Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern
Foto: © Frank Laufenberg
„Wie Sie ja selbst schreiben, haben Sie bei meiner Sendung wieder »hinhören« gelernt“ - Gespräch mit Frank Laufenberg - Autor, Musik-Journalist und Moderator
Sonnabend, 22.10 Uhr, SWR1: »Frank Laufenberg - Die größten Hits aller Zeiten«. Der Name ist Programm. Die Sendung etwas gewöhnungsbedürftig, denn es geht nicht um Hits, wie sie tagtäglich in der Rotation laufen. Wer kennt schon „Rengwardeier“ von den Stumpfes, das ist die schwäbische Coverversion von Johnny Cash’s „Ring of Fire“ oder wer erwartet in einer Hit-Sendung den ur-uralten Gassenhauer „Bei mir bist du schön“ von den Andrews Sisters aus dem Jahr 1938. 70 Jahre ist das her. Frank Laufenberg, gleichzeitig Moderator und Musik-Redakteur des Zwei-Stunden-Programms, spielt solche Raritäten und erzählt die Geschichten drumherum. Die sind genau das, was die Leute von vierzehn bis irgendwo, die jetzt vorm Radio sitzen, hören wollen. Denn dort wird nur noch wenig zur Musik gesagt. Die Hörer erfahren kaum mehr etwas über die Hintergründe oder die Entstehung eines Titels. In Frank Laufenbergs sehr persönlich gehaltener Radio-Show dürfen sie nachfragen und eine Mail ins Studio schicken, wenn es noch Erklärungsbedarf gibt.
In seiner Sendung lernt man wieder „hinhören“. Jedenfalls geht es mir so. Ich bin zum zweiten Mal dabei und sie gefällt mir schon etwas besser, als er den großen Hit „Bring It On Home To Me“ von Sam Cooke spielt, der rhythmisch genau auf meine musikalische Ader trifft. Und sogar etwas für’s Herz ist an diesem Samstagabend dabei: Die großartige Schauspielerin Bette Midler singt „The Rose“. Ein gefühlvoller Song, den Frank Laufenberg heute mit seiner unverkennbar ruhigen Stimme für alle in den Äther schickt, denen es nicht so gut geht: „Irgendwann schmilzt der Schnee und dann kommt die Rose wieder zum Vorschein“. Als Science Fiction Fan freue ich mich in der zweiten Stunde über die Titelmelodie zur legendären deutschen Serie „Raumpatroille“, die mit ihrem fantasievollen futuristischen Design mit umgestylten Wasserhähnen und Bügeleisen als Weltraumkreuzer-Ausstattung besonders in Erinnerung geblieben ist. Gespielt wurde sie vom Peter Thomas Sound Orchester, und wie man gleich von Frank Laufenberg erfährt, ist Peter Thomas heute 82 Jahre alt. Er schrieb unter anderem auch die Titelmelodie zur Krimiserie „Melissa“, dem Straßenfeger von Francis Durbridge aus dem Jahr 1966.
Herr Laufenberg, Sie sind in dieser Sendung ihr eigener Programmdirektor. Das ist auch für eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt wie den SWR eher ungewöhnlich. Wie stellen Sie Ihre Sendung zusammen?
„Nach meinem ‚Pop Diary’, das ich vor etlichen Jahren geschrieben habe und das auch in den USA, GB, Kanada und Australien erschienen ist und auch dort von den DJs gerne als Grundlage verwendet wird. Die letzte Ausgabe erschien in zwei Bänden 1995 - und wurde von mir in meinem Computer fortgeführt. Inzwischen würde eine Neuauflage vier Bände umfassen - da traut sich kein Verlag ran. Durch diese Art der Programmzusammenstellung ergibt sich in jeder Woche ein musikalisch anderes Bild - und das ist von mir auch gewollt. Eine dauernde Wiederholung bestimmter Musikstücke ist damit ausgeschlossen - weil ja immer wieder ein anderer Geburtstag hat, eine andere Platte auf Platz 1 war oder erschien. Und da für mich die Popmusik nicht nach 1955 beginnt, kommen eben auch die Andrews Sisters, noch ältere, damals erfolgreiche Nummern oder eben auch neuere Künstler und Platten vor. Sammy Davis Jr. beklagte in seinen letzten Lebensjahren, dass es im Radio nicht genügend ‚Variety’ - Vielfalt - gibt. Ich möchte das in meinem Programm bieten und laufe damit auch Gefahr, dass jemand wie Sie dann auch einmal Musik hört, die einem zuerst einmal nicht gefällt - sich dann aber wie ein Mosaik langsam aber sicher zu den ‚Größten Hits aller Zeiten’ zusammensetzt.
