RTL Radio Luxemburg
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Das RTL-Buch zum Jubiläumsjahr:
EIN IRRENHAUS FÄHRT ACHTERBAHN
30 Jahre Radio Luxemburg

1987 feierte das deutsche Programm des RTL-Hörfunks sein 30-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass ist in der Reihe RTL EDITION ein spannendes Buch erschienen, dass im halloRTL Clubheft 10-1987 wie folgt den Mitgliedern vorgestellt wurde:

"Der Buchtitel klingt wie eine kritische Liebeshymne mit einem Schuss Selbstironie: »Ein Irrenhaus fährt Achterbahn«. 30 Jahre Radio Luxemburg oder mehr als 10.000 Sendetage. Kürzlich ist die 280 Seiten dicke, reichhaltig bebilderte Reportage erschienen - jetzt ist detailliert nachzulesen, was hinter den Kulissen von RTL passiert. Moderatorenporträts und Nachrichtenkonzept, Sendeabläufe und die Hobbies von Sekretärinnen und ihren Chefs, die Gerüchteküche und die Angst des Redakteurs vor dem Fahrstuhl bei Eilmeldungen - Bausteine eines bunten Mosaiks, das sich Seite für Seite in schillerndsten Farben zusammensetzt: Ein Radio wird entblättert, bis auf den Kern durchleuchtet. Bislang einmalig, dass ein Insider seine Beobachtungen so offen beschreibt.

Dieses Buch aus der Glanzzeit des RTL-Hörfunks ist vom Schreibstil her sicher das aufregendste. Schon auf der Rückseite vom Cover beschreibt Rainer H. Popp in seiner ureigenen Art die Beweggründe seiner schriftstellerischen Tätigkeit in Sachen RTL: "Das heißeste Buch, seit es Radio gibt. Plötzlich war es da, das Gefühl. Wo auch immer ich bin, mit wem ich auch spreche und wie zurückhaltend ich mich auch gebe, sobald RTL ins Gespräch kommt, bricht's wie ein Trommelfeuer los. Was? Radio Luxemburg? Sie arbeiten dort? Als was? Ist ja interessant. Erzählen Sie doch weiter. Fragen, die im Bauch schon Löcher hinterlassen haben. Fragen ... und ich höre mich reden wie eine Gebetsmühle. Ich kann's nicht mehr hören, hab's satt. Der einzige Ausweg, mir nicht mehr den Mund wund zu reden: Ich schreib' auf, was ich weiß."

Und so geht es dann auf Seite 5 im Vorwort von Rainer H. Popp weiter: "...Doch die Lust, ein Buch zu schreiben und es dann doch tatsächlich zu tun - zwei völlig verschiedene Dinge. Auf der einen Seite die Angst des Autors vor dreihundert leeren Seiten Papier, andererseits das Hochgefühl, das einen befällt, wenn man daran denkt, Kollegen in der Luft zu zerfetzen. Rache nehmen für böse Blicke, für einen Tritt vors Schienbein, für Sticheleien hinter dem Rücken - herrlich. Über die Maschine gebeugt, wie zu alten Reportertagen, drei Zigaretten glimmen im Aschenbecher, der überquillt, und jede Menge Kaffee, den man nach Mitternacht schon mit dem Zeigefinger am Gaumen fühlen kann - wunderbar.

Ich erinnere mich noch genau. Als ich gerade vier Wochen bei RTL war, fragte mich ein Bonner Journalistenkollege, wie dieser Sender denn sei. Meine Antwort, damals im Juni 1983: »Wie ein Irrenhaus im Dschungel«. Bis heute hat sich an meiner Einstellung nichts geändert. Noch immer fliegen die Fetzen, mal hintenrum, mal im offenen Schlagabtausch geht's hoch und runter wie in einer Achterbahn; noch immer herrscht Hochdruck, wird gefightet, wird um Themen und Inhalte gerungen, am frühen Morgen ebenso wie nachts in der Kneipe. Wann und wo auch immer RTL-Leute zusammensitzen, das Radiomachen ist Mittelpunkt. Und ebenso wie in anderen Redaktionen von Radios, Fernsehanstalten oder Zeitungen, die Hechelei über Kollegen, das Aufkochen von Gerüchten gehört bei Radio Luxemburg auch zu einer Art Gesellschaftsspiel, das Spaß macht und obendrein wie ein Schutzschild wirkt, damit die eigene Seele nicht Schaden nimmt.

