Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern
»Man muss sich selbst treu bleiben...«
Bert Lehwald - Berlins Radiostimme am Abend
Wer beim Berliner Rundfunk 91!4 täglich ab 18.00 Uhr einschaltet, kennt seine unverwechselbare Stimme. Bert Lehwald präsentiert Wohlfühlmusik aus den 60ern, 70ern, und 80ern mit kleinen Anekdoten und Geschichten. Er ist eines der Markenzeichen in Berlins vielfältiger Radiolandschaft und eines der Aushängeschilder beim Berliner Rundfunk 91!4.
Fasziniert von seinem Stiefvater, der
Regisseur, Kameramann und Berufsschullehrer gewesen ist, wollte Bert
Lehwald als Kind ins Schauspielfach wechseln. Die eigentliche
Berufsfindung kam nach der Schule durch ein Faible für Technik. Nach
einer dreijährigen Ausbildung zum Tontechniker bei der DDR-Post im
bekannten Backsteingebäude in Berlin-Grünau fing Bert 1981 in genau
dieser Funktion bei der Stimme der DDR und dem Auslandsrundfunk
Radio Berlin International (RBI) an. Er interessierte sich für das
Hörspiel und lernte bekannte Stimmen des DDR-Rundfunks wie Ulrich
Lipka kennen, der heute beim Deutschlandradio Kultur ist und damals
bei Stimme der DDR die beliebte Sendung »Wünsch dir doch mal
Tanzmusik« moderierte.
Nach anderthalb Jahren Armeezeit, die Bert Lehwald als Funker
verbrachte, hieß es, „der Berliner Rundfunk will dich gern auf Grund
deiner Stimme zum Sprecher ausbilden und ich sollte mich zu einem
entsprechenden Vorstellungsgespräch melden“, erinnert sich Bert, der
neben dem Schichtdienst als Techniker über drei Jahre
Sprecherziehung nahm und so langsam in seine neuen Aufgabenbereiche
hinüber rutschte.
Nachrichten bei DT64
1985 kündigte er bei der Deutschen Post und bekam einen Vertrag beim damals staatlichen und in der gesamten DDR zu hörenden Jugendradio DT 64. So war Bert Lehwald erster Nachrichtensprecher bei der Jugendwelle. Heute bekannte Kollegen waren damals ebenfalls dabei, so die jetzige Tagesschausprecherin Susanne Daubner, INFOradio-Sprecher Detlef Bruhns oder Antenne Brandenburg-Nachrichtensprecherin Karin Spinler, die in der Livephase damals Bert Lehwalds Mentorin war. Das Präsentieren und später auch Schreiben der Nachrichten reichte ihm aber nicht aus. Bert moderierte von Mitternacht bis drei Uhr regelmäßig die Sendung »Grauzone« und ab 1986 die DT 64-Kultsendung »Duett - Musik für den Rekorder«. Das war das einzige Programm, wo es möglich war, komplette Alben von West-Musikern mitzuschneiden und wo viele Titel gespielt worden sind, die sonst im DDR-Rundfunk tabu waren.
Mauerfall als DT64
Unvergessen in all den Nachrichtenjahren ist Bert Lehwald bis heute der 9. November 1989. Um 19 Uhr konnte er bei DT 64 den Mauerfall verkünden. „Es war ein unglaubliches Gefühl. Michael Häutemann (später bei Hundert,6 und dem FAZ Business Radio) rannte mit einer Flasche Sekt auf dem Flur entlang und ich musste mir erst mal klar machen, dass ich ein historisches Ereignis vermelden konnte. Sogar beim West-Berliner Jugendsender rias2 lief ein O-Ton meiner Nachrichten immer und immer wieder. Um 23.56 Uhr war Dienstschluss, ich rannte runter zum Fuhrpark um nach Hause in die Schlegelstraße in Mitte zu kommen. In West-Berlin traf ich dann den heutigen Fritz-Musikchef Frank Menzel auf dem Kudamm.“ Bis DT 64 vier Jahre später, 1993, nach Halle zog und zu MDR Sputnik umfirmierte, hatte Bert Lehwald eine kreative und schöne Radiozeit. „Wir konnten die DDR-Verlautbarungen im Radio schon lange nicht mehr ertragen und waren froh, dass sich das Programm nun auch sehr weit geöffnet hatte“, erinnert er sich.
