Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern
Foto: © Stefan Förster
»Ich will die Hörer nicht
nur beschallen sondern sie interaktiv einbinden«
Dieter Exter
moderiert den Abend
bei SR 1 Europawelle
Gerade in Saarbrücken angekommen, die Tasche abgestellt - und schon stiefele ich auf den Halberg, Deutschlands wohl schönstem Funkhausstandort. Hier ist - hoch oben über Saarbrücken - der Saarländische Rundfunk zu Hause und mit ihm sein bekanntestes Programm: SR 1 Europawelle. An jenem Sonntag treffe ich im fast menschenleeren Hörfunkgebäude Dieter Exter. Er ist dienstältester Moderator bei SR1 und man merkt ihm auch nach vielen Jahren beim Radio noch an, dass dieses Medium für ihn nichts an seiner Faszination eingebüßt hat. Die abendliche Sendung hat er gerade vorbereitet, jetzt hat Dieter Exter Zeit, über seine spannenden und aufregenden Radiojahre zu plaudern.
Reinke und Koschwitz als Vorbilder
„Ich will meine Hörer unterhalten, sie aber auch nicht doof sterben lassen“ erklärt Dieter Exter gleich zu Anfang seine Philosophie vom Radiomachen und die Grundidee seiner abendlichen Sendung bei SR 1 Europawelle. Die Mischung aus aktuellen Informationen und bunten Meldungen soll die Menschen jeden Tag auf’s Neue ans Radio fesseln. Dass der SR mit seinem ersten Programm vom Anspruch her wieder genau diese Richtung vertritt, freut Dieter Exter sehr. Er, der 35 Kilometer nördlich von Kassel aufwuchs, entdeckte die Leidenschaft für das Medium durch den Hessischen Rundfunk. „Werner Reinke war immer eines meiner großen Radiovorbilder, mit ihm bin ich groß geworden. Auch Thomas Koschwitz fand ich richtig klasse.“
Keine Berührungsängste hatte Dieter auch mit dem DDR-Rundfunk. Bei dessen Jugendradio DT 64 gefiel ihm die breite Berichterstattung über viele (nicht nur) dort bekannte Gruppen wie die Puhdys. „Die hatten oftmals eine breite musikalische Ausbildung und waren nicht einfach nur irgendwelche Beatbands, die ihren Text runtergenuschelt haben.“
Doch Dieter Exters beruflicher Weg führte ihn zunächst weg vom Radio. Nach der Schule ging er für vier Jahre zum Bundesgrenzschutz, ehe sich eine zweijährige Ausbildung in einer Sprachenschule anschloss. Danach arbeitete Dieter als Exportkaufmann. Trotzdem übte er schon früh sein Unterhaltungstalent. Mit vierzehn machte er am Samstagnachmittag im Keller der Kirche Disco, später - mit Anfang zwanzig - konnte er jeweils zwei Wochen bei WDR 2 und hr3 arbeiten. In Köln vertrat er Roger Hunt, in Frankfurt moderierte Dieter Exter vertretungsweise die »Mittagsdiskotheque«.
Umzug ins Saarland
Danach folgte eine Urlaubsvertretung auf dem Halberg und die Frage, ob er nicht öfter mal am Wochenende zum Moderieren vorbeikommen wolle. Dieter Exter zögerte nicht lange, ergriff die Chance und zog mit Frau und Hund von Nordhessen in das ihm bis dahin unbekannte Saarland. Solche spontanen Möglichkeiten, die in etwas Dauerhaftes münden, sind heute eher selten. „Jetzt ist die Fluktuation höher: Man kann zwar schnell mal reinkommen, ist dann aber ebenso schnell wieder weg.“
SR 1 Europawelle war damals auch ein überregional bekanntes Programm, in dem Dieter Exter schnell die Moderation bekannter Formate übernahm. Vor allem die »Hitparade«, die zuvor schon von Dieter Thomas Heck, Jan Hofer und Wolfgang Hellmann präsentiert wurde, war bald sein Aushängeschild. „Wolfgang Hellmann, an dem ich mich wie an anderen Vorbildern im Haus orientiert habe, sagte überraschend, Dieter, wenn du kommst, machst du gleich die Hitparade.“