Dennoch ist RTL anders als andere Sender. Hier ist kein Journalist frustriert, weil er in seiner Kreativität gebremst wird, weil ihn Vorgesetzte nicht machen lassen, weil er seine Ideen nicht verwirklichen kann, hier ist es genau umgekehrt: Frust kommt hoch, weil die Möglichkeiten, die das Haus bietet, von uns allen nicht erreicht werden. Wenn wir die Fähigkeiten hätten, könnten wir die Welt aus den Angeln heben, Europa Kopf stehen lassen, Millionen in Erstaunen versetzen. RTL würde dies nicht nur zulassen, der Sender fordert es sogar. Aber woher jeden Tag eine Superidee nehmen, jeden Tag das Radio neu erfinden wollen, jeden Tag ein Interview machen, das Aufsehen erregt, jeden Tag einen Exklusivbericht senden, der die Hörer zu Hause verstummen lässt, jeden Tag eine Aktion entwickeln, die Schlagzeilen macht. Der Ansporn zu Höchstleistungen kann auch auf die Nerven gehen, zumal die Forderung nach umfassendster Kreativität im Gegensatz zur täglichen Schinderei um den Kleinkram steht. Häufig ist es leichter, eine Sendung aus den Hauptstädten der Europäischen Gemeinschaft zu verwirklichen, als neue Farbbänder, Bleistift oder Agenturrollen zu bekommen.

RTL - das sind zwei Geschichten: eine zauberhafte, die den Blick verklärt und wie eine Droge den Horizont zum Fliegen öffnet; und eine beschwerliche, mühsame, die viel Kraft kostet, die aufzehrt. Oftmals kann man es nicht begreifen, wie es möglich ist, dass wichtigste Entscheidungen in wenigen Sekunden getroffen werden, eine defekte Kaffeemaschine aber erst nach sieben Wochen repariert wird, nachdem sich der Programmdirektor damit befasst hat. Und noch etwas ist kennzeichnend für dieses Haus: Wer hier arbeitet, passt in keine Schablone, hat nichts mit Durchschnitt zu tun."

Auf Seite 9 geht es dann "erfrischend anders" mit einem Statement zur Geschichte des Senders weiter, die inzwischen längst bekannt ist, aber noch nicht so erzählt wurde: "Das Lob geht runter wie Öl, aber es stimmt nicht: RTL hat das Radio nicht erfunden, wie immer wieder behauptet wird. Das war der italienische Physiker Guglielmo Marconi, der am 14. Mai 1897 zum ersten Mal die drahtlose Telegrafie demonstrierte.

RTL, das ist für unserer Stammhörer ein Synonym der Superlative, der schöpferischen Experimente, der Wagnisse, der ständigen Suche nach neuen Sendeformen, des ungewöhnlichen Denkens, das wie ein Aufputschmittel wirkt. RTL, das heißt nach unserer Definitation Kommunikation zwischen den Menschen, heißt informieren und unterhalten, heißt nachdenken und Fröhlichkeit, heißt ergriffen machen, entspannen, aufklären, heißt miterleben und amüsieren, heißt direkter, hautnaher, spürbarer, verbindlicher, heißt erfrischend anders.

RTL, das ist ein Programm für Millionen, maßgeschneidert, an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, kritisch, unabhängig, frei von Einmischungen. RTL, das ist ein Team von Individualisten, die vor allem zwei Dinge schätzen: Vorgesetzte, die auch behüten, und: schnelle Entscheidungen auf jeder Führungsebene. Nur dadurch entsteht ein Nährboden, der einen Einsatz rund um die Uhr erst möglich macht.

RTL, das ist trotz Finanzkraft und motivierter Mitarbeiter aber auch Sorge und Zukunftsangst. Wenn es nicht gelingt, UKW-Frequenzen in der Bundesrepublik zu bekommen, dann ist das Jubiläumsjahr kein Jubeljahr. Die Existenz des deutschen Programms von Radio Luxemburg steht oder fällt mit der schnellen Lösung dieser dringenden Forderung. Die UKW-Frage ist für RTL die Schicksalsfrage. Gelingt es nicht, die Sende- und damit die Empfangsqualität zu verbessern, kommt auch das beste Programm nicht an.

Typisch RTL: Das ist ein Disput zwischen Generaldirektor Gustave Graas und einer Volontärin über die Botschaft von Beuys zur sozialen Kunst, das ist ein »Wunschkonzert für Tiere«, ein »Diktat für den Frieden«, das Heinrich Böll für RTL schrieb, das ist eine Spendenaktion für deutsche Ordensschwestern in Bogotá, das ist »Aids-Aid für Kinder«, das ist ein Wettsingen von Politikern für das Morgen-Magazin« ...

