Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern


Foto: © SLP / BCS

»Irgendwann gewöhnt man sich an unchristliche Arbeitszeiten«
Gagschreiber Matthias Draheim über
seinen Job bei den Sächsischen Lokalradios

Matthias, nichts ist schlimmer als frühes Aufstehen. Wann klingelt dein Wecker und wie bringst du dich in Form? 

Meine beiden Wecker klingeln 4 Uhr 30, meistens aber dann noch mal fünf Minuten später, ich bin nämlich ein bekennender Snoozer. Wenn es wieder ein bisschen wärmer wird am Morgen, fahre ich mit meinem Mountain-Bike ins Studio. Damit brauche ich zwar ein paar Minuten länger, bin aber dafür gleich richtig in Form. Und so schlimm ist das frühe Aufstehen dann auch gar nicht. Ich bin jetzt seit über drei Jahren in der Frühschiene – zuerst als Nachrichten- und Wettermann und seit zwei Jahren als Produzent und Autor von »Falko und die Morgenmädels«. Irgendwie gewöhnt man sich an die unchristlichen Arbeitszeiten.

Wie haltet ihr euch in der Frühe wach im Studio?

Die berühmt berüchtigte Montagsmüdigkeit kommt meistens erst nach der Sendung, also kurz nach 10.00 Uhr. Davor fehlt einfach die Zeit, um schon wieder ans Bett zu denken. Außerdem haben wir noch unsere Verkehrsmaus Eva. Sie ist die gute Seele der Morningshow und versorgt uns zum Glück immer mit frisch gebrühtem Kaffee. 

Du bist bei »Falko und die Morgenmädels« in erster Linie der Gagschreiber. Aus deiner Feder stammen beispielsweise die Gespräche »Guten Morgen! Guten Morgen!« in Hauser- und Kienzle-Manier. Woher beziehst du deine Ideen? 

Die Ideen kommen beim Schreiben. Das ist so eine Art Fließband-Kreativität. Gerade bei »Guten Morgen! Guten Morgen!« muss ich mich auf meine Intuition, meinen Wortschatz und auf eine gehörige Portion journalistisches Handwerk verlassen können. Das schwierige an tagesaktuellen Comedy-Serien ist, dass du nicht großartig vorarbeiten kannst.

Wenn erstmal ein Thema gefunden ist, fange ich an auf Papier zu denken, schreibe mir die ersten Ideen auf, nach 20 bis 30 Minuten bin ich durch. Dann geht auch schon das Mikro an. Aber »Guten Morgen! Guten Morgen!« ist nur ein Teil meiner Schreibarbeit. Schwieriger sind Comedy-Reihen mit mehr als zwei Personen, da ich die Rollen nicht nur schreibe, sondern die meisten auch noch selber spiele bzw. spreche. 

Nach Produktionen wie die »Radio-Pappies«, »Hotel Paracethamol« oder »Der verrückte Hochzeitsreporter aus Amsterdam« brauche ich immer eine Weile, um wieder in meine eigene Persönlichkeit zurückzukommen. Ist aber kein Thema, denn wenn ich gerade nicht fürs Radio denke, studiere ich an zwei Abenden in der Woche auch noch Psychologie an einer Privatschule. Das Studium hab ich mir selber vergangenes Jahr im März zum Geburtstag geschenkt. 

Aber man kann doch nicht ununterbrochen kreativ sein. Hast du einen bestimmten Ausgleich zum Schreiben? 

Schon wegen des Studiums lese ich viel. Das bringt nicht immer die optimale Entspannung, hilft aber den Geist fit zu halten. Richtig entspannend dagegen ist Sport. So zweimal in der Woche zieh ich mir meine Laufschuhe an und dann geht es für eine Stunde an die frische Luft zum Joggen. Wenn das Wetter stimmt, tausche ich die Laufschuhe auch mal gegen Inline-Skates. Tauchen, Klettern und Snowboarden war ich auch schon. Aber ich bin kein Gesundheitsfanatiker oder so. Wenn die Biergärten wieder aufmachen, wirst du mich sicher in dem ein oder anderen sehen. Dort findest du so viel interessante Menschen und genauso viel außergewöhnliche Geschichten, auch eine Quelle der Inspiration. Wenn du nicht weißt worüber deine Hörer oder Leser sprechen, dann hast du ihnen irgendwann auch nichts mehr zu sagen. 

Eure Sendung ist seit zwei Jahren bei den Sächsischen Lokalradios zu hören. Was zeichnet deiner Meinung nach eine wirklich gute Morgenshow aus? 

