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»Die fröhlichen Wellen«
Das Buch von Radio Luxemburg
Eines der interessantesten Bücher über Radio Luxemburg ist sicher
»Die fröhlichen Wellen« von Tony Schwaegerl. Es erschien 1963 im
Copress-Verlag München. Nicht das übliche Public Relations
Bilderbuch, sondern mehr ein Radio-Roman. Spannend erzählte wahre
Funk-Geschichten aus dem alltäglichen Luxemburger Radio-Leben. Im
Exposé wird der Inhalt des Buches als eine amüsante Chronik
beschrieben, ein Mosaik aus Studioarbeit, Hitparade, Hörerpost und
Luxemburg-Sympathie. Zitat: "Der Autor konnte das aus eigenem
Erleben tun. Als Publizist und Rundfunkmann hat er 'in Sachen
Unterhaltung' in Deutschland einen guten Namen."
Tony Schaegerl war als Filmjournalist in Geiselgasteig tätig,
studierte bei Professor Kutscher in München Literatur und
Theaterwissenschaften und schloss dieses Studium an der Universität
Erlangen mit einer Arbeit über die literarische Entwicklung des
Fernsehspiels ab. Bisher hat er fünfhundert Rundfunksendungen
gesprochen, geschrieben oder als Regisseur geleitet und rund 250
großen Bühnenprogramme conferiert. Die Millionen Hörer von Radio
Luxemburg kennen ihn als 'ihren Tony'.
"Tony Schwaegerl schreibt den Stil, den die Luxemburger mögen: die
Worte lesen sich, als wären sie ins Mikrofon gesprochen. Der Leser
ist dabei, wenn es gilt, die Hitparade vorzubereiten, eine Sendung
zu 'fahren', die Postberge zu sortieren, Besucher aus dem Publikum
durch das Luxemburger Funkhaus zu führen, ungewöhnliche Bitten zu
erfüllen oder aus dem Schallplattenmeer die besten Fische an Land zu
ziehen.
Die »Fröhlichen Wellen« bringen uns vor allem aber auch jene näher,
die seit Jahren durch ihre persönliche Ansprache von Herz zu Herz,
von Hörer zu Sprecher eine Brücke schufen. Wieder lässt der Autor
sachliche 'Sprecher-Biografien' beiseite und schildert statt dessen
seine Kollegen so, wie er sie erlebte: persönlich, ganz einfach
menschlich.
Der Blick hinter die Kulissen von Radio Luxemburg, dieser beliebten
europäischen 'Schlagerstation', wäre nicht vollkommen, fehlte ein
Blick auf Land und Leute des kleinen Reiches an Deutschlands
westlicher Grenze. Des Autors Erlebnisse im kleinen, aber schönen
Luxemburg runden das Bild und ergeben ein sympathisches Mosaik..."
Das Buch enthält neben den Geschichten auch einige bemerkenswerte
schwarz-weiß Bilder aus der damaligen Zeit. Zum Beispiel der
sehbehinderte Sprecher Wolfgang Sauer mit der warmen,
einschmeichelnden Stimme. Seine Hände mussten die verlorene Sehkraft
der Augen ersetzen. Der Text lag in Blindenschrift vor ihm. Die
Knöpfe unter dem Mikrofon ertastete er mit den Fingerspitzen ("Die
vielen Briefe, die er bekommt, kann er nicht lesen. Aber nach der
Sendung sitzt er im Büro und lässt sie sich von seiner Begleiterin -
meist fährt ihn seine Frau - vorlesen"). Oder ein Foto von "Monsieur
Fritz", Radio Luxemburgs "Star-Koch" und viele alte Aufnahmen aus
dem Luxemburg der 60er Jahre. Camillo hatte sein früheres Büro mit
Star-Porträts tapeziert, eine Aufnahme zeigt ihn davor mit Bill
Ramsey, der auf Radio Luxemburg die Sendung »Bill spielt mit
Platten« moderierte ("Die Musik muss gut sein, so dass keiner auch
nur auf die Idee kommt, abzuschalten. Dann hört man auch gerne beim
Plaudern zu"). Tony Schwaegerl selbst ist auf einigen Bildern zu
sehen, zum Beispiel mit der bekannten Fernsehansagerin Ursula von
Manescul oder mit dem Schlagersänger Gus Backus.
"Radio Luxemburg ist ein Sender der leichten Muse. Hier kommt erst
die Musik, dann nochmals Musik und dann das Wort. Doch das 'Wie' der
Mischung entscheidet, denn es kommt nicht von ungefähr, dass man vom
'Luxemburg-Sound' spricht. Gemeint ist jene Art der musikalischen
Unterhaltung, die eine Brücke schlägt - von Ohr zu Ohr, von Herz zu
Herz", schreibt Tony Schwaegerl in seinem Vorwort zum Buch. "Die
Familie der Luxemburg-Hörer ist groß und treu. Sie hat alles ins
Herz geschlossen, was da beim Sender kreucht und fleucht,
einschließlich der Raumpflegerinnen. Die Hörer machen Reisen - in
ungezählten Omnibussen, scharenweise, ... man will 'seinen' Sender
sehen."