Zum Schluss gibt es noch kurze Abhandlungen über die Redaktionskonferenzen, Aktionen und das Frühstücksfernsehen. 1987 hatte sich die deutsche Radiolandschaft längst bewegt, flottes Programm kam nicht mehr nur aus Luxemburg. Deshalb endet das letzte Kapitel des Buches mit einem sorgenvollen Absatz: "So erfolgreich die Vergangenheit war und die Gegenwart noch ist, so schwierig wird die Zukunft für das deutsche RTL-Hörfunkprogramm. Vor allem zwei Faktoren machen uns das Radiomachen schwer: Überall in der Bundesrepublik wächst die Konkurrenz zu Dutzenden heran und versucht, uns Hörer abzujagen; auf der anderen Seite haben die Privatradios zwischen dem Norden Schleswig-Holsteins und der Grenze zu Österreich längst erkannt, wo die Leute sitzen, die sie für ihre Sender brauchen: Im Großherzogtum. Das bedeutet ein zunehmendes Abwerben von RTL-Mitarbeitern, die ihr Handwerk gelernt haben und genau das können, was die neuen Anbieter suchen: Radio so zu machen, dass die Menschen zuhören. (...) Gegen die Abwerbungsoffensive der Konkurrenten setzt RTL etwas entgegen, das nicht mit Geld bezahlt werden kann: Selbständiges Arbeiten an einer ganz langen Leine, Freiraum zur Verwirklichung von Ideen und einen Journalismus ohne Schere im Kopf, ohne das Gängelband der Parteien. (...) Wer bei RTL arbeitet, muss bereit sein, es nicht nur für Geld zu tun; zumindest für die Programmgestalter und für die Chefs, die Verantwortung tragen, bedeutet ein RTL-Vertrag zugleich ein Engagement rund um die Uhr, der Kampf um Ideen und Telefonleitungen, um Millionenbudgets und Klebstoff, um Sendefrequenzen und Büroklammern..."

Anita Pospieschil

Rainer H. Popp, 1946 in Stassfurt geboren, war Chefredakteur des RTL-Hörfunks seit 15. Mai 1983 und Leiter des RTLplus-Frühstücksfernsehens »Guten Morgen, Deutschland« für die Mattscheibe, Start am 5. Oktober 1987. Am 1. Januar 1988 wurde er Programmdirektor des RTL-Hörfunks. Bevor er zu RTL kam, arbeitete Rainer H. Popp als politischer Korrespondent in Bonn. Schon nach sechs Monaten bei RTL baute er in wenigen Wochen neben seiner Hörfunkarbeit die RTLplus-Nachrichtensendung »7 vor 7« auf. Sie ist sein Kind. Popp formulierte  RTL-Anzeigen, von denen die Branche sprach. "Den Kopf aufreißen", das forderte er von der Redaktion. Wer seine Durchwahl in Luxemburg anrief, hörte blitzartig das Kürzel für einen kritisch-vernarrten RTL-Beschreiber: "Popp!".  




Die Absicht, die Autor Rainer H. Popp mit seinem Buch verfolgt: den liberalsten, ältesten und größten Privatsender Europas durchschaubar machen und sagen, welche Menschen unter welchen Bedingungen dort für ihre Hörer arbeiten. Rainer H. Popp kennt den Sender. Mehr als vier Jahre wirkt er in ihm und lässt ihn auf sich wirken. Popp ist Journalist, Schriftsteller, Maler. Und mit den weit offenen Augen des Malers beschreibt er in seinem Buch die RTL-Welt. »Wer es liest, wird wissen, was RTL heute ist, heute sein könnte, heute sein sollte.«



Im Buch werden vom Programmdirektor (zur Zeit der Veröffentlichung war es Helmut Thoma) bis zu den Moderatoren deren Biografien vorgestellt, und anschließend die Sendungen, die damals auf Radio Luxemburg gelaufen sind - mit den Geschichten drum herum.



Plakat zur Sendung »Mahlzeit«



»... Das Radio-Machen, das kommt von RTL, damit ist der Sender seit 30 Jahren groß geworden, dafür steht das deutsche Programm von Radio Luxemburg und die berühmte Villa Louvigny - eine architektonische Mischung aus Spielbank, Mini-Trutzburg und Herrensitz...«



Die drei Buchstaben, die
als Kürzel für Radio-Télé-Luxembourg ein Programm und einen Sender besonderer Machart umschreiben, haben in der Vergangenheit Rundfunkgeschichte und den Namen RTL über die Grenzen Europas bekannt gemacht. Ein Taxifahrer in Teheran, der RTL-Redakteure zu einem Interview mit Khomeini-Berater Tabatabai fuhr, summte ein paar Takte von »Happy Luxemburg« ebenso wie Ruth Westheimer, die amerikanische Sex-Therapeuthin, die in den
USA fast so bekannt ist
wie Ronald Reagan und
die Freiheitsstatue. Ihr Glaubensbekenntnis:
»Für RTL tue ich alles«.



Typisch RTL: das sind Nach-richten, auf die ARD-Sender neidisch sind, das ist Radio zum Mitmachen, das ist »RTL on tour«, das ist »Ein Tag wie kein anderer, das sind »Prominente auf der Psychoschaukel«, das sind »Unglaubliche Geschichten« mit Rainer Holbe ...