Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern
»Die Klappe können die anderen halten!«
Jule Knebel moderiert bei 89.0 RTL
Jüngst ging es bei einer Podiumsdiskussion der Sächsischen Landesmedienanstalt um die Frage, wie junge Zielgruppen (wieder) für das Radio gewonnen werden können und was es dazu braucht. Eine Antwort wohnt in Leipzig nur ein paar Straßen von der SLM entfernt. Juliane „Jule“ Knebel moderiert bei 89.0 RTL in Halle, wo sie mittlerweile zu einer echten Personality am Nachmittag geworden ist. Dass dies mit kontinuierlicher Arbeit zu tun hat, ist ihr bewusst. „Letztendlich ist es mit einer Radiopersonality wie mit einem Bild: Oftmals sagt man, hey, ist ja ganz nett, aber ich würde es mir nicht in die Wohnung hängen. Um sich ein eigenes Profil aufzubauen, braucht man also eine ganze Menge mehr.“
Juliane Knebel, on und off air nur Jule genannt, sieht durchaus die Schwierigkeiten für junge Leute, die selbst Radio machen wollen. „Wer dorthin will, sollte für seinen Traum kämpfen. Es kann dann klappen, wenn man den richtigen Ehrgeiz hat und weiß, wofür man es tut.“
Ihre Radioerinnerungen fangen mit MDR LIFE an. Jule liebte vor allem Peggy Patzschke und war schon als Kind von den Menschen beim Radio fasziniert. Gemeinsam mit ihrem Papa besuchte sie die »Roadshow«. Dass sie später selbst mal moderierend auf so einer Bühne stehen würde, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar. Überhaupt kann man ja so ein Talent auch schwer fördern. „Wenn jemand Sport treibt oder gut Reiten kann, findet man immer Möglichkeiten der Unterstützung. Was ist aber mit denen, die nur den ganzen Tag quatschen möchten?“, fragt sich Jule die schon mit zehn Jahren zum Radio wollte. Heute fühlt sie sich daher auch ganz angekommen. „Ich liebe den Sender und das Produkt und das ist hoffentlich auch zu hören. Wenn ich von Leipzig nach Halle fahre denke ich oft, krass, du hast deine eigene Sendung und bin jeden Tag glücklich, dass es so gekommen ist. Das hilft aber auch, auf dem Teppich zu bleiben, denn ich sehe das keinesfalls als selbstverständlich an.“
Um junge Hörer stärker ans Radio zu binden, braucht es auch mehr Personalities, die authentisch und originell ihre Show präsentieren, findet Jule Knebel. „Es gibt zu viele Radiogötter, die denken, sie haben das Medium erfunden. Im Vergleich zum Fernsehen gibt es im Radio zu wenige Persönlichkeiten. Vieles klingt oft abgedroschen und floskelhaft. Wichtig ist auch, dass man nicht weiterkommt, wenn man jemanden kopiert. Und wer nicht jeden Tag selbstkritisch an sich arbeitet, ist fehl am Platz. Wenn ich heute Airchecks von vor vier Jahren höre, denke ich, oh Gott, was war das denn.“ Im Kopf hat Jule dabei immer die passende Maxime ihres Programmdirektors Tim Grunert, der ihr sagte „deine Sendung hört jede Minute auf und fängt jede Minute an“. Dazu gehört auch, menschlich zu sein, den Hörern zum Beispiel zu erklären, warum man gerade im Studio herzlich lacht.
Den Weg zum Radio ging Jule Knebel zunächst über Umwege. Nach dem Abschluss der Realschule absolvierte sie eine Ausbildung als Kosmetikerin. Fasziniert war Jule zugleich vom Theater und der bunten Vielfalt der dortigen Kostüme. In diesen Bereich sollte es sie dann aber doch nicht verschlagen.
