Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern
Foto: © SWR3
Wortgewandt, reaktionsschnell, pointiert - Steffi Haiber
macht unverwechselbares
Radio bei SWR 3
Wer am Vormittag zwischen 9.00 und 12.00 Uhr den „Elch-Sender“ aus Baden-Baden einschaltet, kommt an Steffi Haiber nicht vorbei. Ihre Sendung ist eine der interaktivsten im Programm von SWR 3 und hier ist sie erkennbar in ihrem Element. Spontane Hörergespräche und pointierte Wortwechsel sind Steffi Haibers große Stärke. Sie kann mit den Anrufern gut umgehen, greift deren Fähigkeiten auf, ohne die Schwächen zu ignorieren. So entstehen authentische, realitätsnahe Sendungen, die das gesamte Spektrum des menschlichen Lebens abbilden. Steffis direkte und unkomplizierte Art kommt an, ihr unschlagbarer Wortwitz hat schon so manch scheinbar ausweglose Situation gerettet. Ihr gesunder Menschenverstand und ihre Bodenständigkeit sorgen aber auch dafür, dass niemand vorgeführt wird. Mit diesem „Haiber-Style“ ist sie gleichzeitig für vielfältige Off-Air-Aktivitäten gut geeignet, deren Präsentation ebenfalls zu einem Markenzeichen der beliebten Moderatorin geworden ist.
Erste Radioerfahrungen in Heilbronn
„Als Kind war ich ein verträumter Typ und habe viel Klavier oder
Orgel gespielt“, erzählt Steffi bei unserem Treffen an einem
sonnigen Spätsommertag in Baden-Baden. Wir nehmen an der Seite der
beeindruckenden „Trinkhalle“ draußen im Café Platz und folgen dem
Namen des Gebäudes, indem wir Milchkaffee und Wasser bestellen. Ein
paar Tische weiter sitzen Michael Wirbitzky und Sascha Zeus, die
ihre Gags für die nächste Morgensendung besprechen. „Nicht ihr schon
wieder“ sagt Steffi Haiber im Vorbeigehen mit einem breiten Grinsen
und verweist süffisant darauf, dass es in der beschaulichen Kur- und
Casinostadt mit ihren gut 50.000 Einwohnern eigentlich unmöglich
ist, nicht auf Schritt und Tritt Kollegen vom Fremersberg zu
treffen, wo der Südwestrundfunk beheimatet ist.
Steffis frühe Hörerinnerungen reichen noch in die Zeit der geteilten
öffentlich-rechtlichen Radiolandschaft im Ländle zurück.
Aufgewachsen in Heilbronn am Neckar, wo der Empfang beider Programme
problemlos möglich war, stand sie zwischen ihrer Schwester, die SWF3
hörte und ihrer Mutter, die SDR3 aus Stuttgart bevorzugte. Schon aus
geschwisterlicher Opposition heraus fand Steffi den „wilden Süden“
besser, aber auch moderativ gefiel ihr Matthias Holtmann, den sie
bis heute als Radioidol verehrt, mehr als Elmar Hörig. Trotzdem
stand natürlich in den jungen Jahren die Musik im Vordergrund. Ihr
Großvater war Pressezeichner beim „Stern“, ihr Onkel arbeitete beim
Fernsehen. So bekam Steffi Haiber früh ein Aufnahmegerät geschenkt
und produzierte die üblichen Kindertapes. Sie war 16 oder 17 Jahre
jung, als die Privatfunkära begann. In der Schule machten sie damals
viele Späße über die „Spätzle-Sender“ mit ihrer noch
unprofessionellen Anmutung. Mit dem schwäbischen Dialekt, den Steffi
heute mühelos neben vielen anderen imitieren kann, konnte sie
ohnehin nicht viel anfangen, da ihre Mutter aus Norddeutschland
stammt.
Nach dem Abitur 1992 fing Stephanie, die sich aber von je her gern
mit der Kurzform ihres Namens anreden lässt, ein Studium an. Da sie
sich mit der Fachkombination vertan hatte, legte sie nach einem
Semester eine Pause ein. „Eigentlich wollte ich dann zur Zeitung,
musste aber feststellen, dass die Heilbronner Stimme nur Praktika
von einem Monat anbot, während beim Radio Zeiten zwischen einem Vierteljahr und einem halben üblich waren.“ Also bewarb sich Steffi
bei Radio Regional. Ihr Vorstellungsgespräch kam einem Siegeszug
gleich. „Wo sind Sie geboren?“, fragte der Chef und auf ihre Antwort
„in Heilbronn“ setzte er nach: „Wie haben Sie Ihr Hochdeutsch
gerettet?“ Klar, dass sie ein halbjähriges Praktikum bekam und sich
mit „unglaublichem Arbeitseifer“ in das Abenteuer Radio stürzte.
