RTL
Radio Luxemburg
Fanpage
Das Magazin von Radio Luxemburg -
Hier ist RTL
Es ist
erstaunlich was alles an Büchern, Sonderheften und Schallplatten für
die Fans von Radio Luxemburg herausgegeben wurde. Dieses Magazin
erschien im November 1978, nachdem es „seit mehr als 20 Jahren ein
Programm in deutscher Sprache gibt“ und seit 15 Jahren „RTL - Radio
Tele Luxemburg“. Ein Radiosender auf der Höhe seines Erfolges, der
sich in einem 184 Seiten dicken Bilderbuch präsentiert: „Alles über
uns und unsere Stars“. Welche Köpfe stecken dahinter? Welche Ideen?
Wie ist der Erfolg zu erklären? Warum ändern wir so oft das
Programm? Warum kennen wir unsere Hörer? Warum läuft bei uns
Werbung? Fragen von Hörern, die sich für „das Radio“ interessieren,
und der Begriff Radio definierte sich damals bei 92 Prozent der
Bundesbürger hauptsächlich über die drei Buchstaben RTL.
„Hier ist RTL“ wurde im Auftrag der luxemburger Radiomacher erstellt, um damit Antwort auf viele Fragen der Millionen von Hörern zu geben, die man nicht alle ins Funkhaus einladen konnte. Der Blick hinter die Kulissen sollte Radio Luxemburg Farbe geben, damit „das Radio nicht nur gehört, sondern auch gesehen wird". „Wir können leider keine Führungen machen“, schreibt Frank Elstner im Editorial. „Das kann natürlich nur verstehen, wer weiß, dass an manchen Sonntagen einige Tausend RTL-Bummler unser Radio stürmen wollen. Darum besuchen wir viele unserer Hörer, wenn es heißt »RTL - der Radio-Circus kommt«. Deswegen ruft unser Radio-Circus-Direktor Jochen Ihnen auch gleich zu Anfang zu ‚Hereinspaziert’. Täglich soll er mit all seinen Radioartisten unsere Hörer für zwei Stunden verzaubern.“
Manege frei für den
RADIO-SALTO heißt es dann auch gleich auf den ersten Seiten des
Magazins. Der „Radio-Circus“ eine bis dato sicher einmalige Aktion
in der Geschichte des Rundfunks. Damit wollte RTL das Radio farbig
und für seine Hörer sichtbar machen. Muntermacher Jochen
Pützenbacher präsentierte sein Programm »Jochen, Spiele,
Sensationen« im Pailletten-besetzten Goldfrack auf den Spuren großer
Clowns, Akrobaten und Dompteure. Schlagerstars wie Howard Carpendale
schwangen in der Manege ihre Hüften. Der alte singende und klingende
»12 Uhr mittags«-Erfolg wurde zum neuen Abenteuer »Radio-Circus«.
Programmdirektor Frank Elstner und Unterhaltungschef Jochen
Pützenbacher avancierten zu Radio-Circus-Direktoren. RTL entdeckte
die Manege für sich und der Zirkus den fröhlichen Sender. So zogen
sie fortan gemeinsam durch deutsche Städte. Morgens trainierten die
Artisten in der Manege; mittags wurden neue RTL-Spiele und neue
Showtalente erprobt; der Nachmittag und der Abend gehörten wieder
dem internationalen Zirkusprogramm. Zur Premiere hangelte sich der
sportliche Frank Elstner an einer fünf Meter hohen Stange hoch, die
Perche-Artist Dobritsch auf der Stirn balancierte, und der damalige
Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz leitete die Namenstaufe für
die neue Sendung mit den Worten ein:
„Man kann auch Politik
gelegentlich als Zirkus bezeichnen“.
Täglich außer samstags ging die neue Sendung aus dem Zirkuszelt übers Radio, war aber zunächst für die Hörer etwas gewöhnungsbedürftig. Doch dann entwickelte sich das RTL-Experiment nach kurzer Anlaufzeit zum Dauerbrenner, gab mit seinem Nachwuchswettbewerb jungen Show-Talenten eine bundesweite Chance und reizte Kandidaten zu Quiz und Spiel. Der „Radio-Circus“ war vor allem auch ein Zirkus für Kinder, die auf Schleichwegen „ihren“ Star am Manegenrand erreichten und um ein Autogramm baten. Das von Jochen geführte RTL-Zirkusteam reiste im Wohnwagen mit den Zirkusleuten durchs Land und erfüllte sich, wie Radio-Circus-Redakteur Jens-Peter Schöne es ausdrückte, „auch ein Stück Jugendtraum“. Für Programmdirektor Frank Elstner war es der geglückte Versuch „eine gute Rundfunksendung aus einem attraktiven Umfeld zu machen“. Ein Versuch, von dem sich auch der Zirkusdirektor Aufwind versprach.