Zusammen mit einem Freund machte sie Internetradio, ehe sie sich bei ENERGY Sachsen für ein achtwöchiges Praktikum bewarb. Aus den acht Wochen wurde schnell ein Jahr, wo die damals 19-Jährige vor allem redaktionell arbeitete. Da Jule gern moderieren wollte, machte sie im Anschluss eine Probewoche bei 89.0 RTL und konnte sofort dort bleiben. Zuerst war sie nachts und am Wochenende zu hören und im September 2006 gab ihr 89.0 RTL die Chance, den Nachmittag zu übernehmen. Hier bleibt sie nun ihrer Devise treu, dass jeder auf seine Art unverwechselbar und authentisch sein muss. Jule ist eben frech und flippig, aber zugleich bereit, die Hörer an Erlebnissen aus ihrem Leben teilhaben zu lassen. „Es gibt so viele ungeschliffene Diamanten, deren Potenzial man erkennen und denen man die Chance, sich zu entwickeln, geben muss“, sagt Jule und hat dabei ihren jetzigen Volontär im Blick, den sie zum Radio holte. „Er war ein Hörer von mir, hat eine gute Stimme und will nur eins, nämlich Radio machen. Jetzt ist er hier, castet Leute und produziert Sachen für mich.“
Gute Vorbereitung ist für Jule Knebel überhaupt das A und O. „Ich könnte nie eine Stunde vor der Sendung im Funkhaus sein, ich bin mindestens drei Stunden früher da, um auch noch auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können.“ Sie liebt es, Geschichten im Radio zu hören und erzählt sie selbst gern, „weil man da seine menschliche Seite zeigen kann“. Sehr wichtig ist Jule in diesem Zusammenhang auch der enge Kontakt mit ihren Hörern, deren eMails sie nicht nur gewissenhaft beantwortet sondern auch regelmäßig archiviert. „Ich drucke mir viele Mails aus, die besonders schön sind und archiviere sie zu Hause in einem Ordner.“ Sie ist immer wieder überrascht, wie viele Hörer fasziniert sind, wenn sie von der Moderatorin zurückgerufen werden. „Ich finde es wirklich total niedlich, was man so erlebt, es sind viele schöne Geschichten dabei.“
Ein wichtiger Punkt in ihrem Leben ist für Jule ihr persönliches Umfeld. „Meine Freunde kennen mich, wissen wie ich ticke und sie mögen mich auch nicht deshalb, weil ich beim Radio bin. Auch meine Familie hat mich immer unterstützt, mein Bruder liebt mich als Schwester, nicht als Moderatorin.“ Bei Interviews mit Stars setzt Jule Knebel auf ihren ganz eigenen Stil. „Bei mir gibt es keine Standardfragen à la‚ wann kommt eure nächste Platte raus sondern es muss immer etwas Außergewöhnliches passieren.“ Bei einem Interview mit Revolverheld tanzten sie gemeinsam zu einem live gespielten Gitarrenstück im Studio und unterhielten sich dabei. Henning von den H-Blockx erzählte, dass er gern nackt im Regen tanzt und Monroes sind mittlerweile schon gute alte Bekannte, die mit einem Eis ins Studio kamen und Jule herzlich begrüßten. „Im Praktikum bei Energy hatte ich mal ein Interview mit Helge Schneider, das total lustig war und ihm offenbar auch gefallen hat. Die Stars wollen nicht genervt werden sondern freuen sich über originelle Fragen, die sie nicht jeden Tag beantworten müssen“, hat Jule Knebel festgestellt.
Die größte Panne ihres Lebens hatte sie bei einem Interview mit Sarah Connor, wo sie ganz klassisch vergaß, die Aufnahmetaste zu drücken. „Als sie das merkte, ging Sarah zu ihrem Manager, der schon zum Aufbruch drängelte und sagte, dass sie noch zehn Minuten braucht“, erinnert sich Jule an die sehr nette Reaktion. Überhaupt hat sie einen gesunden Abstand zu jedem Promitrubel beibehalten. „Nur weil jemand 18 Backstage-Pässe um den Hals hängen hat, ist er doch deshalb noch lange nicht cool.“
Respekt hat Jule auch, wenn sie vor 70.000 Leuten auf der Bühne steht, wie sie es selbst schon bei „Stars for free“ in Magdeburg erlebte. „Das riesige Meer an 89.0 RTL-Hörern hat mich einfach überwältigt und ich war absolut ergriffen.“ Ihre Moderationen sind meist spontan, von vorformulierten Sätzen hält Jule nicht viel. „Das klingt dann so wie wenn man ein Gedicht vorliest. Eine Radiosendung lebt aber davon, dass erzählt wird, was man erlebt hat und auch sein eigenes Leben einbezieht. Wenn ich sage, mit 14 war ich so bescheuert und fand die Backstreet Boys gut, ist das eine Erfahrung, die viele in meinem Alter teilen.“
Stefan Förster
Aus RADIOJournal 3/2008