Direkt im Anschluss wurde Steffi Haiber ein zweijähriges Volontariat
angeboten, das sie nach einem Jahr bei der Zeitung fortsetzte, als
die Zwangsfusion zwischen Radio Regional und Radio Ton erfolgte.
Solides Handwerk gelernt
„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ hieß es früher gern. Der Kern des
Sprichworts, nämlich dass eine gute Ausbildung zunächst auch immer
mit Anstrengungen verbunden ist, bewahrheitete sich auch bei Steffi
Haiber. Noch heute profitiert sie von den Grundlagen, die sie sich
damals gelegt hat. „Die Chefs waren sehr streng, was ein solides
Handwerkszeug anbetraf. Andererseits war ich so schon früh in den
Regionalnachrichten zu hören und durfte vielfältige Beiträge mit
Inhalt machen.“ Bei politischen Themen, etwa wenn sie einen
Gemeinderat zur Haushaltsberatung besuchte, kam ihr der familiäre
Hintergrund zur Hilfe. Schließlich war ihr Vater 24 Jahre lang
Bürgermeister in Untergruppenbach, einer Gemeinde in der Nähe von
Heilbronn. Für Seminare im Presserecht wurde Steffi Haiber auf die
Uni Hohenheim geschickt. Jeweils drei Stunden Magazin am Vor- und
Nachmittag bei Radio Regional wollten erstmal bestückt werden. „Ich
fuhr zu zwei bis drei Terminen am Tag und war immer gründlich
vorbereitet. Man durfte sich nicht blamieren, schließlich waren auch
die SDR-Leute bei den Pressekonferenzen mit dabei, die die
Privatfunkkollegen etwas herablassend betrachteten. Da musste man um
jedes Interview kämpfen“, erinnert sich Steffi. „Wir wurden auch gut
gedrillt, wann Reportageelemente Sinn machen und wann man besser
einen Beitrag im Funkhaus fertigstellt.“ Sie lernte den
„Herzschlag-Rhythmus der Umfrage“ und wie man „O-Ton-Collagen“
bastelt, um eine Geschichte nur anhand ausgewählter Originaltöne zu
erzählen. „Vor allem habe ich gelernt unglaublich schnell zu sein.
Man brauchte ein gutes Zeitmanagement und musste den Fahrweg mit
einrechnen. Die Texte habe ich zum Teil schon immer vor dem Termin
geschrieben und die Fragen passgenau auf die O-Töne formuliert. Noch
heute möchte ich am liebsten alles machen und schreibe auch die
Anmoderation für die Beiträge selbst.“
Moderieren lernte Steffi im Technikerfahrbetrieb bei Radio Regional
während ihres Volos. So war sie umfassend ausgebildet und hatte das
breitest mögliche handwerkliche Rüstzeug erworben. Schließlich
landete Steffi Haiber bei Radio Ton in Bad Mergentheim und arbeitete
dort für die Regionalnachrichten, ehe sie zu Radio Regenbogen nach
Mannheim wechselte. Hier war sie als Reporterin unterwegs und
ebenfalls für die News vor der Haustür zuständig. Ihre
Bewährungsprobe hatte die leidenschaftliche Journalistin während
einer anderthalb Tage dauernden großen Geiselnahme, die sie souverän
meisterte und dafür ein Lob von ihrem neuen Chef bekam.
Off Air Moderation im leeren Raum
Eine ganz neue Herausforderung folgte für Steffi mit ihrer ersten
Bühnenmoderation auf dem Mannheimer Maimarkt. Auf dem Gelände befand
sich die Discothek „Broadway“, wo sie ihren ersten Auftritt hatte.
„Es war morgens um 10.00 Uhr, draußen war ein schöner Tag, aber ich
stand drinnen in der dunklen Disco, sah auf graue Betonwände und
sollte Karaoke machen. Es kostete mich erstmal Überwindung, in einen
leeren Raum hinein zu moderieren, aber ich musste ihn ja füllen.