Warum haben die Moderatoren heute am Mikrofon kaum mehr etwas zu erzählen und sagen höchstens noch die Titel an?
„Weil in vielen Fällen die Prioritäten der Sendungen nicht auf der Musik, sondern dem aktuellen Zeitgeschehen liegen. Ich glaube schon, dass die Moderatoren das könnten - aber es bleibt dafür kaum Zeit.“
Frank Laufenberg ist in Köln aufgewachsen und arbeitete von 1967 bis 1970 als Sender- und Künstlerbetreuer für die EMI Electrola. Dann kam er zum damaligen Südwestfunk (SWF) und gehörte zu den Mitbegründern der Servicewelle SWF3. Um die Mittagszeit lief dort die Jugendsendung »Pop-Shop«. Moderatoren der ersten Stunde waren Walther Krause, Karlheinz Kögel, Guido Schneider und Frank Laufenberg. Dieses Team von radiobegeisterten jungen Männern leistete mit Sendungen wie »Pop-Shop«, »SWF3-Radio-club« sowie »Facts und Platten« Pionierarbeit auf dem Gebiet der Musikshows. Stammhörer erinnern sich, dass Frank Laufenberg seinerzeit bei SWF3 eine ähnlich lustige Schnodrigkeit drauf hatte wie Thomas Gottschalk und Günther Jauch bei Bayern 3. Liebevolle Respektlosigkeiten und Veräppelungen - eben Radio-Komik vom Allerfeinsten strapazierten bei einer Sendung am Sonntag Mittag die Lachmuskeln der Fans. Beliebt war auch die SWF3-Pop-Shop-Party in den 70ern mit Frank Laufenberg und Elke Heidenreich, wo Frank („Mister SWF3“) sich als Plattenaufleger betätigte.
Können Sie sich noch an ein besonderes Erlebnis aus Ihrer Zeit bei SWF3 erinnern?
„Über bestimmte Gruppen - wie Sweet, Slade oder Smokie - die in den 70er Jahren in der Hitparade von SWF3 waren, machte ich einmal die Bemerkung, das seien alles Bands, die mit SCH wie Scheiße anfangen: Schweet, Schlade, Schmokie. Das gab einen riesigen Protest bei den jeweiligen Fans, die mich mit Briefen bombardierten. Ich entwarf ein Antwortschreiben, das alle erhielten. Darin stand, ich würde mich in 10 Jahren wieder melden und nachfragen, ob sie bei ihrer hohen Meinung über diese Gruppen geblieben sind. Nach 10 Jahren habe ich versucht, die ehemaligen Fans wieder zu erreichen. Bei vielen ist es mir gelungen - die meisten, vorwiegend weiblichen Fans, hatten inzwischen geheiratet und waren jetzt der Meinung: ich hätte recht gehabt. Das fand ich lustig und machte daraus eine Sendung, die viel Anklang fand. Wahrscheinlich hatte niemand damit gerechnet, dass ich mich nach den 10 Jahren wirklich noch einmal melde.“
Was hat sie dazu bewogen von EMI wegzugehen und beim Radio bzw. Südwest-funk anzufangen?