Die Unzufriedenheit war vorher groß
gewesen. Viele Mitarbeiter hielten die Situation vor dem Mauerfall
nicht mehr aus, auch Bert Lehwald unterschrieb eine „Petition für
Presse- und Meinungsfreiheit“ in der DDR. Anfeindungen à la
„Lehwald, wir kriegen dich“ gehörten danach auch zu seinem
Arbeitsalltag. „Die Wende war wirklich ein irrer Befreiungsschlag
auch für DT 64. Fortan gaben sich Stars wie David Bowie im Studio
die Klinke in die Hand und wir haben ein kritisches Jugendradio als
Pendant zu rias2 geschaffen. Wir waren das Sprachrohr der Ostjugend
und es war wirklich die genialste Radiozeit überhaupt.“
Bekannte Berliner Moderatoren wie die Radio Eins-Stimmen Marion
Brasch und Andreas Ulrich oder Fabian Maier, der heute bei
Spreeradio zu hören ist, waren damals mit von der Partie. Auch die
Technomusik ist durch DT 64 und die „Mayday“-Sendungen mit Marusha
groß geworden. Bert Lehwald machte in dieser Zeit alles Mögliche,
las Nachrichten, machte die Nachtmoderation, sprach Beiträge oder
schaute auch mal kurz beim Fernsehen vorbei. Da er irgendwann „nicht
mehr die Gedankentexte anderer vortragen“ wollte, ergab sich 1993
der Wechsel zu r.s.2, wo „der alte Ami“ Rik de Lisle und Silvio Dahl
programmverantwortlich waren.
Musik und Talk bei r.s.2
„Rik war ein knallharter, aber
fairer Lehrer, der mich machen ließ und an meine Fähigkeiten
glaubte.“ Erst war Bert Lehwald beim Nachfolger des einstigen
Konkurrenzsenders rias2 am Nachmittag zu hören, dann moderierte er
abends von 19.00 bis 22.00 Uhr die Sendung »Popcorn«. Schließlich
witterte er die Gelegenheit für Musik-Spezialsendungen, zum Beispiel
über Soul, die mit einem hohen Rechercheaufwand verbunden waren. Rik
de Lisle bot ihm dann eine Talksendung an, die Bert von 1994 bis
1996 moderierte. Erinnerungen an Gesprächspartner gibt es viele.
„Die Sendung begann um 19.00 Uhr, Ulla Meinicke war noch nicht da,
kam dann aber rein und meinte, das ist der erste Sender der meine
neue Platte bespricht, ich bin so aufgeregt gewesen, da musste ich
erst mal pinkeln.“
Mit Erich Böhme machte Bert ein Portrait über die Zeitungsstadt
Berlin und traf den Talk im Turm-Macher im Kaminzimmer des Hilton.
„Er meinte, du bist ganz schön aufgeregt, machst das wohl zum ersten
Mal, aber das wird schon.“ Mit Wolfgang Joop sprach er über „all
about eve“ (ein neues Parfum) und anschließend lud der ihn noch in
„Paris Bar“ ein. Irgendwann wurde es dem Chefredakteur dann zu bunt
und er kritisierte den überbordenden Wortanteil in Bert Lehwalds
Sendung. „Das war ja auch wie zu DT 64-Zeiten, quasi eine
öffentlich-rechtliche Sendung im Privatfunk.“
1996/97 stand „Der große Wechsel“ bei r.s.2 an. „Ich wollte aus dem
volljournalistischen Bereich nicht raus, habe mich dann irgendwann
nicht mehr wohlgefühlt.“ Ralf Mothil bot ihm das Außenstudio in
Frankfurt/Oder an, wo Bert von 14.00 bis 19.00 Uhr das
Regionalfenster moderierte und das erste große Interview mit dem
Boxer Henry Maske führen konnte.
