Fotos: @ Archiv Hans Knot
100 Jahre Radio (Teil 23) -
Olympia-Radio Helsinki 1952
Ich erinnere mich an ein Sportbuch, in das man Bilder zu den
Olympischen Spielen in den 1950er Jahren einkleben konnte und das
auch ein Kapitel zu den Olympischen Spielen 1952 in Finnland
enthielt. Ich sah das Sammelalbum bewusst erst in den 1960er Jahren,
und es stellte sich heraus, dass es ein Sammlerstück meines älteren
Bruders Jelle war. Die vom Finnischen Olympischen Komitee
organisierten Olympischen Spiele gingen als Folge 15 der Olympischen
Spiele der Neuzeit in die Geschichte ein.
Die NRU, die Niederländische Rundfunkunion, war während dieser
Spiele ebenfalls aktiv und hatte im Vorfeld ein Skript vom
Finnischen Yleis Radio, dem staatlichen Sender, erhalten, in dem
beschrieben wurde, wie die Eröffnung der Spiele abläuft. Ein Skript,
dessen Notizen erhalten geblieben sind und damals in den Technischen
Mitteilungen des Technischen Dienstes der NRU vom November 1952
veröffentlicht wurden.
Der Text begann mit “Olympiaradio”, gefolgt von: “Dieser Text wird
dreimal wiederholt, und es folgt Start”. Oder der Aufnahmebefehl für
die damals im Auftrag der NRU anwesenden Techniker. Olympia Radio
war der Name, den die finnische Rundfunkgesellschaft der
Organisation gab, die sie aufgebaut hatte, um die Berichterstattung
über die 42 Länder, die sich zur Teilnahme angemeldet hatten, zu
beginnen. Die anwesenden Journalisten hörten sogar dreimal das Wort
“Radio Olympia” als Wählton über die Telefone, die ihnen von der
Organisation zur Verfügung gestellt wurden.
Diese Telefone waren mit einer speziellen olympischen
Telefonzentrale verbunden, an der Tausende von Anschlüssen
realisiert worden waren. Bis dahin war die Organisation der
Olympischen Spiele in vielerlei Hinsicht großartig, und das
staatliche Finnische Radio Yleis hatte keine Kosten gescheut, um die
ausländischen Berichterstatterteams zu bedienen. Die Radioarbeit
wurde von Yleis-Technzentrum für die Inlandssendungen wurde vom
Gebäude von Yleis Radio in Helsinki aus bereitgestellt und geleitet.
Für die ausländischen Sender wurden im Olympiastadion und an einigen
anderen Stellen im so genannten “Radiozentrum” spezielle Kabinen
eingerichtet, die über 17 Leitungen mit anderen Sportplätzen in
Helsinki und der näheren Umgebung verbunden waren. Ebenso gab es
P.T.T.-Leitungen zu Orten wie Turku, Lathi und Kotka.
Auf diesen Sportplätzen wurden je nach der erwarteten Anzahl von
Reportern eine größere oder kleinere Anzahl von Mikrofonen
aufgestellt. Ein “Twin-Trax”-Magnetophon diente als
Leitungsverstärker, so dass im Notfall eine Aufnahme vor Ort gemacht
werden konnte. Techniker der NRU, so zeigen die gefundenen
Unterlagen, machten davon mehrfach Gebrauch, vor allem im
Schwimmstadion. Die Hintergrundgeräusche wurden von einem oder
mehreren Mikrofonen aufgezeichnet und nach der Verstärkung an alle
Kontrollräume der jeweiligen Sportstätte verteilt. Auf diese Weise
konnte jeder Techniker selbst entscheiden, ob Hintergrundgeräusche
hinzugefügt oder weggelassen werden sollten. Die abgehenden
Leitungen und damit die Signale all dieser Geräte kamen direkt in
den Schaltraum des Funkhauses.
Die Leitungen zum und vom Funkzentrum waren 1952 noch ungeschirmt,
was zu einem gewissen Übersprechen führte, und gelegentlich wurde
auch ein HF-Signal von Polizeisendern aufgefangen. Solche Signale
wurden hauptsächlich in den ersten Verstärkerstufen erkannt.
Das Funkzentrum wurde unter den Tribünen an der Längsseite des
Olympiastadions in Helsinki gegenüber dem Marathonturm errichtet. Im
Erdgeschoss befanden sich das so genannte Buchungsbüro sowie die
Informationsstelle, die Kantine, das Lager, die Werkstatt und das
Büro des Chef de Bureau, also der Person, die letztlich für alle
Sendungen verantwortlich war. Im ersten Stock befanden sich
Arbeitsräume für die Reporter, das Ergebnisbüro, vier Aufnahmeräume
ohne Kommentarstudio, 14 so genannte Abfertigungskabinen und eine
Radioempfangsstation. Im zweiten Obergeschoss des Funkhauses
befanden sich dann Schalträume, die technische Verwaltung und 30
Kontroll- und Aufnahmeräume. Diese verfügten jeweils über ein
angeschlossenes Kommentarstudio.
