Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern
Foto: © Energy Sachsen
Knallwach am Morgen - Friederike „Freddy“ Lippold blickt auf neun Jahre Morningshow zurück
Über eine lange Zeit war das Aufstehen bei ENERGY Sachsen mit
einer markanten Stimme verbunden: Seit 2000 schmiss Friederike
Lippold alias Freddy zwischen 6.00 und 10.00 Uhr die jungen Sachsen
aus den Federn. Sie ist laut, frech, authentisch und nicht auf den
Mund gefallen. Vor allem aber war Freddy eine der ganz wenigen
Frauen, die in einer Morningshow als Anchor die Hauptrolle spielen
und nicht nur als lachende Kulisse im Hintergrund stehen. Im Sommer
2009 gab Freddy nun die Morningshow ab, weil sie Ende des Jahres ihr
erstes Kind erwartet. Grund genug also, die vergangenen neun Jahre
noch einmal Revue passieren zu lassen.
Musikmitschnitte bei NDR 2
Prägende Erinnerungen ans Radio hat Friederike Lippold schon aus
ihrer Kinder- und Jugendzeit. Aufgewachsen in Bad Düben, konnte sie
dank einer hohen Antenne auf dem Haus ihrer Eltern dort sowohl
Bayern 3 als auch NDR 2 hören. Die Stereoanlage im Wohnzimmer war
ihr wichtiger als der daneben stehende Fernseher, schließlich lief
jeden Samstag von 18.00 bis 20.00 Uhr die »Internationale Hitparade«
aus Hamburg mit dem legendären Wolf-Dieter Stubel. Friederikes
Begeisterung für die Sendung, die zum Mitschneiden der Titel führte,
stieß aber nicht in der ganzen Familie auf ungeteilte Freude. „Mein
Papa hasste es, wenn die ganze Zeit diese Affenmusik aufgenommen
wurde“, lacht sie rückblickend. „Das aber auch nur, weil er eben
Fußball schauen wollte. Ansonsten ist er sehr musikaffin, hat früher
im Dresdner Kreuzchor gesunden und Mama, meine Schwester Henriette
und mich mehrfach zum Dixieland-Festival nach Dresden mitgenommen.“
Dann
startete der Privatfunk im Osten und in Sachsen-Anhalt wurde radio
SAW schnell das erfolgreichste Radioprogramm. Friederike gefiel das
Programm, besonders das Comedy-Duo »Baumann und Clausen« hatte es
ihr angetan. Mit Freunden fuhr sie im Sommer oft zu Radiopartys im
Dübener Land. Dass Rike, wie sie Familie und Freunde nennen, später
selbst mal als Moderatorin auf vielen Bühnen stehen sollte, war zu
dieser Zeit noch ferne Zukunftsmusik. Ihrer Begeisterung für Musik
blieb sie aber in vielerlei Hinsicht treu. Songtexte aus der BRAVO
wurden fleißig ausgeschnitten und auswendig gelernt, »Ronnys
Popshow« war fester Bestandteil in der Flimmerkiste. Zum Abtanzen
ging es in Bad Düben ins „Galaxy“. Dass Friederike mal beim Radio
landet und für viele junge Hörer Kultstatus erlangt - auch das war
damals noch in weiter Ferne.
Musik in allen Facetten
Wenn man Friederikes stimmliche Fähigkeiten betrachtet, lag es aber
vielleicht näher als man denkt. „Elf Jahre lang habe ich im
Kirchenchor mitgesungen - von der Johannes-Passion bis zu
Schubert-Messen war alles dabei“, erinnert sie sich. Um ihren
Bewegungsdrang zu bändigen, schickten ihre Eltern sie auch zum
Jazzdance. „Über sieben Jahre ging meine Jazztanzausbildung und ich
hab’ sogar eine Prüfung in Theorie und Praxis gemacht, die mich
berechtigt, Trainerin zu sein.“ Rikes persönlicher Musikgeschmack
ging in eine etwas andere Richtung. „Solange ich denken kann, bin
ich ein riesiger Fan von Depeche Mode. Es war schon immer mein
Bestreben, einmal Dave Gahan zu treffen und eines Tages war es dann
soweit.“ Doch als es im Jahr 2005 endlich klappte und der Frontmann
der Band vor ihr stand, war die Begegnung eher ernüchternd. „Wir
saßen für die Interviews an einem runden Tisch und von einer
Viertelstunde, die ursprünglich eingeplant war, blieben dann zum
Schluss aufgrund von Verzögerungen nur fünf Minuten über. Ich wollte
von Dave und mir unbedingt noch ein Foto haben, rannte ihm hinterher
und rief ‚just one second for one picture’. Irgendwann blieb er dann
auch stehen, aber das Bild wurde ein absoluter Schnellschuss, der
nicht besonders gelungen aussieht.“
Über Umwege zum Radio
Das Abitur absolvierte Friederike Lippold trotz einer Mathe-Fünf mit
einem passablen Notenschnitt von 1,6 und überlegte sich dann ihre
weitere Zukunft. „Nach der Schule wusste ich, dass ich nicht weit
weg wollte und ein Studium anfangen möchte, also habe ich die 35
Kilometer nach Leipzig geschafft. Journalistik dachte ich, klingt
interessant und die schriftliche Aufnahmeprüfung habe ich auch
bestanden.“ Mündlich klappte das leider nicht und man sagte „geh
noch mal auf die Weide“ zu ihr. Um zugelassen zu werden brauchte sie
ein Praktikum und so schickte Friederike ihre Bewerbung an Radio PSR
und ENERGY. Beim jungen Programm war die damals 19-Jährige genau
richtig - Praktikanten wurden immer gesucht.
