Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern

Ungewöhnliche Wege zum privaten Lokalsender - Claus-Thilo Thoß verwirklicht mit VOGTLAND RADIO seinen Lebenstraum

In direkten Kontakt mit privatem Lokalradio kam Claus-Tilo Thoß erstmals Ende der achtziger Jahre. Die Tante seiner Frau in Düsseldorf wurde 80 Jahre alt und dieses Ereignis nutzten beide, um endlich eine kurze West-Reise unternehmen zu können. Der private Hörfunk aus dem benachbarten Hof, von wo aus Radio Euroherz und extra radio bis in das Vogtland auf der anderen Seite der Grenze hinein strahlten, übte eine große Anziehung auf Claus-Tilo Thoß aus. „Auf dem Heimweg haben wir uns damals Hof angeschaut, wohin ich noch als kleiner Junge mit meinen Eltern gefahren bin“, erinnert er sich. „Ich war von den Möglichkeiten des Radiomachens beeindruckt und ahnte nicht, dass es so schnell gehen würde mit den großen Veränderungen im Land. Thoß war zur Wende um die „Gruppe der 20“ herum aktiv und zunächst reifte der Entschluss, einen Mittelwellensender privat nutzen zu wollen. „Der Sendestandort war ja vorhanden, von hier wurden Radio DDR II und ein in Richtung Hof strahlender Störsender in den Äther geschickt.“ Die Forderung nach einem eigenständigen Lokalradio wurde so in den Forderungskatalog der Wende-Aktivisten aufgenommen.

Treffen mit Lothar Späth

Claus-Tilo Thoß hatte zu dieser Zeit in der Plauener Spitze GmbH gearbeitet, die aus dem früheren Volkseigenen Betrieb mit gleichem Namen hervorgegangen war. Eines Tages wurden Leute gesucht, die nach Karl-Marx-Stadt - dem heutigen Chemnitz - zu einem Kongress der Firma HP fahren würden, dessen Schirmherrschaft der damalige baden-württembergische Ministerpräsident Lothar Späth übernommen hatte. Dieser referierte dort über Möglichkeiten der Privatisierung von Unternehmen und lud abends zu einem Empfang ein. Da nicht viel los war, ging Claus-Tilo Thoß direkt auf den Politiker zu und erzählte ihm von seiner Absicht Radio machen zu wollen. „Lothar Späth bat mich, ihm eine Visitenkarte zu geben. Ich hatte zwar schon mal davon gehört, hatte aber keine. Nachdem wir trotzdem die Adressen tauschen konnten, war ich ganz überrascht, als ich einige Wochen später Post aus der Staatskanzlei mit einer Einladung nach Stuttgart erhielt.“

Thoß hatte gerade parallel einen Antrag auf Sendelizenz beim DDR-Medienministerium gestellt, als er sich in den Zug nach Baden-Württemberg setzte. „Die Kosten der Fahrt wurden von Lothar Späth übernommen, am Bahnhof holte mich sogar sein Fahrer ab. Mir kam das alles ganz unwirklich vor“, erinnert sich der Rundfunkenthusiast. Kaum angekommen machte man ihn mit Christian Schurig bekannt, der zu damaligen Zeit noch bei der Landesmedienanstalt LfK in Stuttgart beschäftigt war und wenig später die Leitung des Landesrundfunkausschusses in Sachsen-Anhalt übernahm, die er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2007 inne hatte. Mit Schurig verstand sich Claus-Tilo Thoß auf Anhieb, bis heute sind beide freundschaftlich verbunden.