Schließlich kamen vor allem die Betrunkenen und ich habe mit dem Mut
der Verzweiflung Situationskomik gemacht.“
Nach dieser Feuertaufe bekam Steffi Haiber ihre Moderationszusage
bei Radio Regenbogen, verbunden mit einem Jahr im Probestudio,
zusätzlich zu den normalen Schichten. Dabei stellte sie fest, dass
ihr das Üben im Trockenbetrieb gar nicht liegt. „Ich kann nicht gut
sein, wenn es nicht gilt. Auch heute laufe ich nur unter
Live-Bedingungen zur Höchstform auf.“ Die letzten anderthalb Jahre
war Steffi dann on air und moderierte zunächst am Sonntagmorgen
zwischen 6.00 und 9.00 Uhr sowie die »Partyline« gemeinsam mit
Michael Hassinger. Zu jener Zeit hatte sie noch keinen ausgeprägten
Moderationsstil, entwickelte allerdings schon Fähigkeiten, die heute
ihr Markenzeichen sind.
„Ich bin kein Aufschreibtyp sondern lieber spontan und pointiert.
Damals gab es wenig Resonanz in Form von Hörerreaktionen, höchstens
mal ein wütendes Fax. Also hab’ ich so weitergemacht, wie ich es für
richtig hielt.“
Ihre schönste Zeit bei Radio Regenbogen hatte Steffi Haiber während
der gemeinsamen Moderation der »Nachmittagsshow« mit Lars Michael
Storm, der heute bei SWR 1 Rheinland-Pfalz in Mainz zu hören ist.
„Wir lieben uns heiß und innig, haben einfach eine ähnliche
Philosophie vom Radiomachen. So spielten wir uns immer gegenseitig
die Bälle zu und es war nie langweilig“, bekommt Steffi noch heute
leuchtende Augen.
Wechsel nach Baden-Baden
Im August 1998 fusionierten SDR und SWF zu einer gemeinsamen
Anstalt. Die neue Popwelle SWR3 in Baden-Baden suchte Moderatoren
und frische Stimmen. Ein Kollege bei Radio Regenbogen animierte
Steffi Haiber, sich bei SWR3 zu bewerben. Im Januar 1999 fing sie
auch direkt und ohne die eigentlich übliche Probewoche auf dem
Fremersberg an und landete zunächst in der »Aktuell«-Redaktion. Dann
stand »Up« zwischen 4.00 und 6.00 Uhr im Dienstplan und Steffis
erste SWR3-Sendung war auch gleich die erste „Abhöre“, die in einer
Stehkonferenz mit vielen Kollegen kritisch ausgewertet wurde. Bald
darauf folgte der Sprung in die Morningshow, wo sie gemeinsam mit
Gregor Glöckner die Hörer in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und
darüber hinaus weckte.
Nach einer Krankheit, in deren Folge sich Steffi Haiber wieder mit
viel Selbstdisziplin und Ehrgeiz ihren Platz hinter dem Mikrofon
zurückeroberte, kehrte sie 2001 zunächst für die Nachtmoderation ins
SWR3-Studio zurück. Ein Jahr später vollzog sich der Wechsel in den
»Club« zwischen 19.00 und 22.00 Uhr, ehe Steffi in der
Vormittagssendung »Bis Zwölf« ihre interaktive Ader ausleben konnte.
Es folgte die Geburt ihrer heute fünfjährigen Tochter. Nach der
Babypause war die alte Sendestrecke jedoch nicht mehr frei und
Steffi übernahm wieder »Luna« zwischen Mitternacht und vier Uhr.
„Die Nachtmoderation habe ich geliebt und mich gefreut wie ein
Schneekönig, hier sehr frei agieren zu können. Ich liebe Musik, mag
Menschen und mache gern Witze. All das war hier möglich.“
Gerade zu Zeiten, wo die meisten Leute schlafen, hat man besonders
treue Hörer. Ob es der Fernfahrer ist, der über leere Autobahnen
düst, oder der Pförtner bei einem Betrieb - auch für sie ist das
Gespräch mit der SWR 3-Moderatorin eine gelungene Abwechslung. Und
Steffi Haiber versteht es, die Geschichten, die das Leben schreibt,
aus den Anrufern herauszukitzeln.