Flexibel war sie ohnehin, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten,
verteilte Freddy Flyer, verkaufte Schmuck oder arbeitete auf Messen.
Als Praktikantin saß sie an der Hotline, machte den Service oder war
für Straßenumfragen unterwegs. Wie so oft führte der Weg ans
Mikrofon über einen Zufall. „Eines Tages waren alle krank und so
konnte ich die Veranstaltungstipps sprechen. Damit war der Einstieg
gemacht, dann kamen auch die Prominews hinzu und so entwickelte es
sich langsam weiter.“ Schließlich passierte ein großer Sprung nach
vorn. Die erste eigene Sendung sollte gleich die Morningshow sein.
Foto: © Energy Sachsen
Sprung ins kalte Wasser
Den Grundstein dafür legte der „Alte Ami“ Rik de Lisle, der damals
Berater bei ENERGY Sachsen war und Friederike Lippold als Frontfrau
für den Morgen auserkoren hatte. Er erfand auch den Namen „Freddy“.
An seine Worte erinnert sich Rike noch genau. „Du bist eine geile
Schlange und machst die Morningshow, aber Friederike klingt scheiße,
du heißt einfach Freddy.“
So war der heute voll und ganz etablierte Name geboren, an den sich
die frisch gebackene Morgenmoderatorin aber erst gewöhnen musste.
Viel Zeit zum Überlegen blieb nicht, nach einer Woche Trockenübung
ging es am 7. Juli 2000 unter dem Motto „Abends Party, morgens
Freddy“, begleitet von einer großen Werbekampagne und viel
Medienrummel, los. „Es war für mich echt ein Sprung ins kalte
Wasser. Ich hatte nicht gelernt, von CD zu fahren und gleich am
ersten Tag einen kompletten Systemzusammenbruch. Mein Co-Moderator
nahm meine schweißgebadeten Hände vom Pult und half mir, damit es
weiter ging.“ Die technische Routine stellte sich bald ein.
Schwerer fiel es Freddy lange Zeit, mit negativem Feedback
umzugehen. „Mir war am Anfang gar nicht klar, dass ich so
polarisieren würde. Eigentlich wollte ich von allen lieb gehabt
werden und everybodys darling sein. Daher war ich auch entsetzt,
dass mir einige Leute regelrechte Hassgefühle entgegen brachten und
mir auch solche Mails schickten. Wir sind damals mit lauten und
ekligen Aktionen gestartet und dieses Image klebt heute manchmal
noch dran. Aber die Zeit ist weiter gegangen und ich habe eine
gewaltige Entwicklung hinter mir“, blickt Friederike zurück.
Laut und schrill bringt Aufmerksamkeit
Schnell wurde »Knallwach mit Freddy« die aufmerksamkeitsstärkste
Frühsendung im sächsischen Radiomarkt. Die Aktion „Lebendig
begraben“, bei der zwei Leute unter Tage allein miteinander
auskommen mussten, erhitzte die Gemüter und war dank des
Medienpartners RTL schnell Stadtgespräch. „Viele Aktionen entstanden
aber auch spontan. Unsere Strategie war es, junges, freches,
quirliges Radio zu machen und uns mit diesem Konzept bewusst von den
anderen Programmen abzusetzen. Mir wurde immer gesagt ‚sei du, mach
was du denkst, trag’ dafür aber auch die volle Konsequenz und
Verantwortung’. Damit bin ich natürlich auch so manches Mal
angeeckt“, erinnert sich Freddy an Ärger, den sie gelegentlich
bekam. So machte sie ihre männlichen Hörer einmal auf Nacktfotos von
Sarah Connor aufmerksam und nannte dabei die Zeitung, wo sie
abgedruckt waren. Das wurde als Schleichwerbung beanstandet.