Crashkurs in Stuttgart

Am Tag nach seiner Ankunft wurde der Gast aus Plauen bereits von der gesamten LfK-Mannschaft in deren Konferenzsaal erwartet, wo er sein Konzept erläutern und nach Herzenslust Fragen stellen konnte. In diesem Crashkurs bekam Claus-Tilo Thoß die gesetzlichen Grundlagen für das Radio machen ebenso erklärt wie man ihm den Prozess einer Ausschreibung von Übertragungskapazitäten oder Möglichkeiten der technischen Verbreitung erläuterte. Bei einer weiteren Reise nach Baden-Württemberg konnte Thoß sich zwei private Radiosender in Stuttgart und Reutlingen ansehen und sich mit deren Geschäftsführern über ganz praktische Fragen austauschen. „Ich habe so in kürzester Zeit viele Dinge erfahren, wofür andere Jahre brauchten.“ Für diese Erfahrung ist Claus-Tilo Thoß heute noch dankbar und kann der immer wieder aufflammenden Ost-West-Diskussion nicht viel abgewinnen. „Wenn es zu diesen Bemerkungen kommt sage ich auch immer ganz klar: Ich kenne Wessis, wenn ich die nicht gehabt hätte, wäre ich heute nicht da, wo ich bin.“

Abenteuer Privatfunk in Sachsen

Nach der Länderneugliederung und der Wiedergründung des Freistaates Sachsen existierten noch keine Landesmediengesetze, jedoch schon genug Ideen, um privaten Rundfunk zu veranstalten. Zu den Pionieren gehörten damals Tino Utassy und Klaus-Dieter Lindeck, die sich gemeinsam mit Claus-Tilo Thoß mit der Sächsischen Initiative Privatfunk (SIP) später um die erste ausgeschriebene UKW-Privatfunkkette in Sachsen bewarben. Dieses von RTL unterstützte Konzept, bei dem man den Machern freigestellt hatte, ob sie diesen bekannten Fernsehnamen auch verwenden wollten, basierte auf einem landesweiten Programm mit fünf regionalen Sendern, die jeweils sechs Stunden eigene Sendezeit bekommen sollten. Obwohl sie als haushohe Favoriten gehandelt wurden, unterlag das SIP-Konzept in der entscheidenden Abstimmung in der SLM-Versammlung dem Antrag von PSR, das - unterstützt vom damaligen Wirtschaftsminister Kajo Schommer - die begehrten ehemaligen DT64-Frequen-zen bekam.

Im Rahmen dieser und folgender Bewerbungen erhielt Claus-Tilo Thoß erneut starke Unterstützung von Christian Schurig und weiteren Helfern. „Alle standen leidenschaftlich für die Deutsche Einheit ein und es war ihnen wirklich ein Herzensanliegen, uns zu helfen. Wir wurden nicht über den Tisch gezogen sondern tatkräftig unterstützt.“ So erinnert sich Thoß an einen fast achtzigjährigen, erfahrenen Rechtsanwalt aus Köln und den noch heute befreundeten Rechtsanwalt Bukow aus Nürnberg der ihm für das juristische Abfassen von Lizenzanträgen und geschäftlichen Dingen behilflich war. „Wenn diese Menschen damals alles berechnet hätten, was sie gemacht haben, hätte ich das nie bezahlen können.“

Über Umwege zum Ausbildungsradio

Bei der zweiten ausgeschriebenen landesweiten UKW-Frequenzkette war schnell klar, dass diese dem Holtzbrinck-Verlag mit seinem Programm Antenne Sachsen zugesprochen werden würde. Kontakte zur Oschmann-Gruppe führten dann dazu, dass sich Claus-Tilo Thoß innerhalb des SLP-Konzepts mit einem Radioangebot für das Vogtland bewarb, dem zur damaligen Zeit jedoch geeignete Frequenzen fehlten. Zugleich übernahm er die Geschäftsführung einer ABS-Gesellschaft, wo er in den Räumlichkeiten eines ehemaligen Textilkombinats dafür Sorge tragen sollte, dass über 4000 ehemalige Beschäftigte aus dieser Auffanggesellschaft heraus in andere Arbeitsplätze vermittelt werden konnten. Die Idee des Radiomachens war also zunächst etwas in den Hintergrund getreten, als sich der damalige SLM-Direktor Detlef Kühn meldete und Thoß von der geplanten Einrichtung eines Ausbildungs- und Erprobungskanals in Plauen berichtete. Dieses auf Praxis orientierte und auf nichtkommerzieller Basis im Kabelnetz sendende Angebot betreute Claus-Tilo Thoß ab 1997 für fünf Jahre - später auch parallel zum VOGTLAND RADIO.