Ein kleiner Ausschnitt aus dem Buch, das ein bisschen von der
Rundfunkatmosphäre aus der Anfangszeit im Turm des Sendegebäudes in
der Villa Louvigny wiedergibt: "... Sendung bei Radio Luxemburg -
das bedeutet (von der Programmausstrahlung her) Dreimannbetrieb: am
Mikrofon der Sprecher, hinter der Scheibe der Techniker, der die
Platten auflegt und die Werbebänder zuspielt, im Raum daneben der
Sekretär, der auf seinem kleinen Tischpult die Programmabläufe
liegen hat und die Sendungen aufmerksam abhört. Er muss darüber
wachen, dass die Musikreihenfolge beachtet wird, dass eventuelle
Änderungen eingetragen und Werbungen pünktlich ausgestrahlt werden
[...] "Endlich war es soweit, meine erste Sendung konnte beginnen.
Ich erzählte ein bisschen dies und jenes, spielte ein paar Platten
und war nach einer halben Stunde fertig. Schon zwei Minuten später
kam der erste Anruf. Eine Dame aus Wuppertal begrüßte mich als
Neuling im Sprecherteam. 'Das Telefonat kostet doch viel Geld',
sagte ich. 'Lohnt sich denn das?' Da kam heiter die Antwort: 'Für
Radio Luxemburg ist mir kein Opfer zuviel!'".
Das Buch gibt auch Einblicke in den Arbeitsalltag mit seinen kleinen
Überraschungen, wo Improvisationstalent gefragt war: "...Es macht
viel Vergnügen, eine Sendung zu gestalten, von der man Resonanz
spüren darf. Ab und zu freilich entdeckt man auch die Kehrseite
solcher auf Posteingang fußenden Sendungen. Ich denke da an einen
Luxemburger Feiertag, gerade an einem Tag, da Franz die Auflösungen
seiner letzten Sendung und die Gewinner bekannt geben wollte. An an
einem solchen Sendetag trudelten normalerweise die meisten Briefe
ein, denn zwischen Frage- und Antwortsendung lagen durchwegs nur
drei Tage Abstand. Als er an diesem Mittag in sein Postfach blickte,
wurde Franz blass. Es war leer [...] endlich fand sich die Lösung:
Luxemburger Feiertag, die Post war nicht geöffnet, der Hausbote
hatte frei. Es gab keine Möglichkeit, an die Briefe und Karten zu
kommen. In vierzig Minuten aber begann die Sendung. Franz musste die
Hörer auf seine nächste Sendung vertrösten und irgendwie eine
Notlösung finden. Improvisation ist eben alles - und das ist gut so,
denn erst in der Improvisation zeigt sich der Meister. Ein alter
Funkhase sagte mir einmal: Manuskripte schreiben und nachher vor dem
Mikrofon ablesen, das können viele. Aber aus dem Stegreif reden, so,
wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, gleichzeitig aber auch so,
dass jedes Wort sitzt, ist eine Kunst."
Auch über die Sprecher der damaligen Zeit erfährt man ein paar
interessante Einzelheiten: "Ferdy verdankte seinen Namen einem recht
ungewöhnlichen Umstand. Er kam ins Funkhaus, als Franz gerade wieder
für einige Zeit in Deutschland war. Inzwischen hatte sich aber ein
gängiger Luxemburg-Slogan entwickelt: "Wir machen Cafémusik, wir vom
Caféquartett", sagte man und meinte C wie Camillo, A wie Annelie, F
wie Franz und E wie Elisabeth. Jetzt war also ein neuer Sprecher
namens Waldemar Müller dabei. Bei Café und diesem Wortspiel wollte
man aber bleiben. Was tun? Man suchte nach einem neuen Namen mit F
und fand Ferdy. [...] Anno 1963 unterhielten den Luxemburghörer
Marie-Ann, Monika, Renate, Jörg, Charly, Henry und Edy aus Konz an
der Mosel. Henry führte zwei Programm-Neuheiten ein. Einmal spricht
er eine echte Berliner Type, dann macht er kleine Reime in »Henrys
Versfabrik«...".
Ein mitreißendes, mitunter herzergreifendes Buch über das gute alte
Radio, was mit seinen sentimentalen Schwingungen heute wie ein
Produkt aus der Steinzeit anmutet. Und trotzdem enthält es viele
kleine Impulse, die Radio liebenswert machen und auf die moderne
Rundfunkära des 20. Jahrhunderts bezogen, wird deutlich, dass
digitale Technik zwar fast von allein funktioniert, die "Seele des
Funkcomputers" aber der Mensch hinterm Mikrofon bleibt. "Von der
Arbeit am Sender, von dem Vielfältigen, was dieser tut, wollte ich
berichten. Manches gäbe es noch hinzuzufügen, aber bei einem Sender
ist alles im Fluss, nichts in starre Formen zu pressen - Bei Radio
Luxemburg ganz besonders."
Anita Pospieschil