Am 5. Januar 1976
gab Jochen den Startschuss zur ersten Sendung »Zwölf Uhr mittags«.
Sie wurde aus Essen übertragen. Schon damals gab es den Musiktresor,
der Mittelpunkt von mehr als 700 Folgen wurde. Die letzte
Außenübertragung wurde am 21. Juli von der Insel Amrum gesendet,
bevor »Zwölf Uhr mittags« vom Radio-Circus abgelöst wurde, bei dem
der Musiktresor als Spielelement erhalten blieb. Nach dem Motto:
»Zwölf Uhr mittags geht in die Luft« moderierte Chefsprecher Jochen
Pützenbacher die beliebte Unterhaltungssendung zum zweijährigen
Bestehen am 23. Dezember 1977 sogar in einem Flugzeug. Die luftige
Mittagssendung war ein voller Erfolg. „Entweder wir sind aus der
Luft zu verstehen - oder nicht“, hatte RTL-Direktor Frank Elstner am
Abend vor der Premiere gelassen erklärt. Es störte keinen, wenn es
ab und zu knackte oder rauschte in der Leitung. Dafür war man ja
schließlich „live auf dem Sender“.
Die einmalige
Sonderausgabe lässt den Leser nicht nur hinter die Kulissen ihres
Radiosenders gucken, sondern gibt auch Einblick in das Land
Luxemburg, seine Politik und Sehenswürdigkeiten. Lesenswert ist der
Beitrag „Gaston Thorn: So wird das müde Europa munter“ (Gaston Thorn
war seinerzeit Luxemburgs Ministerpräsident und Präsident der 20.
Vollversammlung der Vereinten Nationen), in dem über die Arbeit im
Ministerium, die offene Atmosphäre und die Unbekümmertheit, mit der
der populäre Politiker seine Regierungsgeschäfte führte, berichtet
wird. Auf die Frage: Welche Note geben Sie Radio Luxemburg im
europäischen Konzert? antwortete Gaston Thorn: „Vielsprachige
Sendungen haben den Vorteil, Zuhörer aus verschiedenen Ländern
anzusprechen. Und RTL kann mithelfen, das müde Europa aufzumuntern
(...) Ich sehe RTL ausdrücklich als europäischen Sender, der zudem
gerade hier in Luxemburg die Basis einer guten internationalen
Atmosphäre hat“. Kleines Detail am Rande: RTL ist mit Erscheinen des
Magazins der größte Steuerzahler des Landes Luxemburg. Die
Hauptstadt Luxemburg hat 80.000 Einwohner, 93 Brücken, pflegt auf
dem Friedhof Notre Dame das Grab des „Hauptmanns von Köpenick“ und
brachte es in 20 Jahren von 13 auf 88 Banken. Die moderne
Großherzogin-Charlotte-Brücke symbolisiert den Übergang aus der
„familiären Atmosphäre“ in die europäische Zukunft: hier Altstadt,
dort Europazentrum.
„Was Technik
ermöglicht, kann Politik nicht aufhalten“ mit dieser Headline ist
der Beitrag „Das private Fernsehen kommt“ überschrieben, zu dem Dr.
Gust Graas, Generaldirektor von Radio-Tele-Luxemburg (Ein Mann, der
„alles hier im Rundfunk gemacht hat, was zu machen ist und das Haus
von vorn bis hinten kennt“) befragt wird. Das Fernsehprogramm
RTLplus war zunächst von Deutschland aus nur terrestrisch im
Grenzgebiet zu empfangen und erlebte dann mit der Abstrahlung über
den Astra-Satelliten den großen Durchbruch. Aber bleiben wir beim
Radio. Frage: Radio Luxemburg hat vor etwa zwei Jahren seinen Kurs
verändert. Das fällt mit dem Beginn Ihrer Tätigkeit als
Generaldirektor zusammen. Warum der neue Kurs? Dr. Gust Graas:
„Eigene Beobachtungen und die große Hörerbefragung von Infratest
haben uns dazu ermutigt unser deutsches Programm neu zu profilieren.
Wir haben der Information, der Nachricht, der Magazinsendung einen
höheren Stellenwert gegeben. Hinzu kamen neue erfolgreiche
Sendungen, zum Beispiel die »Blaue Stunde«. Auf die Schlussfrage
„Was ist für Sie Rundfunk?“ antwortet Dr. Graas: „Ich sage unseren
Leuten immer: Eine Rundfunkanstalt ist keine Konservenfabrik. Wir
machen Programme. Und Programm ist nicht für den Magen.