Am Fuße des bereits erwähnten Marathonturms waren 30 Mikrofone
aufgestellt, die jeweils direkt mit einem der 30 Kontrollräume
verbunden waren. Ein unter den Tribünen aufgehängter Holzsteg
verband diese 30 Reporterplätze mit dem eigentlichen Funkhaus. So
mussten Reporter, Techniker und andere Mitarbeiter nicht durch das
Publikum gehen.
Einige weitere Zahlen: 42 Länder hatten Reporter entsandt, 21
erhielten einen eigenen Aufnahmeraum. Die anderen Länder konnten die
übrigen neun und eventuell einen der vier freien Aufnahme-räume im
Zwischengeschoss nutzen. Die Niederlande teilten sich Studio und
Regieraum Nummer 17 mit Indonesien. Die Indonesischen Sendungen, 15
Minuten pro Tag, wurden von NRU-Technikern aufgezeichnet und über
P.C.J Sender nach Indonesien gesendet.
Aus den gefundenen Dokumenten geht hervor, dass technisch nicht
alles nach Plan lief. So wurden zum Beispiel die bereits erwähnten
amerikanischen “Twin Trax”-Maschinen durch AEG-Maschinen ersetzt,
die teilweise unzuverlässig waren. Während bei den Twin
Trax-Maschinen der untere Teil der entlang der Köpfe verlaufenden
Bänder verwendet wurde, wurde bei den ursprünglichen AEG-Maschinen
der obere Teil verwendet. Auf Wunsch des damaligen finnischen
Senders lieferte AEG modifizierte Maschinen, so dass sie in
Kombination mit den amerikanischen Maschinen eingesetzt werden
konnten.
Die Mitarbeiter aus Hilversum verwendeten in Finnland ihre eigenen
Bänder, nicht nur im Reportagewagen, sondern auch in den
Kontrollräumen im Olympiastadion und an den anderen Sportstätten. Es
war ihnen nämlich nicht gestattet, die von Yleis gelieferten Reifen
mit dem Cut-and-Paste-System zu montieren. Die Finnischen Techniker
wurden speziell geschult, um die Reifen durch bloßes Kopieren zu
montieren.
Für die Tür dieser Ausgabe der Olympischen Spiele waren 12 Leitungen
und zwei Kurzwellenverbindungen für die Übertragung von Nachrichten
und Berichten reserviert. Die 12 Leitungen waren einerseits ständig
mit den wichtigsten europäischen Sendezentren verbunden und
andererseits mit den bereits erwähnten Abfertigungskabinen. Diese
Kabinen waren alle mit einem Verstärker ausgestattet, da sie
seinerzeit für die Olympischen Spiele 1940 entworfen und gebaut
wurden. Sie bestanden aus drei Eingangsreglern, die auf sechs Kanäle
umschaltbar waren. Daran angeschlossen waren ein Mikrofon, ein
Orthofen-Drehteller, die ankommende Leitung, ein Zeitsignal und ein
800-Hz-Ton, der periodisch von einem Morsesein H.K.I. unterbrochen
wurde, das für Helsinki stand.
Das Zeitsignal war die Greenwich-Zeit, die mit der damaligen Zeit in
den Niederlanden synchronisiert war. In den aufgefundenen Notizen
heißt es weiter, dass Yleis, die staatliche Finnische
Rundfunkanstalt, über zu wenig fest angestellte Techniker verfügte,
um alle Arbeiten sorgfältig auszuführen. Zusätzlich wurden
Technikstudenten und Techniker eingesetzt, die dazu überredet
wurden, auf ihren geplanten Urlaub zu verzichten. Diese Techniker
waren jedoch gründlich geschult worden, um sich in das Gesamtteam
einzufügen, und waren der Aufgabe und dem Druck gewachsen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es für Yleis Radio im Jahr
1952 ein schöner Erfolg war, allen ausländischen Radiostationen die
technischen Voraussetzungen zu bieten, um die Berichterstattung über
die Olympischen Spiele in Finnland ordnungsgemäß und zügig
durchzuführen.
Hans Knot
Quelle: N.R.U. Technical Communications Technical Service Office.
Sammlung Freewave Nostalgia, Sammlung Mans.