Letztendlich entscheiden die Hörer, was Sie wollen. Und genau dafür, für die Hörer, stehen meine Kollegen vom Sender und ich jeden Morgen - oder sagen wir besser mitten in der Nacht ­ auf. Ich glaube einfach, die Leute haben den ganzen Tag genug um die Ohren, so dass sie wenigstens beim Aufstehen, Frühstück oder auf dem Weg zur Arbeit das Recht haben auf leicht bekömmliche aber trotzdem gute Unterhaltung. Dazu gehört in erster Linie Top-Musik und bei uns ist jeder Song ein Hit. Dann setzten wir auf Infotainment aus erster Quelle, egal ob gerade was am andern Ende der Welt oder in Nachbars Garten passiert. Die aktuellsten Wetter- und Verkehrsberichte kann so und so nur ein lokaler Sender bringen; für Autofahrer sogar entscheidend bei der Wahl für den richtigen Sender. Aber die Frage nach einer wirklich guten oder auch schlechten Morningshgow stellt sich für mich eigentlich nicht. Wenn ich ehrlich hinter einer Sache, einer Entscheidung oder eben einem Sendekonzept stehe, dann wird das bei meinem Gegenüber auch so ankommen. Schließlich mache ich Radio nicht gegen, sondern für und mit den Leuten vor und hinterm Mikrofon. Manchmal allerdings vermisse ich in unserer Branche das Fünkchen Ehrlichkeit. 

Der Radiomarkt in Sachsen ist ein ziemlich umkämpfter. Da gibt es Kollegen, die sich selbst schon überlebt haben, während andere Sender fast schleichend ihre Morgenshow auswechseln. Wie ordnest du eure Sendung gegenüber der Konkurrenz ein? 

Was für einen Kampf meinst du - allenfalls rangeln wir uns doch wie Mittelklässler und Gymnasiasten auf dem gemeinsamen Schulhof. Ich muss nur ab und zu schmunzeln, wenn ich meine oder unsere Ideen bei anderen Sendern wiedererkenne. Das heißt auf der einen Seite, dass wir alle nur mit Wasser kochen und die Möglichkeiten von Radio unendlich sind. Andererseits ist es doch aber so – Klamotten oder allgemein Sachen von der Stange werden in Asien nicht kopiert, eine Rolex schon. 

Die wenigsten Leute sind von der Schulbank weg direkt ins Radio „gekrochen”. Wie bist du zum Rundfunk gekommen? 

Nach meinem Abi wollte man mich noch zu DDR-Zeiten nicht ohne weiteres Studieren lassen. Ich sei politisch zu unreif, hieß es. So bin ich erst mal als Hilfsfernsprechmonteur bei der Deutschen Post gelandet. Dann kam doch eine Zusage für ein Lehrerstudium Deutsch/Musik in Zwickau und es ging zur Armee. Vor der ersten Vorlesung hab ich dann noch als Gemeindearbeiter Wege gepflastert und die Dorfkanalisation gereinigt - das war richtig eklig. Beim Studium hab ich ein paar taffe Leute von einem Tonstudio kennengelernt. Wir haben zusammen Musik gemacht und ich habe nebenbei Werbemelodien komponiert und arrangiert. Finanziell hat sich das damals allerdings nicht gerechnet. Doch hab ich so erste Kontakte zu Radio Energy bekommen und beim Start von Energy Zwickau war ich es, der dort die Nachrichten gelesen hat. Als nächstes bin ich bei einer Tageszeitung gelandet und habe dort mein journalistisches Handwerk gelernt. Vor fünf Jahren bin ich dann zur Sächsischen Lokalrundfunkkette gekommen, war erst in Zwickau, dann in Chemnitz, Leipzig und schließlich in Dresden. So war das.

Andy Horschig
Aus RADIOJournal 3/2002 

»... Die Ideen kommen beim Schreiben. Das ist so eine Art Fließband-Kreativität. Gerade bei 'Guten Morgen! Guten Morgen!' muss ich mich auf meine Intuition, meinen Wortschatz
und auf eine gehörige Portion journalistisches Handwerk verlassen können. Das schwierige an tagesaktuellen Comedy-Serien ist,
dass du nicht großartig vorarbeiten kannst ... wenn die Biergärten wieder aufmachen, wirst du mich sicher in dem ein oder anderen sehen. Dort findest du so viel interessante Menschen und genauso viel außergewöhnliche Geschichten, auch eine Quelle der Inspiration...«



»... Wenn du nicht weißt worüber deine Hörer oder Leser sprechen, dann hast du ihnen irgendwann auch
nichts mehr zu sagen..




»... Die Frage nach einer wirklich guten oder auch schlechten Morningshow stellt sich für mich nicht. Wenn ich ehrlich hinter einer Sache, einer Entscheidung oder eben einem Sendekonzept stehe, dann wird das
bei meinem Gegenüber auch so ankommen. Schließlich mache ich Radio nicht gegen, sondern für und mit den Leuten vor und hinterm Mikrofon. Manchmal allerdings vermisse ich
in unserer Branche das Fünkchen Ehrlichkeit...«



Fotos: © BCS

• Ab 2005 produzierte Matthias Draheim die Morningshow
von HITRADIO RTL und betreute die RTL Verkehrszentrale in Dresden. Aktuell ist er Leiter
On Air Design und Promotion
bei der BCS Broadcast Sachsen GmbH & Co. KG - der Dachorganisation der Sächsischen Lokalradios (Radio Dresden, Radio Leipzig, Radio Chemnitz, Radio Zwickau u.a.)
und HITRADIO RTL.
www.hitradiortl.de
www.radiodresden.de