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Das Hausfrauen Rezeptbuch
Aus der Radio Luxemburg Sendung
»Mister Morning«
Rainer Holbe moderierte in den 70er Jahren als "Mr. Morning" täglich das aktuelle Frühmagazin im Deutschen Programm von Radio Luxemburg. Der gelernte Journalist spürte in unterhaltsamer Form den "Schlagzeilen des Tages" nach, telefonierte mit prominenten Geburtstagskindern und hatte im berühmten Studio IV der Villa Louvigny neben den Größen des Showgeschäftes auch hin und wieder Schriftsteller und Politiker vor dem Mikrofon. Seine Telefongespräche mit der jeweiligen "Hausfrau des Tages" gehörten zu den Höhepunkten des Programms. Rainer Holbe präsentierte seit 1968 für das ZDF die "Starparade" und hat mehrere Jugendbücher geschrieben. Mit Ehefrau Rose-Marie - Besitzerin der Boutique "Klimbim" - lebte er seinerzeit im Großherzogtum Luxemburg.
Es passierte schon, dass ein großer Karton ausgewachsener Osterlämmer nach Luxemburg reiste. Schön aus Mürbeteig gebacken, wurden sie dann in den Büros des Deutschen Programms unter den Kollegen verteilt. Von eifrigen Hörerinnen kunstvoll gestaltet, waren es nicht nur Lämmer, die da kamen, sondern auch ganze Erdbeerkuchen, gespickte Rehrücken und eingepökelter Schweinebraten, der erst die Zollbehörden des kleinen Großherzogtums passieren musste, ehe er auf den Schreibtischen von RTL landete. Denn die "Hausfrauen des Tages" begnügten sich oft nicht mit der theoretischen Darstellung ihrer Kochkünste, sie ließen die Praxis via Bundespost gleich folgen. Besonders an Weihnachten freute sich das RTL-Team auf die vielen Stollen, Printen und Lebkuchenmänner aus Hunderten von deutschen Küchen.
Als Rainer Holbe ganz beiläufig am Mikrofon erzählte, dass er gerne Heidelbeerkuchen isst, hätte er am darauffolgenden Sonntag eine ganze Hochzeitsgesellschaft mit diesem Gebäck ausstatten können. Sein Vorratskeller war nach der Einmachzeit voller Stachelbeer-, Himbeer- und Sauerkischmarmelade. Von deutschen Hausfrauen frisch auf den Studiotisch. Irgendwann kam dann die Idee die Lieblingsrezepte der "Hausfrauen des Tages" in einem besonders originellen Kochbuch zusammenzufassen. Alle abgedruckten Rezepte stammen aus den Erfahrungen bei der täglichen Arbeit in der Küche und sind nicht von irgendwelchen Meisterköchen zusammengestellt worden, die weder Geld noch Aufwand scheuen müssen. Es sind Original-Rezepte von Hausfrauen, von der Großmutter überliefert, mitgebracht aus der alten Heimat, kulinarische Souvenirs eines schönen Urlaubs oder ganz einfach selbst erfunden und erprobt.
Jede Hausfrau bürgt in dem Buch mit ihrer Schrift und ihrem Namen für die Qualität ihres Rezeptes. Zum Beispiel Brigitte aus Koblenz mit einer Möhren-Torte, Marianne aus Witten mit der Apfel-Überraschung oder Dora aus Wuppertal mit den Schmantkartoffeln. Das Besondere an diesem Kochbuch: alle Rezepte sind in der Original-Handschrift - wie sie an Radio Luxemburg eingeschickt wurden - abgedruckt. Rainer Holbe hatte im Funkhaus oft Prominente aus dem Showbusiness zu Besuch, die er dann ins Restaurant oder die besonders netten zu sich nach Hause einlud. Sogar Fernsehkoch Max Inzinger schlug die Aufforderung zum Abendessen nicht aus, und der Verfasser mehrerer Kochbücher hat keineswegs über die Kochkünste von Frau Holbe gelacht, die ganz schön kribbelig wurde angesichts der berühmten Gäste, zum Beispiel als sie für Weltstar Curd Jürgens "zwischen zwei Flügen" einen Imbiss zaubern sollte. Mit welchen Leckereien die Stars bei ihrem Besuch verwöhnt wurden, ist ebenfalls in dem Buch abgebildet mit einer kurzen Schilderung des Anlasses.
Für Alice Schwarzer galt das Vorurteil, unerbittlich, kämpferisch und humorlos zu sein. Entsprechend sorgte sie schon Tage vor ihrem Besuch im Hause RTL für Aufregung. Zum gemütlichen Abendessen kam dann ein Engel ohne Flammenschwert, mit gesundem Appetit und Selbstbewusstsein. Es wurden heitere Stunden, und Kollegin Helga, die sich vor dem Bierernst einer Emanzipationsdiskussion gefürchtet hatte, vergaß ihre Diätvorschriften und widmete sich ganz dem "Coq au Vin" und der Feministin, die sich nicht dem Kampf gegen die Männer, sondern dem Kampf für die Frau verschrieben hat. Die Schwarzer erzählte zwischen Schokoladeneis mit Himbeeren und Luxemburger "Quetsch" auch von einem Einkaufsbummel mit Freundin Angelika. Wer den "Coq au Vin" nachkochen möchte, findet das Rezept in diesem einzigartigen Buch.
Am meisten betroffen von den kulinarischen Strapazen - wenn Gäste zum Essen in eines der Luxemburger Lokale eingeladen wurden - war Programmdirektor Frank Elstner - Mitglied in der Gilde kochender Männer. Eine besondere Spezialität war das "Porcelet à la Frank", das auf der umfangreichen Speisekarte eines Restaurants vom Ruhm des obersten "Montagsmalers" kündete: Spanferkel mit kandierten, gepfefferten Früchten. Manche "Hausfrau des Tages" erreichte Rainer Holbe im fernen Ausland, deren Männer ausgewandert oder dort auf Montage arbeiteten. Denn über die Kurzwelle konnten die "Fröhlichen Wellen" von Radio Luxemburg auch in weiter Ferne empfangen werden. Die Resonanz war groß, was deutsche Urlauber immer wieder bestätigten.
Anita Pospieschil