19.30 Uhr; einige Jahre später von 6.15 bis 18.00 Uhr, dann bis 19.30 Uhr (jetzt mit 1200 Kilowatt Sendeleistung). Im Jubiläumsjahr wurde durch den zweiten UKW-Kanal aus den Drei“ die viel zitierten „Vier Fröhlichen Wellen“.
Im Frühjahr 1968 verließ Camillo Felgen Luxemburg. In einem Gespräch erklärte er: „Es ist einfach zu viel geworden - Das Fernsehen mit »Spiel ohne Grenzen« - dann nachts nach Luxemburg gedüst - um live die Hitparade aus dem Studio 4 zu fahren - das schlaucht mit der Zeit sehr“. Programmdirektor Helmut Stoldt starb im Mai 1973 in einer Luxemburger Klinik. Die Generaldirektion berief Frank Elstner zu seinem Nachfolger.
Zum Jahresanfang 1969 zog es Martin Schwarze nach Luxemburg. Seine Spezialitäten waren die Plattenanalysen, die Musikvergleiche und die neusten Show-Infos. Martin erstellte einige Jahre die RTL Chronik - ein Rückblick mit den Höhepunkten im Sender - die auf Langspielplatte erschien. Er verabschiedete sich im Juli 1981 von den Hörern und ging nach Deutschland, wo er für verschiedene Rundfunkanstalten arbeitete. Er verstarb in den achtziger Jahren.
Im Studio 4 wurde alles auf den Plattenteller gelegt was den Hörern gefiel. Egal ob es mal rauschte, knisterte oder die Platte einen Sprung hatte. So war das eben - damals bei Radio Luxemburg. Man wollte den Hörern „kein steriles Programm anbieten“. Die Moderatorinnen und Moderatoren stellten ihr Musikprogramm für die Sendung selbst zusammen. Der Name Musikredakteur war bei RTL bis in die achtziger Jahre ein großes Fremdwort.
Friedel
Weiß
Aus
RADIOJournal 5/2007