Emotionaler und persönlicher Stil
So gesehen ist der typische „Haiber-Style“ oft ein untrügliches
Gespür für die jeweilige Situation, ein Wittern des kommenden
Gesprächsfadens, der natürlich bei einem kleinen Mädchen, das
anruft, ganz anders weiter gesponnen wird als bei einem
selbstbewussten Geschäftsmann. „Ich bin wie ein Segeltuch, mache
Herz und Ohren auf, lausche intuitiv und nehme auch wahr, was gerade
im Hintergrund passiert. Mir ist es wichtig, dabei Emotionen
rauszukitzeln“, erzählt Steffi, „auch vor ernsten Themen wie Tod,
Verlust und Angst habe ich keine Scheu. Man muss nur immer wieder
auf’s Neue den richtigen
Ton treffen.“
Ihre Lebenserfahrung hilft ihr auch mit nicht planbaren Situationen
umzugehen. Sie meidet schon deshalb keine Themen, weil sie sich über
jedes verschenkte Gespräch ärgert, wo die Vielschichtigkeit des
jeweiligen Anrufers unentdeckt bleibt. „Man muss sich immer
überlegen, was man auch zwischen den Zeilen heraushört. Natürlich
ist es meine Aufgabe, an der richtigen Stelle abzubremsen, denn
viele Menschen wissen gar nicht, in welche Gefahr sie sich begeben,
wenn sie unbedarft bestimmte Dinge im Radio erzählen, die dann einem
sehr großen Kreis zugänglich werden.“ Ihre Arbeit vergleicht Steffi
mit der eines Kochs. „Ich komme in die Küche und kriege diese Töpfe
und jene Zutaten, was man daraus macht, schmeckt aber von Fall zu
Fall völlig unterschiedlich. So ist das auch im Studio.
Trotz aller
Vorgaben vom Chef kann man doch im eigenen Stil moderieren.“
Situationskomik und lustige Versprecher
Spontaneität bedeutet aber auch ein Agieren ohne Netz und doppelten Boden. So erinnert sie Steffi Haiber noch gut an die peinlichste Sportmoderation ihres Lebens. Es geschah während der Winterolympiade in Salt Lake City, als während der »Club«-Sendung sehr schnell über einen Biathlonwettbewerb berichtet werden sollte. „Als Einleitung sagte ich: ‚Im Wald bei Salt Lake City ist es ganz gefährlich, da sind die Leute mit Pfeil und Bogen unterwegs’. Die Reaktionen folgten natürlich auf dem Fuße und alle Lämpchen auf der Studio-Hotline glühten.“ Während einer Anmoderation zur Champignons League machte sie statt Bayern München Borussia Dortmund zur teilnehmenden Mannschaft. „Ich ahnte dann schon, dass etwas passiert war und meldete mich gleich mit ‚Irgendetwas scheint falsch zu sein. Habe ich Borussia Dortmund gesagt?’ - Der Anrufer antwortete gleich wie aus der Pistole geschossen ‚Ja, aber nur zwölf Mal.’ Sowas gehört dazu. Wie heißt es so schön: No risk, no fun.“
Glückliche Schiene am Vormittag
Neben der Nachtsendung moderierte Steffi Haiber auch mitunter die
Musiksendung »Intensiv« zwischen 22.00 Uhr und Mitternacht sowie
„als Aushilfskellnerin“ das frühmorgendliche »Up«, ehe sie wieder in
den geliebten Vormittag zurückkehren konnte. „Für mich als allein
erziehende Mama ist das zeitlich eine glückliche Schiene. Ich kann
zwischen dem wortgewaltigen Morgen und dem Mittag viel Musik
spielen, darf aber auch über ein Tagesthema mit den Leuten reden.“
Darüber hinaus ist Steffi auch in der ein oder anderen Sendung am
Wochenende zu hören, macht Reportagen für das SWR 3-Programm, wurde
als weibliche Stationvoice eingesetzt und ist in ihren
moderationsfreien Wochen in der Musikredaktion tätig. Für den
Vormittag greift sie auf einen Themenpool zurück, der Anfang der
Woche für die Durchplanung derselben verwendet wird. Der jeweilige
Redakteur ist gleichzeitig Producer der Sendung, mit dem sich Steffi
dann auch aus dem Studio heraus verständigen muss, wenn sie etwa
bestimmte Elemente verändern oder aus dem Sendeplan rausschmeißen
will. Während die Musik läuft fischt sie nach den Erlebnissen der
Anrufer. „Ich fühle mich als Angler, ziehe die Geschichten der Leute
an Land, die ich nicht in der Warteschleife hängen lassen kann. Die
Kunst ist es dann, am Peak rauszugehen - nicht zu früh, um eine
Pointe zu verschenken und nicht zu spät, wo es langweilig wird.“
Der Umgang mit den Hörern macht Steffi Haiber unglaublich Spaß.
