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Radio Luxemburg
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Ein kleines Team betritt Radio-Neuland, setzt auf leichte Unterhaltung, gibt dem deutschen Schlager die absolute Favoritenrolle und redet am Mikrofon, wie einem das Herz gewachsen ist. Allen voran: Camillo Felgen - ein Mann, der Radiogeschichte "gesprochen" hat. Hier schildert er seine Erinnerungen an die ersten Jahre Radio Luxemburgs.
RTL vor 30 Jahren
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Die Zeit der Radiopioniere
"Es war eine sehr schöne Zeit - damals, 1957, als alles anfing. Ich war noch beim Werbefunk Saar unter Vertrag, als man mich telegraphisch aus dem Urlaub holte: Ob ich zu einem Gespräch nach Luxemburg kommen könnte, wegen eines neuen deutschen Programms. Bis dahin hatte es ein französisches und ein englisches Programm gegeben. Im Juli 1957 hatte man dann mit einer Art Versuchsprogramm in deutscher Sprache begonnen - mit einem sehr kleinen Schallplattenarchiv (so an die 60 Platten) und mit wenigen Sprechern. Aber auch mit Nicht-Sprechern: Da wurde einfach jeder gebraucht, der einigermaßen Deutsch sprechen konnte. Wie zum Beispiel Elisabeth Merkels, die Sekretärin im englischen Programm war, aber recht gut Deutsch konnte. Deshalb bat man sie, zwischendurch ein paar Ansagen zu machen. Und die Hörer waren begeistert! Als Elisabeth einmal krank wurde, habe ich Annemarie, eine weitere Sekretärin, vertretungsweise vors Mikrofon geholt. Bevor sie richtig anfing, entschuldigte sie sich bei den Hörern, sie sei gar keine Sprecherin, sondern Sekretärin, aber es sei ja nur für ein paar Mal. Und dann kam sie so gut an, dass wir gesagt haben: Die bleibt im Programm! Aus der Not mussten wir manchmal eine Tugend machen.
In Sachen Musik bestimmten wir den Trend
Am Ostersonntag, 6. April 1958, habe ich meine erste Sendung gemacht: die Hitparade! Das war ziemlich revolutionär, denn es war die erste deutschsprachige Hitparade. Und sie hat unglaublich gut eingeschlagen. Schon nach der ersten Sendung kamen 4000 Zuschriften. In den darauf folgenden Monaten verdoppelte sich diese Zahl sehr schnell. Irgendwann waren wir bei 60.000 Karten pro Sendung angelangt. Die Post wusste schon gar nicht mehr, was sie mit diesen Säcken voll Postkarten anfangen sollte. Ja, so kam es, dass wir bald die "Hitmaker" genannt wurden und in Sachen Musik die Trendsetter waren. Sechs Monate später hob ich das Wunschkonzert aus der Taufe, danach eine Autofahrersendung. Die Autofahrer anzusprechen, war ausgesprochen ungewöhnlich. Diese Zielgruppe wurde von den öffentlich-rechtlichen Sendern damals völlig vernachlässigt. Aus dem Stehgreif sagte ich dann in einer Sendung: 'Wie wär's denn, wenn die Autofahrer, die jetzt gerade unterwegs sind und uns zuhören, alle zusammen die Standlichter einschalten würden. Dann sehen Sie mal, wer alles Radio Luxemburg hört'. Das muss eine tolle Wirkung gehabt haben, und in jeder Sendung ließ ich dann die Autofahrer die Lichter anzünden. Sogar die Leute in den Innenstädten lehnten sich aus den Fenstern, um zu sehen, wie viele Autos denn nun am hellichten Tag mit Standlicht umherfahren. Irgendwann fiel dann auch der Polizei auf, was der Camillo da so treibt. Über offizielle Kanäle wurde der Botschafter benachrichtigt, der dann auch brav bei uns vorsprach und meinte, das sei zwar alles sehr lustig, aber rein verkehrstechnisch würden wir ein Chaos verursachen, weil die Leute langsamer fahren, um einander zuzuwinken. Da mussten wir diese schöne Aktion natürlich einstellen.