Gedacht hat Exter dabei immer an die vielen Hörer in der DDR, die neben Radio Luxemburg auch gern SR 1 Europawelle hörten und mit beliebten Stimmen wie Manfred Sexauer groß geworden sind. „Es gibt heute noch Leute, die im Saarland sind und zum Beispiel aus Magdeburg kommen. Die bestätigen mir immer wieder, wie wichtig die Europawelle-Sendungen damals für sie waren.“
Die gespielten Musiktitel waren für den Moderator heilig, erinnert sich Dieter Exter. „Als erstes habe ich gelernt, nicht in Hitparadentitel reinzuquatschen, damit sie aufgenommen werden können. Die Spannung bei der Platzierung, die zum Greifen war, musste moderativ entsprechend übertragen werden.“ So lauschten donnerstags von 18.00 bis 20.00 Uhr Generationen von Hörern den beliebtesten Titeln auf SR 1 Europawelle Saar. Das Grundkonzept blieb dabei immer gleich. „Sendertechnisch hat sich im Laufe der Zeit zwar einiges verändert, der Ablauf, die Dramaturgie sind aber immer gleich geblieben.“
Später lernte Dieter das Einpacken von Titeln, auch Unterlegmusik wurde bei der Europawelle früh ausprobiert. Im Tagesprogramm hatte er im Laufe der Jahre alle Schienen durch. Zehn Jahre moderierte Dieter Exter die Frühsendung, ein paar Jahre das Magazinformat am Vormittag, später auch Sendungen am Nachmittag. Auch Specials am Abend waren sein Metier, so eine zweistündige Soulsendung. „Es kam des Öfteren vor, dass ich am Nachmittag vier Stunden moderierte, eine Stunde Pause hatte und danach am Abend zwei Stunden eine Musiksendung machen konnte.“ Am Morgen schätzte Dieter sehr viel Freiheit bei seiner Moderation. „Ich konnte mir das aussuchen, was ich sage, auch wann und wo. Trotzdem war es kein Wort- sondern eher ein Musikprogramm.“ Bis heute ist Dieter Exter als freier, fester Mitarbeiter dabei. Das zieht er auch jeder Festanstellung vor. „Ich bin nicht der Typ, der eine Stechuhr braucht in seinem Leben!“
Schöne Erinnerungen und bewegende Momente
Als Highlight behielt Dieter Exter den Besuch der Kölner Band „Brings“ in Erinnerung, die auf Tournee ins Saarland kamen. „Ich habe sie vom Ankommen begleitet, war beim Catering und dem Einsingen unter der Dusche mit dabei, es gab Gigs am Mikro - eine rundum gelungene Sache. Beim Abmischen hab’ ich mir gesagt, so muss es sein!“
Die Studiogäste, an die er sich besonders gern erinnert, hat Dieter Exter schon Mitte der achtziger Jahre vor dem Mikro gehabt. Leute wie Grönemeyer, Westernhagen oder Heinz-Rudolf Kunze singen bekanntlich heute immer noch. Ansonsten hat Dieter verschiedene Erfahrungen gemacht. „Es gibt liebe und nicht so liebe Gäste. Dabei kommt es immer auf den Manager an. Wenn der vom Moderator begeistert ist, lässt er dich gewähren. Manche meinen aber auch, sie hätten den vollen Zugriff auf den Ablauf der Sendung.“
Grundsätzlich macht Dieter Exter seine Interviews lieber live, nur bei „Jungspunten“ zeichnet er im Interesse eines routinierten Gesprächs auf. Die deutschen Pop- und Rockstars hat Dieter im Laufe der Jahre alle im Studio gehabt, auch aktuelle Künstler wie Stefan Gwildis geben ihr Stelldichein. Da Engländer und Amerikaner in der Regel nicht zum Saarländischen Rundfunk kommen, sind ihm Besucher wie Cliff Richard oder Robbie Williams daher umso mehr in Erinnerung. Letzterer war mal in seinen musikalischen Anfangsjahren auf dem Halberg, als er von einer ihm in Köln zur Verfügung gestellten Wohnung die Sender in Deutschland abklapperte.
