Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern

Ein wundervolles Radiobuch

Patrick Lynen gehört unzweifelhaft zu den Leuten mit dem höchsten Bekanntheitsgrad in der deutschen Rundfunkszene. Er ist ein von der Radioleidenschaft besessener Perfektionist, der durch seinen hohen Anspruch an professionelle Moderation und Präsentation bei technisch optimalen Bedingungen natürlich auch polarisiert. Aber Reibung erzeugt bekanntlich auch Wärme und diese Wärme für unser aller Medium wird im „wundervollen Radiobuch“ von Lynen deutlich, das als vierter Band der DHA-Schriftenreihe erschienen ist und seine Ausführungen zu „Personality, Moderation und Motivation“ beinhaltet. 

Nach einer kurzen Schilderung seiner eigenen Medienlaufbahn unternimmt Patrick Lynen den Versuch, einmal nicht altklug wie so mancher von sich selbst überzeugter Berater mit bestimmten Baukastensystemen die Erfolgsgarantie für die perfekte Moderation anbieten zu wollen, sondern anhand vieler einzelner Zahnrädchen, die merklich ineinander greifen, Anregungen zu geben, wie sich jeder Moderator individuell verbessern kann. Zu viele Moderatoren (seltener auch Moderatorinnen) gibt es, die schon nach wenigen Jahren derart von ihrem Tun überzeugt sind, dass sie jede Kritik und Beratung ablehnen. Entweder sind sie genial – dann weiter so – oder aber ihrem unweigerlichen Abstieg schon wieder ziemlich nahe. Letzteres ist der wahrscheinlichere Fall. „Das Radio im Jahr 2004 macht mich traurig. Radioleute können ihre Leidenschaft nur noch begrenzt on air zeigen und umsetzen. Radio mit Tiefe, Energie, Kreativität und eindeutigem Format ist fast vollständig verschwunden. Es wird durch eine todsichere, langweilige Research-Logistik ersetzt.“ 

Patrick Lynen versucht in seinem Buch gegenzusteuern. Zunächst nennt er Beispiele für schlechte Moderationen und verknüpft dies mit den Erwartungen der Hörer, die alles andere als unwichtig sind. Höreransprache und Hörerbindung sind letztendlich das Erfolgsgeheimnis für jeden MA-Shootingstar. Wenn dazu Moderatoren mit Persönlichkeit und Stimme kommen, die in Präsentation, Sprache, Humor und Gefühl überzeugen, ist dies optimal. Patrick Lynen nennt Beispiel über Beispiel, wie sich ein Moderator weiterentwickeln kann und legt neben übersichtlichen Checklisten auch einen 11-Punkte-Plan mit den wichtigsten Grundlagen vor. 

Ein weiteres Kapitel beinhaltet Alltagssituationen eines Moderators im Studio oder im Umgang mit den Hörern. Schließlich geht es um die optimale und nicht standardisierte Präsentation von Inhalten wie Interviews, Nachrichten, Wetter, Call-Ins oder Teasern. Viel Wert legt Patrick Lynen auf die Vorbereitung der Radioshows, die allzu oft nur schlampig und nicht besonders originell angegangen wird. Auch für Krisen und Katastrophen sollte der Moderator immer vorbereitet sein. Gleiches gilt für technische Belange, da es niemandem egal sein sollte, wie er qualitativ „rüberkommt“. 

Am Ende des Buches stehen die Kapitel „Themenfindung“, „Qualität“, „Karriere & Motivation“ sowie „Altersweisheiten“. Lynen holt hier geschickt die Leute auf den Teppich zurück, die glauben, nach der Lektüre des Buches nun endgültig alles zu wissen oder zu können. So schreibt er sehr zutreffend: „Du siehst fast alle Menschen in diesem Gewerbe wieder. Entweder als Chef auf deinem eigenen Weg nach unten, oder als Konkurrent beim nächsten Casting. Bedenke dies, bevor du Porzellan zerschlägst. Im Zweifel kennt dein frischgebackener Feind deinen künftigen Chef oder schläft mit deiner Kollegin. Und du weißt es noch nicht. Schwatzhaftigkeit ist der größte Feind eines erfolgreichen Radio-Menschen. In Kürze bist du als nicht vertrauenswürdiger Kollege verschrien. Wer selbst keine Gerüchte verbreitet, wird immer über die meisten Ereignisse im Sender informiert sein. Kollegen lieben schweigsame und aufrichtige Menschen.“ 

Das wundervolle Radiobuch ist daher allen Moderatoren, die für sich noch Weiterentwicklungsbedarf sehen, und solchen, die es noch werden wollen, ans Herz zu legen. Großes Plus sind die unzähligen Positiv- und Negativbeispiele, die bei jedem Kapitel mitgeliefert werden sowie die strukturierte und nicht belehrende Vorgehensweise von Patrick Lynen. Er versteht es, seine Leidenschaft für das Medium Radio zu vermitteln, Erfahrungen weiterzugeben, Probleme nebst Optimierungsansätzen aufzuzeigen, ohne den Raum für die eigene kreative Entfaltung einzuengen. Das ist heute sehr selten geworden. 

Stefan Förster
Aus RADIOJournal 11/2004