Es ist für
den Geist und für das Gemüt. Und: das ist, vor allem, Kontakt zu
Millionen von Menschen. Das erfordert, neben Können und Talent,
Respekt, ja Liebe zu dem Mensch und zu diesen Menschen. Ich glaube,
das ist der Grund, warum ich Rundfunkmann bin.“
RTL International
mit seiner mehrsprachigen Programmvielfalt findet ebenfalls
Berücksichtigung in „hier ist RTL“. Den Beginn macht London und
stellt den Star des englischen RTL-Programms vor: Tony Prince. Der
damals 34-jährige Brite begann als Disc-Jockey in Tanzlokalen und
heuerte beim Seesender Radio Caroline an.
Er war 1972 der erste
europäische DJ, der Elivs Presley interviewte, und dies als
Programm-Direktor von RTL London. Einmal pro Woche hatte er seine
eigene Show »Gold Mine«. RTL London sendete von 20.00 bis 3.45 Uhr.
Anne-Marie Peysson war der Star von RTL Paris, in den 70er Jahren
der meistgehörte Radiosender im Nachbarland Frankreich. 3,5
Millionen Franzosen schalteten sich durchschnittlich auf Langwelle
ein, wenn Anne-Marie jeden Morgen von 9.20 bis 11.30 Uhr am Mikro
saß.
Am 12. Januar 1976 bezog RTL-Korrespondent Geert Müller-Gerbes sein Bonner Büro. Er machte RTL auf dem Bonner Parkett gesellschaftsfähig und kam genau zu der Zeit als RTL einen neuen Kurs einschlug: Leicht - aber nicht seicht, seriöse Berichterstattung statt munterem Small-Talk. M-G war zuvor fünf Jahre lang Pressereferent des damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann - das kam seinem Job bei RTL zugute: „Wir mussten ja alle Reden Heinemanns verfassen, und diese Reden mussten so sein, dass jedermann auf der Straße sie verstehen konnte: Keine Fremdwörter, kurze Sätze. Klare, einleuchtende Gedankengänge. So etwas schult ungemein“. Denn wer für RTL aus Bonn berichtet, macht ja nicht Politik für Informierte, sondern eher für Interessierte. Die Berichterstattung musste deshalb genau auf den Hörerkreis abgestimmt sein. Selbst Politik sollte auf den Unterhaltungswert abgeklopft werden. Gert Müller-Gerbes: „Die Hörer von RTL schalten Radio Luxemburg ja nicht ein, weil die Nachrichten so heiß und informativ sind, sondern weil sie gute Kurzweil erwarten dürfen.“ Aus dem ungeheuren Informationsfluss in Stichworten das herauszufiltern, was für den Bürger wichtig und brauchbar ist, war der Job der RTL-Leute in Bonn. RTL sendete vieles „life“, so dass der Hörer den Eindruck hatte, selbst unmittelbar am Entstehen einer Geschichte beteiligt zu sein. Doch bei Direktschaltungen ging es nicht immer ganz ohne Pannen ab. Gert Müller-Gerbes erinnert sich: „Ich gehörte zu den Journalisten, die Bundespräsident Walter Scheel nach Japan und Persien begleiten durften, und hatte meinen Bericht im Kopf schon fertig. Nur ein Interview mit dem Bundespräsidenten fehlte noch. Also bat ich ihn auf dem Rückflug - wir waren etwa in 10.000 Meter Höhe über der Türkei - um ein Gespräch. Alles klappte hervorragend - bis ich kurz vor Ende des Interviews feststellte, dass ich vergessen hatte, mein Tonband einzuschalten...“.