VOGTLAND RADIO geht auf Sendung

Irgendwann konnten doch wenigstens zwei brauchbare Frequenzen koordiniert werden und Thoß hielt im Februar 1998 endlich die Lizenz für ein Regionalradio aus seiner Heimatstadt Plauen in den Händen. Im September 1998 startete das Vogtland-Radio, ohne zunächst an seinem Sendersitz empfangen werden zu können. Unterstützung bei der weiteren Frequenzsuche kam von Michael Sagurna, dem heutigen Leiter der Staatskanzlei und Medienminister, den Thoß als einen beliebten rias2-Moderator, ähnlich wie Sagurnas Freund Rik de Lisle, in Erinnerung hatte. Im Jahr 2001 konnte auch die so sehnlich erwartete UKW- Frequenz in Plauen in Betrieb genommen werden. „Wir haben von Anfang an alles mit Digitaltechnik gemacht und schon damals die Sendungen am Vormittag und in der Nacht aufgezeichnet“, berichtet Claus-Tilo Thoß nicht ohne Stolz auf seine Schrittmacherfunktion.

Alle Mitarbeiter kamen und kommen aus der Region, Seiteneinsteiger sind genauso dabei wie ehemalige Absolventen des Ausbildungs- und Erprobungskanals. Die Entscheidung für das VogtlandRadio wurde gleich zweimal getroffen. Nachdem der erste Medienrat gerichtlich annulliert wurde, ging die Lizenzierung in die SLM-Versammlung zurück. Hier musste sich Thoß gegen eine Vogtlandradio-Anbietergemeinschaft durchsetzen, hinter der Radio Euroherz aus Hof steckte. Doch auch nach der Lizenzerteilung herrschte nicht nur Harmonie. Probleme mit dem Minderheitsgesellschafter Energy, der nur ein Programmfenster für das Vogtland statt eines Vollprogramms wollte, konnte erst nach einer Bereinigung der Gesellschafterverhältnisse gelöst werden. „Heute haben wir wieder ein kollegiales Verhältnis zu den Kollegen von Energy Sachsen“, betont Claus-Tilo Thoß.

Hörernähe

„Mir ist der Bezug zum Vogtland wichtig, der sich auch in den Nachrichten widerspiegeln soll, die konsequent die Ereignisse der Region darstellen“, sagt Thoß. VOGTLAND RADIO sendet nicht umsonst unter dem Claim „Hier sind Sie zu Hause“. Mindestens vier Beiträge am Tag laufen darüber hinaus im Programm, denn der Geschäftsführer hält nichts von Informationshäppchen, die mit der Stoppuhr aufbereitet werden. Die Vielfalt kommt auch in der Musik zum Ausdruck, wo im laufenden Programm auf über 5000 Titel zurückgegriffen werden kann. Die Morgensendung wird zwischen 5.00 und 10.00 Uhr ausgestrahlt. „Über die Mittagszeit arbeiten wir mit Voice Tracking, jedoch werden die Nachrichten live gelesen.“ Von 14.00 bis 18.00 Uhr ist der Nachmittag wieder live moderiert, mit Sondersendungen geht das Tagesprogramm seit Januar bis 21.00 Uhr.

Das ganze Jahr über ist VOGTLAND RADIO auch bei unzähligen Veranstaltungen vor Ort. Mit dem Programm, das von elf fest angestellten und 10 bis 15 freien Mitarbeitern produziert wird, erreicht man 11.000 Hörer in der Durchschnittsstunde in einem Sendegebiet, das auch das Bayerische und Böhmische Vogtland abdeckt und bis Gera heranreicht. Gerade auch in Thüringen gibt es treue Hörer, die sich dort eigene Frequenzen für das beliebte Programm, das seit fünf Jahren schwarze Zahlen schreibt, wünschen. Claus-Tilo Thoß ist daher für die Zukunft nicht bange. „Wir haben eine gute und sehr flexible Mannschaft, mit der wir weiterhin und trotz eines härteren Kampfs um den Werbemarkt bestehen werden.“

Stefan Förster
Aus RADIOJournal 4/2008 



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Fotos: © VOGTLAND RADIO

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