Als prägendes negatives Erlebnis ist Dieter Exter - wie so vielen Kollegen, die an diesem Tag moderierten - der 11. September 2001 in Erinnerung. „Ich hatte um 14.00 Uhr gerade Sendung und ein Interview mit Claus Theo Gärtner, dem ‚Matula’ aus der Sendung ‚Ein Fall für zwei’. Das Vorgespräch war schon vorbei, wir hatten gerade das Interview geteased, als ich die Flugzeuge nacheinander in die Hochhäuser in New York fliegen sah. Wir haben das Interview noch durchgezogen, aber danach drei Stunden nichts weiter gemacht, als mit den Infokollegen über das Ereignis gesprochen.“
Exters Musikwelt am Abend
Seit Anfang 2007 hat Dieter Exter wieder seinen festen Sendeplatz am Abend, bei dem sein guter Name zum Markenzeichen wurde. Sonntags bis donnerstags von 18.04 bis 22.00 Uhr wird in »Exters Musikwelt« wieder genau das geboten, was für Dieter Exter den Reiz des Radios ausmacht. „Es ist ein interaktiver Abend, bei dem wir die Hörer nicht nur beschallen sondern sie auch mitnehmen ins Radio. Quizsachen und Spielereien sind dabei genauso zu hören wie Infos über die Charts oder neue und bekannte Künstler und ihre Musik.“
Die Hitparade, die sich heute »SR 1 Hörercharts« nennt, ist noch immer am Donnerstag zwischen 18.00 und 20.00 Uhr zu hören, ansonsten steht jede Sendestunde unter einem bestimmten Motto. Die Reihenfolge wird täglich gewechselt, damit den Hörern Überraschungsmomente erhalten bleiben. Besondere Highlights sind die Specials donnerstags zwischen 21.00 und 22.00 Uhr, wo greatest hits aus einer Musikrichtung, zum Beispiel Rock’n Roll oder Classic Rock, gespielt werden oder »Exters Musikwelt von A-Z«, wo am Sonntagabend zur gleichen Zeit Bands ganz unterschiedlicher Richtungen dran kommen, die mit einem gemeinsamen Buchstaben beginnen. Bei „I“ also von Icehouse bis Chris Isaac. „Hier habe ich bei der Zusammenstellung freie Hand“, freut sich Dieter Exter, „je weiter weg vom Format, desto besser“. Die Hörerreaktionen sind sehr positiv, schließlich bekommen sie einen breiten Musikteppich gelegt, der von der üblichen Charts-Dudelei abweicht.
Bei Specials greift Dieter auch gelegentlich auf sein eigenes, umfangreiches Musikarchiv zurück, in dem so manche Rarität zu finden ist. Jeden Abend gibt es auch eine Wunschstunde, die Exter unter ein besonderes Motto stellt. Entweder können sich die Hörer Songs mit einem speziellen Buchstaben wünschen oder Titel, die aus zwei Wörtern bestehen. „Das ist eine Basis, mit der gespielt werden kann. Die Hörer wissen nie ganz genau, was sie erwartet und das ist eben auch der Reiz an der Sache.“
Dieter Exter ist seiner Sendung dabei immer gut vierzehn Tage voraus. Mit diesem Vorlauf entsteht am heimischen Schreibtisch das Konzept für den jeweiligen Sendetag. „Etwa 70 Prozent mache ich zu Hause. Hier kann ich auf mein Musikarchiv zurückgreifen oder auch in Ruhe die Interviews schneiden. Nur ganz aktuelle Sachen entstehen noch vor der Sendung im Funkhaus.“
Den Hörern geht es gar nicht um die großen Gewinne, das Mitmachen, eine im Radio fast vergessene Eigenschaft, wird dankbar angenommen. Wenn Dieter Exter im »Popquiz« Songs, die man auswendig mitsingen kann, plötzlich abschneidet und sich Anrufer finden müssen, die dort weiter singen oder den Text vervollständigen können, steht das Studiotelefon nicht still. Stimmt die Lösung, gewinnt man Musik-CDs, wenn nicht, darf ein neuer Tipper ran. Im »Wunschduell« werden zwei Hooks von möglichen Titeln gespielt, derjenige Hörer, dessen Titel gewinnt, darf ihn dann im Programm ansagen. Vier bunt gemischte Stunden am Abend also auf SR 1 Europawelle. „Die Leute werden bei mir mit dem was sie über Musik wissen gefordert und nehmen das gern an.“
Die Zusammenstellung des jeweiligen Abends wird genau registriert, wenn beispielsweise Stefan Gwildis im Interview dabei ist, wissen sie, dass auch vier, fünf Titel von seinem neuen Album zu hören sind. Dabei hat Dieter Exter festgestellt, dass die Menschen abends bewusster dabei sind, ja „auf den Nebensatz hören“. Seine Moderationen sind trotzdem - dafür ist er Profi genug - aus dem Bauch heraus, nur wo es um Feinheiten und Details, etwa bei der Musikgeschichte, geht, greift er auf ausformulierte Texte zurück.
Überhaupt ist Dieter Exter glücklich darüber, dass sich sein Sender wieder auf die alten Radiotugenden besinnt, die zeitgemäß umgesetzt werden. „Wir versuchen bei SR 1 in die Richtung zu gehen, mehr Inhalt, mehr Tiefe, weg vom Formatradio. Auch die Personalities stehen wieder weiter vorn. Der Mut der Programmverantwortlichen dabei ist beachtlich. Ich bin mit Blick auf die Zukunft überzeugt davon: Radio kann nur durch gute Moderatoren und Inhalte überleben.“
Stefan Förster
Aus RADIOJournal 10/2007