Die fröhlichen Wellen
Als ich die Programmleitung übernahm, hatten wir - soweit das damals schon messbar war - ungefähr 20.000 Zuhörer. Innerhalb von drei Jahren gingen die Einschaltquoten dann bis in die 12 Millionen. Wir sendeten damals auf Mittelwelle ab 14 Uhr vier Stunden lang. Mit der Zeit wurde es dann immer mehr, und ein paar Jahre später bekamen wir die ersten UKW-Frequenzen. Das war auch die Zeit, als mir der Slogan »Die fröhlichen Wellen von Radio Luxemburg« einfiel. Schließlich waren wir ja alle fröhlich, lustig, hemdsärmelig und gingen fröhlich ran an die Unternehmung, Radio zu machen. Schön war, dass wir von Anfang an die Kurzwelle bekamen und damit ein enorm großes Verbreitungsgebiet abdecken konnten, das weit über Deutschlands Grenzen hinausreichte. Ich erinnere mich zum Beispiel, dass ich an einem Pfingstsonntag in der Hitparade eine Zuschrift aus Moskau hatte und gleichzeitig Karten von zwei Studenten aus San Francisco. Damals konnte man in der Hitparade ja noch tippen, welche Platte wohl auf dem ersten, zweiten, dritten Platz usw. landen wird. Wer richtig getippt hatte, konnte den Superpreis von fünf Schallplatten gewinnen. Heute mag man darüber mitleidig lächeln - für damalige Verhältnisse war das wirklich enorm. Später gab's dann schon mal einen Plattenspieler oder einen Cassettenrekorder als Hauptpreis.
Was uns in der Pionierzeit Radio Luxemburgs von anderen Sendern unterschied, war schlicht die Tatsache, dass wir uns mit dem Programm, das wir machten, selbst identifizierten. Jeder einzelne von uns stellte seine Sendungen selbst zusammen und überlegte sich, mit welcher Musik er die Hörer in welche Stimmung versetzen wollte. Was die Moderation anbelangte, haben wir praktisch frei improvisiert: Wir spielten mit der Gegenwart, mit Ereignissen, die sich in dem betreffenden Augenblick zutrugen. Wenn es zum Beispiel heiß war im Studio, machte ich bei offenem Mikrofon ein Fenster auf. Prompt fuhr - für den Hörer zweifelsfrei vernehmbar - ein Feuerwehrwagen vorbei. Worauf ich sagte: 'Wenn Ihr in dem Feuerwehrauto gerade zuhört: Jetzt seid ihr weltweit bekannt. Wenn ich jetzt euer Autokennzeichen wüsste...". Zehn Minuten später riefen die Feuerwehrleute an, gaben ihre Autonummer durch, und ich griff das in der nächsten Moderation auf. Das war sozusagen die 'Moderation des Augenblicks'.
Mit all diesen und vielen anderen Ideen stießen wir in der damaligen Radiolandschaft in ein Niemandsland. Es gab sonst nichts in dieser Art. Niemand machte uns Konkurrenz. Es dauerte allerdings nicht lange, bis die anderen hellhörig wurden, denn schließlich holten wir denen die Hörer weg. Nach und nach reagierten die anderen Sender darauf und engagierten leider auch den einen oder anderen aus unserer Mannschaft weg.
Wenn ich die Situation heute vergleiche mit der von damals, dann muss ich sagen: Früher war es schöner, Radio zu machen. Man konnte mehr Initiativen ergreifen, herumprobieren, Neues entwickeln. Es war, wenn man so will, 'romantischer" in der Anfangszeit - und eben Pionierarbeit."
Fotos: © halloRTL
Aus halloRTL Heft Juli 1987