„Ich hatte vor dem SWF schon Sendungen für den SDR gemacht - war also nicht ‚unbeleckt’. Aber beim SWF waren das Live-Sendungen - für den SDR hatte ich fertige Bänder geliefert. Die Arbeit bei der EMI war sehr interessant - aber nichts für den Rest meines Lebens.“
Der wahrscheinlich erste Rapsong in deutscher Sprache machte 1980 von sich reden. Kaum jemand in Deutschland wusste zu der Zeit was Rap ist. Die Fantastischen Drei - wie sie sich ursprünglich nennen wollten - waren Frank Laufenberg, Manfred Sexauer und Thomas Gottschalk. Mit ihrem Musik-Projekt GLS-United können sie von sich behaupten, die Väter des deutschen Raps zu sein. Bei dem Titel „Rapper’s Deutsch“ handelt es sich um eine deutsche Coverversion von Rapper’s Delight der Sugarhill Gang, die damit 1979 den ersten bekannten Rap-Hit überhaupt landeten. „Rapper’s Deutsch“ kam im April 1980 in die deutsche Hitparade und erreichte immerhin Platz 49.
Ich hab mir das Video von „Rapper’s Deutsch“ angeschaut und auch das amerikanische Original der Sugarhill Gang, was ja richtig doll abfetzt, während GLS als die „ersten deutschen Rapper“ zwar nicht ernst gemeint aber - wie es ein Kritiker ausdrückte - „echt total cool“ mehr mit einer Art gerappter Musikgeschichte rüberkommt. Wie ist das Projekt eigentlich entstanden? Wie haben Sie sich als „Dreamteam des deutschen Sprechgesangs“ zusammengefunden?
„Die Produzenten Harold Faltermeyer und Hans Scherer hatten Thomas, Manfred und mich angesprochen, ob wir bei einer Rap-Platte mitmachen würden - und jeder von uns hat gesagt: ja wenn der mitmacht, dann mache ich auch mit. Die Version von Sugarhill Gang ‚fetzt’ im Übrigen keinen Deut mehr als unsere - und was die da an Sermon ablassen und wie sie sich selbst beweihräuchern, das hätten wir drei nicht gemacht. Übersetzen Sie mal den Text der Sugarhill Gang - dann wissen Sie, wie gut unserer war.“
Von 1991 bis 1996 war Frank Laufenberg bei Radio RPR Eins mit seiner Show »Bei Anruf Pop!« on air. In der Sendung konnten Zuhörer anrufen und sich nicht wie üblich ein Lied wünschen, sondern Lieder ausfindig machen lassen, von denen Senderredaktion und Zuhörer im Vorfeld nicht wussten, wie diese hießen oder von wem sie gesungen wurden. Die Anrufer summten oder sangen dann die noch bekannten Passagen vor. In den meisten Fällen konnte Frank Laufenberg sofort die jeweilige Antwort liefern und das entsprechende Lied spielen.
Warum wurde diese Sendung eingestellt?
