Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern
Hallo Mike, wie fühlt man sich als Comedian an
einem trüben Tag wie heute?
Derzeit eigentlich recht frisch. Ich habe halt schon ein sehr
anstrengendes, bewegendes wie auch schönes Rundfunkjahr hinter mir,
doch viele freie Tage werden mir zum Ausklang von 2001 nicht
bleiben. Meine Comedy-Figur „Josef Nullinger” will sich auf ANTENNE
BAYERN natürlich zu den Anlässen Weihnachten, Sylvester und auch
über das vergangene Jahr in angemessener Länge äußern. Auch heute
werde ich noch einmal im Sender vorbeischauen, um ein paar Takes zu
produzieren und aufzunehmen.
Für den Job als Comedy-Autor
gibt es bekanntlich keine standardisierte Ausbildung. Wie kamst Du
zum „auserwählten Kreis der Spaßmacher”?
Also, zunächst einmal bin ich völlig "medienverseucht". Schon als
Kind. Schon als Kind habe ich stundenlang vor dem Fernseher und
Radio verbracht, um Bayern 3, damals gab es noch nichts anderes, zu
hören oder mich kurz darauf den vielen neuen privaten Sendungen zu
ergötzen, welche Mitte der Achtziger plötzlich in Hülle und Fülle
auftauchten. Nach der Schule fing ich in München an zu studieren.
Zwar hatte das Lehramtsstudium recht wenig mit Rundfunk zu tun, aber
es brachte mich in mein späteres Mediendomizil, in dem ich mich
fortan austoben durfte. Ich hielt schon damals die Augen auf nach
Beschäftigungsmöglichkeiten in der Rundfunkbranche. Über die Uni und
das hier befindliche „Schwarze Brett” kam ich so an Jobs für die
Telefonhotline bei »Arabella«, als Tourguide der »Bavaria-Filmtour«
oder an ein Praktikum bei »Live aus dem Schlachthof« im Bayerischen
Rundfunk.
Das wegweisendste Erlebnis war für mich jedoch die Gründung des studentischen Radiosenders M 94,5 AFK. Bei der ersten Informationsveranstaltung saß ich mit gut 100 anderen interessierten Studenten beisammen und man konnte sich für verschiedene Kurse einschreiben, wie etwa Moderation, Produktion, Interview und so weiter, wobei die jeweilige Teilnehmerzahl begrenzt war... ich saß zufällig am Rand und konnte mich für den Moderationskurs einschreiben. Hier freundete ich mich auch sofort mit zwei anderen radiobegeisterten Kommilitonen an, die schon ein Konzept für eine Comedy-Sendung mit dem Titel »Stunde der Abrechnung« eingereicht hatten. Folgend gingen wir mit diesem Format prompt zum Sendestart von M 94,5 am 1. Juli 1996 um 23.00 Uhr on Air. Schon damals vor über fünf Jahren führte ich übrigens die Figur des „Josef Nullinger” ein...
Es musste diese Figur sowie
sein Erschaffer Mike Hager nur noch gefördert sowie einer breiteren
Masse zugänglich gemacht werden...
Richtig. Irgendwann ging die Sendung »Stunde der Abrechnung« ihrem
Ende entgegen und die Macher orientierten sich neu. Es dauerte
jedoch nicht lange und ich las eine kleine, redaktionelle Anzeige in
der Programmzeitschrift TV Spielfilm, die einen Comedy-Workshop
bewarb. Ich rief sofort an, konnte jedoch kein Videotape
einschicken, sondern nur eine unserer Sendungen. Einen Tag vor
Beginn des Workhops kam ein Anruf, und es stellte sich heraus, dass
dieser Workshop ein Casting mit 15 Personen für eine neue
ProSieben-Comedy war. Einige sehr interessante Menschen waren hier
darunter, zum Beispiel spätere DSF-Moderatoren wie Maximilian Engert
oder Niels Ruf, der bekanntlich später noch bei VIVA sein Unwesen
trieb, oder auch ein heute erfolgreicher Drehbuchautor. Leider wurde
aus dieser Comedy-Geschichte nichts, da sie vom neu eingestellten
Programmchef des Senders gecancelt wurde.
Zwischenzeitlich habe ich auch so
witzige Sachen gemacht wie das Sprechen eines „virtuellen
Wetterfrosches” für das Mittagsmagazin der ARD. Eine tolle Zeit
verbrachte ich als Autor für Jochen Bendels Radio-Comedy »Dr. Ben«
und dessen Morningshow bei Radio Energy. Dies machte ich dann
wiederum zusammen mit meinem alten Radiokumpanen Thilo Schrödel,
bevor ich dann im Mai 1999 zu ANTENNE BAYERN ging, die mich auch
schon vorher einige Male kontaktierten, ich jedoch noch an anderen
„Baustellen” gearbeitet habe... im Ismaninger Funkhaus absolvierte
ich schließlich eine Probewoche und, siehe da, ich durfte bleiben!
Bei so viel humoristischer Arbeit muss Mike Hager doch auch schon
ein „lustiges Kind” gewesen sein. Oder nicht?
Diese Frage kann ich nur mit einem eindeutigen „Ja” beantworten.
Schon früh, wenn meine Mutter zum Beispiel mit mir geschimpft hat,
kam ich meist an einem großen „Donnerwetter” vorbei, indem ich sie
zum Lachen brachte. Ebenso hatten es mir damals, wie bei vielen
bayerischen Medienschaffenden, früher vor allem das
Moderatorengespann „Gottschalk und Jauch” auf Bayern 3 und deren
spontaner Humor angetan...