„Jeder ist für irgendetwas ein Freak, ich bin halt ein
Menschenfreak.“ Besonders gut kann sie mit Kindern umgehen, die für
viele Moderatoren als ein rotes Tuch gelten, da sie nicht steuerbar
sind. „Meine Tochter hat mich weicher gemacht, ich bin auch für die
Kleinen viel zugänglicher geworden“, sagt Steffi.
Nicht immer läuft alles nach Plan. Es kommt auch schon mal vor, dass
während des Showopeners das eigentlich geplante Thema der Sendung
umgeschmissen wird. „Wir hatten mal im Verkehrsfunk einen Megastau
bei Stuttgart, den wir dann zum Beispiel ganz spontan aufgegriffen
haben. Die Stausteher bekamen bei SWR3 Musikwünsche erfüllt und
eine Hörerin, die als Au Pair dringend ihren Flieger bekommen
musste, berichtete am Telefon, wie sie mit ihrem Koffer entlang der
Autobahn lief.“ Dass sie mitunter auch mal etwas vom eigentlichen
Thema abschweift, gibt die wortgewaltige Steffi unumwunden zu. „Wenn
ich einmal los galoppiere, muss man mich wieder mit
dem Lasso
einfangen.“
Hohe Identifikation mit dem Sender
Alles, was Steffi Haiber bei SWR3 macht, tut sie mit einem hohen
Anspruch an sich selbst und im Bewusstsein, dass sie mit ihrer
Arbeit Teil des gesamten Senders ist. Das gilt für ihre Arbeit in
der Musikredaktion, wo sie nicht in der Planung eingesetzt ist
sondern musikjournalistische Beiträge macht, die sie in Abstimmung
mit dem jeweiligen Musikredakteur produziert. „Ich bin eine
Perfektionistin im Beitragsbau und erst dann zufrieden, wenn alles
stimmt - von der Struktur des Beitrags bis zum Satzbau.“
Hohe Identifikation mit dem eigenen Sender bedeutet auch, zum Teil
deutlich länger zu bleiben, als das erforderlich ist. Während einer
»Intensiv«-Sendung 2008 gab es eine schwere Unwetterwarnung für den
Zollern-Alb-Kreis, die Bewohner sollten die oberen Stockwerke ihrer
Häuser aufsuchen und man musste mit dem Schlimmsten rechnen. Sofort
schmiss Steffi Haiber die Musiksendung um, blieb auch die ganze
Nacht im Sender, um die aktuellen Informationen für das Programm
aufzubereiten und ging erst morgens um halb Sechs nach Hause, als
der nächste Redakteur kam. Überhaupt beherzigte Steffi immer, dass
eine reine Musikmoderation gerade nachts sterbenslangweilig ist.
Auch an ganz normalen Tagen stellte sie eine These auf, die Anrufer
zum Widerspruch reizt, um Dynamik in die Sendung zu bekommen. „Wie
jemand, der 100 Mal vom Turm gesprungen ist und weiß, dass da unten
Wasser ist, ist mir klar, welches Thema trägt.“
Immer nah bei den Hörern
Mittlerweile hat das Wetter umgeschlagen, der Himmel ist grau geworden und es schüttet aus Kannen. Die Kellner haben längst gewechselt. Wir sitzen noch immer trocken unter den Sonnenschirmen vor der „Trinkhalle“ und Steffi kommt nochmal auf ein lustiges Erlebnis zu sprechen. In einer »CLUB-Dancenight« hatte sie einen Hörer auf dem Sender, der Hochzeitsgrüße übermitteln wollte. „Während mir die Namen des Anrufers, des Trauzeugen und desjenigen, der geheiratet hat, durch den Kopf gingen, dachte ich, die kennst du doch. Ich war auch so unvorsichtig, das mitzuteilen. Der Anrufer antwortete prompt: ‚Wir waren zusammen in der 5. Klasse und ich war in dich verliebt.’ Dazu muss man wissen, dass ich nur dieses eine Schuljahr auf dieser Schule war. Also blieb mir nur die Flucht nach vorn und ich sagte dann: ‚Das ist ja der Albtraum für jeden Radiomoderator, es ruft jemand aus der Vergangenheit an und erzählt irgendwelche schlimmen Sachen. Aber du bist doch sicher Gentleman und schweigst. Ich möchte noch erwähnen, es war in der 5. Klasse und alles platonisch.’ Hinterher haben wir uns noch per Mail ausgetauscht.“
Überhaupt, die Höreranfragen. Steffi beantwortet sie alle, wenn
nicht in der Sendung, dann hinterher. Telefonanrufe schneidet sie im
off-air-recording mit, um sie dann pointengerecht aufbereitet
verwenden zu können. „Ich arbeite aber auch gern mit Mails. Die
werden dann vorgelesen, was aufgrund des kurzen, prägnanten Stils
oft sehr unterhaltsam ist“, bekennt Steffi Haiber. Sie hält auch
nichts davon, bestimmte Reaktionen zu bevorraten und später zu
verwenden. „Die Eichhörnchenmentalität ist nicht meine. Was
reinkommt, muss auch gleich wieder rausgehen. Das Radio lebt nun mal
von Schnelligkeit und Aktualität.“
Über die Jahre hat Steffi festgestellt, dass viele Anrufe auch eine
soziale Funktion erfüllen, die man nicht unterschätzen sollte.