Als »Wetten, dass…« 2003 in Leipzig gastierte setzte Freddy einen
Geldgewinn für denjenigen aus der sich trauen würde, während der
Live-Sendung laut „Abends Party - morgens Freddy“ in den Saal zu
brüllen. Das rief schnell den ZDF-Intendanten auf den Plan, der eine
Unterlassungserklärung an ENERGY Sachsen schickte. Freddy musste
daraufhin zur Pressekonferenz von Thomas Gottschalk fahren, zu ihm
vorgehen und sich entschuldigen. „Außerdem habe ich versprochen,
dass wir das Geld, das wir ausgelobt hatten, seiner Stiftung zugute
kommen lassen. Das war damals deutschandweit in der Presse.“
Früh um halb Fünf klingelte der Wecker, dann düste Freddy ins
Studio. Mitunter auch mal mit Polizeibegleitung, wenn mit den
Beamten über die Auslegung einer roten Ampel diskutiert werden muss.
„Als sie mich dann erkannten und merkten, dass ich wirklich in den
Sender will, drückten sie aber ein Auge zu“, lacht die quirlige
Moderatorin, die von 6.00 bis 10.00 Uhr im Studio stand, den Sender
aber selten vor 15.00 Uhr verließ. Spätestens gegen halb Elf
kletterte sie ins Bett, um wenigstens sechs Stunden Schlaf zu haben.
Offenbar reichte das aus, um morgens trotzdem frisch und wach zu
sein. Schließlich wurde Friederike 2007 mit dem Mitteldeutschen
Hörfunkpreis für die beste Moderation ausgezeichnet. „Das wurde auch
Zeit, ich habe in zehn Radio noch nie einen Preis gewonnen“, rief
sie bei ihrer kurzen Dankesrede erfreut dem Publikum entgegen.
Eventmoderation und Off-Air-Aktivitäten
Als Aushängeschild des Senders war es für Freddy mit dem Moderieren
im Studio nicht getan. Gerade im Sommer drängelten sich viele
Off-Air-Aktivitäten, darüber hinaus wollten Pressekonferenzen
besucht und Interviews mit den Stars gemacht werden. „Fast jedes
zweite Wochenende, im Sommer jedes, stand ich irgendwo auf der Bühne
oder machte mit meinen Hörern Party. Dieses direkte Feedback war mir
sehr wichtig. Ich dachte mir dann immer, aha, für diese Leute machst
du Programm, für die stehst du früh auf. Besonders schön ist es,
wenn man dann von ihnen angesprochen wird. Dabei merkt man aber
auch, dass man bei jedem Satz, den man sagt, eine
Wahnsinns-Verantwortung hat.“
Friederike Lippold kommt zugute, dass sie sich selbst auf die
Schippe nehmen kann. Vor ihrem Wortwitz ist auch ihre Mutter nicht
sicher. „Als sie mal anrief, um sich darüber zu beschweren, was ich
wieder gesagt hätte, habe ich sie mitgeschnitten und hinterher
gesendet. Ich finde ohnehin, wenn meine Eltern anfangen, das
Programm gut zu finden, sende ich für die falsche Zielgruppe.“
An ihr erstes Interview mit Xavier Naidoo kann sich Freddy noch gut
erinnern, weil sie vergaß die Aufnahmetaste zu drücken. Damit war
das Gespräch im Eimer. „Happy war ich, die Toten Hosen interviewen
zu können. Als ich sie dann in Riesa auf der Bühne mal anmoderieren
durfte, hatte ich erst etwas Bammel, weil das Publikum ja ein sehr
spezielles ist. Als ich runter ging, meinte Campino aber zu mir ‚eh
Kleene, du bist echt cool’ und das war dann schon ein Ritterschlag!“
Skurril war ein Interview mit Rihanna, die bei jeder Antwort erst
ihre Managerin fragte, ob sie das denn auch so sagen dürfe.
Ein besonders herzliches Verhältnis verbindet Friederike mit Tobias
Künzel von den Prinzen, mit dem sie seit Jahren befreundet ist.
Gemeinsam nahmen beide den »Knallwach«-Song zur Sendung auf. „Er hat
mir die Scheu vor dem Kontakt mit Prominenten genommen“, erinnert
sich Freddy, die früher im Ferienlager schon »Gabi und Klaus« hörte
und überrascht war, wie gut sie sich gleich verstanden. Überhaupt
ist Friederike Lippold ein kommunikativer Typ, was sich auch auf
ihrer liebevoll gestalteten Internetseite erkennen lässt. Viele
Fotos, ein Tagebuch und Rückblicke auf Reisen und Erlebnisse lassen
einen sehr persönlichen Blick auf sie zu. Trotz all der zeitlichen
Beanspruchung studierte Freddy in den letzten Jahren nebenbei an der
Akademie für Marketing und Kommunikation in Leipzig. Die jetzige
Diplom-Kommunikationswirtin hatte zum Abschluss auch gleich ein
passendes Thema, bei dem ihr die Arbeit gerade recht kam. Sie
schrieb über die „Bedeutung und Notwendigkeit eines
Unternehmensleitbildes am Beispiel von ENERGY Sachsen“. Jetzt hat
die kleine Familie erstmal Priorität. Aber Friederike Lippold
verspricht, zum Radio zurückzukommen.
Stefan Förster
Aus RADIOJournal 11-12/2009