Zurück zu den Wurzeln
Ein Dreivierteljahr später ging Bert Lehwald zum Berliner Rundfunk. Der klang - mittlerweile längst privatisiert - natürlich auch ganz anders als Mitte der achtziger Jahre und wurde damals von Bertram Schwarz geleitet, während Rüdiger Kreklau (heute Hit-Radio Antenne) Programmdirektor war. Letzterer meinte, „ich will den Berliner Rundfunk zum Sender der schönen Stimmen machen, kenne dich noch von r.s.2 und hätte dich gern bei uns“. Nachdem Steffen Schambach als »Dr. Nachmittag« aufgehört hatte und Andreas Dorfmann kurzzeitig diesen Sendeplatz übernahm, war nun also Bert Lehwald in der Drive Time an der Reihe. Dann folgten in den letzten Jahren die abendlichen Musikspecials, die er mit viel Hingabe und ausführlicher Vorbereitung auch zu inhaltlichen Erlebnissen macht. Zum ausführlichen Gespräch kehrte Bert Lehwald zeitweilig ebenfalls beim Berliner Rundfunk 91!4 zurück, als er den abendlichen »Night-Talk« moderierte. Überhaupt liegen ihm die Interviews mit ganz verschiedenen Persönlichkeiten wie Veronika Fischer, Heinz- Rudolf Kunze, Dirk Michaelis oder Reinhard Mey. Letzterer, der durchaus als ein bisschen schwierig im Umgang gilt, kam mit Bert Lehwald wunderbar zurecht. „Wichtig ist es, den Gästen auch Respekt für ihre Leistung zu zollen und das macht man am besten, wenn man sich richtig vorbereitet und man sich somit auch differenziert mit ihnen auseinandersetzen kann.“
Weitere Pläne
Vielfältig wie sein bisheriges
Medienleben soll es für Bert Lehwald, dessen Eltern Kabarettisten
waren, auch künftig weitergehen. „Mir liegt daran, mit der Stimme
auf vielfältige
Art und Weise etwas auszudrücken.“ Für den MDR vertonte er Beiträge
in „Unter vier Augen“, war als Redakteur mit Kamerateams unterwegs
und spricht auch Industriefilme. Gern synchronisiert Bert Lehwald
auch Spielfilme, liebt es hier, sich ganz auf die Charaktere
einzulassen und sich in sie hinein zu denken. Mehr als bisher reizen
würde ihn auch die Schauspielerei, Unterricht hat er schon beim
„Landarzt“
Walther Plate genommen.
Auch Vorträge zu verschiedenen Rundfunk- und Medienthemen standen in
den letzten Jahren das ein oder andere Mal auf dem Programm. Nicht
zu vergessen ist Berts Interesse für die Malerei und das Ballett -
immerhin hat er hier fünf Jahre Unterricht gehabt. 1994 brachte er
als „Ed“ eine CD heraus, Sprechgesang mit elektronischer Musik, die
damals bei Fritz und Deutschlandradio lief. Sprechunterricht gibt er
mittlerweile auch selbst in seinem Haus in Pankow.
In die Medien zu ziehen scheint es auch Lehwalds 16-jährigen Sohn
Constantin, der bereits ein Praktikum bei SAT.1 absolvierte. Vater
Bert hofft derweil darauf, noch lange beim Berliner Rundfunk 91!4 zu
hören zu sein. „Man muss sich selbst treu bleiben und immer wieder
mit Anspruch eine gute Sendung abliefern. Es geht nicht nur darum
die Stimme einzusetzen, sondern auch zu wissen, wovon man redet.“
Stefan Förster
Aus RADIOJournal 7/2005