„Trier liegt hinter mir, dann die Grenze. Ich hole mir RTL auf Kanal 6. Johanna von Koczian singt: „Aufsteh’n ist schön...“, beginnt die Geschichte von Nick Costar - einem, der auszog, Radio Luxemburg zu entdecken. „Es nieselt immer noch. Ich gähne. Eine frisch-fröhliche Stimme schreckt mich auf: ‚Avanti, galoppi! Ihr da draußen im Radioland, hier ist Euer Axel!“ Bin ich Radioland? Na, auf alle Fälle ‚avanti’. Ich gebe Gas. Und wieder Axel, der Spaßmacher vom Morgendienst: ‚Nichtstun ist besser, als mit viel Mühe nichts schaffen.’ Aber er hat es geschafft - mein erstes Frühauflächeln. Ich gönne mir einen Rastplatz. Nick Costars Begegnung mit dem Blabla-Sender liest sich herzerfrischend natürlich. Er hat sich ins Auto gesetzt, ist einfach hingefahren und als er ankam, wusste er schon: Das ist wie Familie. Jeder redet mit, lacht mit, spielt mit. Im Funkhaus erklärt Jochen dem Besucher in fünf Minuten Frank Elstners Radiophilosophie: Den Hörer mal entspannen, mal anspannen. Das ist Radio-Joga. Oder in einem Satz zusammengefasst: „Wir von Radio Luxemburg sind modernes, aktuelles Radio.“ Vielleicht ist der Erfolg nicht nur Talent-, sondern auch Stimmungssache, fragt sich Nick Costar und gleitet mühelos hinein in den leicht-lockeren Umgangston: „Frank Elstner ist ‚Frank’, und Helga Guitton ist ‚Helga’, und der Generaldirektor ist der ‚Vorarbeiter’. Im Studio ist es nicht anders. Wenn sie mal husten müssen, dann husten sie. Wenn es eine Panne gibt, dann sagen sie es den Hörern. Köpkes Papierrascheln bei einer Nachrichtensendung machte Schlagzeilen, in Luxemburg müsste schon das Turmhaus umfallen (...) Art des Hauses ist auch der Mut zum Risiko. Nebenan sitzt ein neuer Nachrichtenmann am Mikrofon. Sein erster Tag. Bis gestern kannte er Rundfunk nicht, aber jetzt geht seine Stimme gleich über den Sender. Wer nach Luxemburg kommt, wird ins Wasser geworfen. Niemand fragt, ob er schwimmen kann. Vielleicht schwimmen sie deshalb oben.“
„Der Gutschein für eine ‚Abba-LP’ steht aufrecht im Regal. Er stammt noch von der Konfirmation am 22. April. Anke kann ihn nicht einlösen, weil sie schon alles von der Gruppe hat. Nicht nur 90 Poster, sondern vor allem alle Platten. Mit Abba fing es an. Eigentlich wurde ihretwegen Anke zum jüngsten Disc-Jockey so weit das Ohr hört.“ Die Rede ist von Anke Engelke, viel später dem Fernsehpublikum bekannt als „Ladykracher“. Damals war sie ein kleines Mädchen, aber dafür verblüffend forsch und so natürlich, wie Georg Bossert es sich schon lange für die Kindersendung »Moment mal« gewünscht hatte. Anke hatte bereits einen kurzen Auftritt auf dem Bildschirm mit Curd Jürgens hinter sich, den sie erstaunlich gut meisterte. Es trug dazu bei, dass sie am 2. Juni zum jüngsten DJ von RTL aufstieg: „Im Studio Düsseldorf unterhielt sie sich ein bisschen mit Georg und Petra, suchte Platten aus, die ihr gefielen - dann legte sie los. Frisch von der Leber weg plauderte sie ins Mikrofon, sagte die Titel an wie ein Profi, und im Nu war die Stunde herum...“ Georg Bossert machte zwölf Jahre Kinderfunk beim WDR, dann ging er zu Radio Luxemburg. Mit seiner Jugendsendung »Moment mal« wollte er weg vom starren Programm. „Bossert lebt gern aus dem Augenblick, ist gern vor Ort, setzt Kinder als Reporter ein, lässt sie schreiben, malen, mitspielen. (...) Er spricht mit Kindern über Familienprobleme, Schulsorgen, Drogenängste. Und was Bossert besonders freut: Die Eltern hören mit“.
Das sind nur kurze
Auszüge aus dem Inhalt der dicken Radio-Illustrierten „hier ist
RTL“. Für die Luxi-Fans gibt es in der Mitte über zwei Seiten ein
großes Farbposter mit Gruppenbild des RTL-Teams unter den
Sendetürmen. Alle Sprecher werden auf den folgenden Seiten als
Solisten mit Großfoto und ausführlicher Biografie präsentiert.
Darunter auch Elisabeth, die erste deutsche Sprecherin von RTL.
"Bestückt mit drei Schallplatten aus dem privaten Plattenschrank
setzte sie sich am 28. Juli 1957 vors Mikrofon und erzählte den
Hörern einfach, sie solle nun eine deutsche Sendung machen, aber
Platten habe sie leider nicht... Das hörte zufällig der
Schallplatten-Produzent Fred Weyrich, der gerade mit einem Schwung
neuer Hits von der Teldec in Hamburg auf dem Weg ins heimatliche
Saarbrücken war. Er fuhr schnurstracks nach Luxemburg und versorgte
Elisabeth erst mal mit passender Musik". Eine unglaubliche, aber
wahre Geschichte.
Martin kam am 1. Januar 1969 als Sprecher nach Luxemburg. Als Chef vom Dienst betätigte er sich später als Chronist und führte bei den Löwenverleihungen mit Begeisterung die Video-Kamera. Für „hier ist RTL“ stellte er eine Chronik der Ereignisse von 1957 bis 1978 zusammen mit Auflistung der Löwen-Gewinner.
Anita Pospieschil