Und heute, als ausgewachsener Medienschaffender: Welche der
„klassischen” oder weitläufig bekanntesten Berufsbezeichnungen im
Rundfunk würdest Du Dir am ehesten zuschreiben? Comedian, Journalist
oder einfach Moderator?
Ich glaube, ich bin ein „Wanderer zwischen den Welten”... (lacht).
Auch wenn ich natürlich schon einige ernsthafte journalistischen
Beiträge in meinem Leben angefertigt habe, würde ich wahrscheinlich
von einigen Journalisten ins Gesicht geschlagen werden, wenn ich
mich selbst als solcher bezeichnen würde. Bei mir stand schon immer
der unterhaltende Aspekt im Vordergrund. Im Radio bin ich zunächst
Comedian, aber auch manchmal Moderator, wie bei den »Jungen Wilden«
auf ANTENNE BAYERN oder bei Außenveranstaltungen. Als Moderator
spreche ich zwar im Gegensatz zu meinen Comedy-Figuren, die ich
spiele, als Mike Hager selber zu meinem Publikum, jedoch steht auch
hier immer das Entertainment im Vordergrund, weil eben auch Herr
Hager selber eine fröhliche Person ist, die gerne „mal einen aus der
Hüfte schießt”. Im Fernsehen agiere ich ebenfalls als Moderator und
als Autor meiner Moderationen und unterhalte wie informiere eine
bestimmte Kinder- und Jugendzielgruppe, die neben vielen
interaktiven Elementen der Sendung »NULL-ACHT-13« auf spielerische
Art und Weise mit dem ein oder anderen Beitrag „gefüttert” wird, aus
dem sie etwas lernen kann.
Was macht denn für Dich den jeweiligen Reiz bei der Arbeit
einerseits im Radio und andererseits im TV aus?
Ein reiner Comedy-Autor zu sein, hat den Reiz, mit eigenem kreativen
Potential und eigenen Einfällen, andere Menschen, in diesem Fall die
Moderatoren der Radiosendungen, gut aussehen zu lassen. Dies mag
sich für manchen schwer nachvollziehbar anhören, ist aber wirklich
so. Der Reiz, ein performender Comedian zu sein, ist der direkte
Kontakt zum Publikum, der eine ganz andere Intensität von
Adrenalinausstößen garantiert. Bei einer „echten” Personality wie
der Figur des „Josef Nullinger” habe ich zudem in letzter Zeit
verstärkt die Erfahrung gemacht, dass man sogar in dem Privatleben
des Hörers eine zunehmende Rolle spielt. Ich bekomme viel Feedback
aus der Bevölkerung und merke, dass die Akzeptanz und Beliebtheit
der Nullinger-Comedy steigt. Die Hörer von ANTENNE BAYERN haben die
Figur angenommen und übertragen sogar teilweise die bekannten
Nullinger-Sprüche in ihr eigenes Leben.
Als Radiomoderator der Jungen
Wilden habe ich die Chance, als Mike Hager selber aufzutreten und
auch meinen persönlichen Humor mit in die Sendung einzubringen. Bei
„Nullinger” ist dies aufgrund des Charakters der Figur nur begrenzt
möglich, da Herr Nullinger nicht zwingend Mike Hager ist, dass heißt
Mike Hager muss sich hier in diese bewusst von ihm erschaffene und
karikierte, niederbayerische Figur hineinversetzen. Die Arbeit für
das Fernsehen gestaltet sich im Gegensatz zum Radio als viel
aufwendiger, dass heißt für eine Sendung muss viel Produktionszeit
geopfert werden. Die optischen Möglichkeiten des TV sind natürlich
für Moderatoren auch nicht zu verachten, da man den Zuschauern
„besser haften” bleibt...
War es denn ein besonderer Wunsch und auch ein Traum Deinerseits,
mal eine Sendung für Kinder und Jugendliche zu moderieren?
Meine Eltern sind beide Lehrer und es scheint wohl in der Familie
Hager zu liegen, dass wir uns alle gut mit Kindern verstehen. Kinder
mögen mich, was vielleicht auch an meiner „ernstgemeinten”
Lustigkeit und meinem Humor liegt - und vor allem mag ich Kinder.
Meine Zeit als Zivildienstleistender habe ich so zum Beispiel in
einer Jugendherberge verbracht und war hier viel mit Jugendgruppen
unterwegs - ebenso habe ich wie gesagt auch schon einige Semester
Lehramtsstudium hinter mir und interessiere mich für die Anliegen
oder auch „Problemchen” der „Kleinen unserer Gesellschaft”. Außerdem
meine ich, steckt in jedem von uns noch ein kleines bisschen ein
Kind, oder?
Sicherlich! Und als Kind hat man auch immer ganz besondere Träume
und Zielvorstellungen für sein Leben. Welche Ziele und Visionen hat
Mike Hager noch für die Zukunft übrig?
Vor allem mit dem Herrn Nullinger habe ich sehr viel vor... ich
schreibe derzeit an einem vollwertigen, abendfüllenden
Bühnenprogramm, jedoch fehlt mir zur endgültigen Fertigstellung im
Moment die Zeit. Herr Nullinger hätte aber auch nichts dagegen,
einmal Fernsehluft zu schnuppern. Ich persönlich möchte natürlich
auch noch weitere Schritte im TV gehen - ich werde dabei wohl weiter
meinen Weg des „ungeplanten Zufalls” gehen und jeden weiteren
Schritt als neue Vision betrachten. Denn gerade der Zufall oder auch
das Ungewisse sind zumeist aufregender als sich große Ziele zu
setzen.
Urs König
Aus RADIOJournal 3/2002