„Durch die heutige Zeit sind die Leute zu einsam oder oft zu lange
alleine unterwegs. Der Mensch ist eigentlich ein Herdentier und
braucht jemanden um sich herum. Daher sind Themen immer gut, die
Menschen zusammenbringen.“
Lieb gewonnene Kollegen
Schöne Erinnerungen an Off-Air-Moderationen, etwa 2002 beim New Pop
Festival oder bei Halloween-Partys und Partynächten, hat Steffi
viele. „Jeder Ort ist anders, überall ist auch das Publikum
individuell. Man kann keine Reaktion vorwegnehmen. Draußen sein ist
etwas ganz anderes als im Radiostudio zu moderieren. Endlich Hörer,
die man auch sehen und anfassen kann. Völlig unmöglich, sich vorher
einen Plan zu machen. Deswegen einfach: Rauf auf die Bühne, rein in
die Menge und das Partytier rauslassen. Und immer wieder fasziniert
sein von der Tatsache, dass die einen besonders gut tanzen, die
anderen wiederum besonders gut mitgröhlen können.“
In lebhafter Erinnerung ist Steffi Haiber auch die „Arena of Sound“
geblieben, die sie vor 80.000 Leuten in Stuttgart gemeinsam mit
Matthias Holtmann präsentierte. Überhaupt, die Kollegen. Von ihnen
hat sie viel gelernt und sie will gern Moderatorin im Sinne von
moderat sein. Bei ihr gibt es auch keine negative Musikkritik, die
bestimmte Gruppen oder Songs herunterputzt. Sie würde das als
Entwertung des Programms empfinden.
Gern macht Steffi, die mit ihrem vielfältigen Dialektportfolio dafür
bestens geeignet ist, auch Comedy jedweder Art. „Das hat schon bei
Radio Regenbogen begonnen, wo ich eigene Texte schrieb und
verschiedene Rollen sprach. Bei SWR3 kann ich das in vielfältiger
Art und Weise fortsetzen.“
Da Steffi nie selbstzufrieden ist, hinterfragt sie ihre Arbeit jeden
Tag auf’s Neue. Sie freut sich über das Lob eines
Moderationskollegen „Haiber, du hast es“ und ist Lars Michael Storm
dankbar, der „an mich von Anfang an geglaubt hat“. Von Steffi
Tücking hat sie ebenso viel gelernt wie von Kai Karsten oder Zeus
und Wirbitzky. Die beiden sind übrigens längst aufgebrochen, als wir
merken, wie schnell die Zeit vergangen ist. „Sag mal, wird es schon
dunkel?“ fragt Steffi ganz ungläubig. Und der Blick auf die Uhr
bestätigt, es ist kurz vor 20.00 Uhr.
Geschlagene fünf Stunden haben wir geplaudert und keine Minute davon
war langweilig. Der Gesprächsfaden riss auch nicht ab.
Das zeigt,
dass Steffi Haiber privat genauso ist wie im Radio: Kommunikativ und
spontan, vertrauensvoll und bodenständig, direkt und auf den Punkt
schlagfertig. Ihre größte Begabung
sieht sie ja im Umgang mit
Menschen. Dem kann man nicht widersprechen.
Stefan Förster
Aus RADIOJournal 1/2010