„Nachdem mich die ‘Öffentlich-Rechtlichen’ rausgeschmissen hatten, weil ich bei den ‘Privaten’ zwei TV-Sendungen moderierte, nahm mich Dieter Mauer - damals Programmdirektor bei RPR - unter Vertrag. Sechs schöne lange Jahre machte ich für RPR die Sendung »Bei Anruf Pop«. Sie kam bei den Hörern gut an - aber als Dieter ging, kam ein neuer Programmchef, der nach dem Motto ‘neue Besen kehren gut’ alles madig machte, was sein Vorgänger aufgebaut hatte. So war das und ansonsten mag ich dazu gar nichts mehr sagen.“
„Für wen macht das Radio seine Sendungen“? beginnt Frank Laufenberg seinen Vortrag unter dem Titel „Medialer Overkill“, den er am 14. Januar 2000 beim „Bandjahrestreffen des Landesarbeitskreises Band in Württemberg“ gehalten hat. Es sind einfach nur Gedanken über das von ihm so geliebte Medium RADIO - seine Macher, die Hörer und die Zukunft des Radios überhaupt. Hier ein kleiner Ausschnitt: „Radio konnte in den 70er Jahren Musikgeschmäcker prägen - heute ist das Radio nichts anderes als eine Abspielstation von Hits. Heute entscheiden nicht die jeweiligen Hörer, was in der gerade laufenden Sendung gespielt wird. Es entscheidet auch nicht der Bauch des Diskjockeys, sondern der Computer. Der weiß angeblich genau, was die Hörer hören wollen, denn alle Platten, die gespielt werden, wurden vorher ‚geresearcht’. Das heißt, eine bestimmte Anzahl von Menschen hat sich die Platten anhören müssen und sie dann bewertet. Gespielt werden dürfen nur die Titel, die auf eben jener Playlist stehen. Die Möglichkeit, den für gut befundenen Titel nur zu bestimmten Tageszeiten zu spielen, besteht selbstverständlich. Eine lahme Nummer könnte ja die Hörer wieder zurück in die Betten treiben. Heute machen Computer Sendungen für Menschen und erstellen ‚ein perfektes, professionelles Musikprogramm, das gemäß der Vorgaben des jeweiligen Senders den gewünschten Musikteppich’ liefert. ‚Musikteppich’, welch ein Wort. Musik, die man zwar hört, aber nicht wahrnimmt, die einen nicht stört. Es geht den Sendern ja nicht um die Musik, die da läuft, sondern um die Werbung zwischen der Musik. Wieso der Computer oder das Programm weiß, was wen nicht stört, ist getestet. Die Testpersonen neigen in vielen Fällen aber dazu, Interpreten und Titel, die sie kennen, besser zu bewerten als unbekannte Stücke. Das hat in allen Rundfunkanstalten Deutschlands, ob öffentlich-rechtlich oder privat, dazu geführt, dass sich inzwischen ein Berg an Musikstücken angesammelt hat, die jeder kennt. Die sorgen dafür, dass alle Programme gleich klingen. Wieso kamen die Sender eigentlich auf die Idee, Computer für ihre Programmgestaltung einzusetzen? Es gibt doch genug Menschen, die ohne weiteres wunderschön anzuhörende Programme erstellen können. Das von der Gruppe Queen 1984 an die Wand gemalte ‚Radio Gaga, Radio Bla Blah’ ist auf dem Vormarsch. Aus dem Stamm der einst etablierten Moderatoren haben sich inzwischen etliche verabschiedet, denen es einfach zu blöd war, zwischen den Platten und der Werbung nicht mehr als 1:30 Wort sagen zu dürfen. Die Sender wollen nicht stören, nichts und niemanden. Wen stört es irgendwann einmal, wenn sie nicht mehr da sind?“
Hat sich sieben Jahre nach Ihrem Vortrag irgendetwas geändert oder glauben Sie, dass sich noch jemals etwas daran ändern wird, dass der Inhalt von Radio - vielleicht von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen - vom Computer bestimmt wird?
„Es werden sicher noch mehr ‚Format-Radios’ kommen - also Spartenprogramme, die 24 Stunden am Tag nur Country-Musik, nur Hip Hop, nur Schlager oder sonst was dudeln. Da muss keiner zuhören - das läuft irgendwo im Hintergrund. Wie Sie ja selbst schreiben, haben Sie bei meiner Sendung wieder ‚hinhören’ gelernt. Solche Programme wird es für wirklich interessierte Hörer immer geben!“
Zum Schluss noch die obligatorische
Frage: Was bedeutet
für Sie Radio?
„Schnelligkeit in der Information und die Möglichkeit, vielfältig über Musik und Künstler zu berichten. Auf jeden Fall schneller und umfassender als das Fernsehen!“
Bild oben SWF3 Pop-Shop: (hintere Reihe
von links):
Bernd Mohrhoff, Hans-Jürgen Kliebenstein, Guido
Schneider;
vorne von links: Frank Laufenberg, Karlheinz Kögel,
Robert Jakobs und Walther Krause.
Anita Pospieschil
Aus RADIOJournal 12/2007