Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern
Zu Hause bei 1LIVE - Vanessa Nolte hat in Köln ihre Radio-Heimat gefunden
Wer viel in Deutschland herum kommt, hatte sie schon in den verschiedensten Regionen im Ohr: Ob im wilden Südwesten, im gediegenen Norden oder in der Mitte Deutschlands - stets waren ihre prägnante Stimme und ihr unverwechselbarer Moderationsstil schnell wieder zu erkennen. Rundum wohl fühlt sie sich jetzt bei 1LIVE. Hier, in der ersten Liga des Radios, kann sich Vanessa Nolte gut vorm Mikrofon austoben - bei einem Sender, der ganz ihrem Lebensgefühl entspricht.
Vanessa, wenn man auf deine Kinder- und Jugendjahre schaut, hätte man dich heute wohl eher bei den Olympischen Spielen als vorm Mikrofon vermutet…
Das stimmt. Ich bin kein Mensch, der seinen Traum vom Radio machen verwirklicht hat. Große Radioerlebnisse von früher kann ich auch nicht erzählen. Natürlich habe ich mal die Charts auf Kassette aufgenommen, aber ansonsten war ich kein medienaffines Kind. Ein Großteil meines Lebens bestand damals aus Sport. Ich war Leistungsschwimmerin und habe in der Tischtennis- und Wasserballbundesliga gespielt. Zwischendurch hatte ich auch alle anderen Sportarten versucht, fand Basketball und Leichtathletik ganz toll. Nach dem dritten Mal Joggen hatte sich das aber erledigt. Fünf Tage die Woche hatte ich Training, zuletzt vier Mal Schwimmen und einmal Tischtennis. Meine Eltern haben versucht, ein Maximum aus meiner Person rauszuholen und zu fördern, was zu fördern war. Neben Englisch, Pädagogik und Biologie war Sport auch mein viertes Prüfungsfach beim Abi. Hier musste ich mich beim Basketball beweisen. Im Schwimmen habe ich es bis zur Deutschen Meisterschaft geschafft und dann mit 18 Jahren aufgehört. Irgendwann kann man sonst nur noch im Freizeitbad glänzen. Danach habe ich in der Wasserball-Bundesliga gespielt. Das bot sich in meiner Heimatstadt Duisburg auch an. Ich finde diesen Sport faszinierend - den kann man noch im hohen Alter machen. Schließlich wollte ich Sportlehrerin werden, um dann als Wasserball-Bundestrainerin arbeiten zu können. Mein Sportlehrer von der Schule hat mir hiervon aber abgeraten. Ich wollte mich bei der Polizei bewerben, hier rieten mir meine Eltern ab. Obwohl ich eine Ausbildung in der niederrheinischen Musikschule hatte und ganz passabel Blockflöte spielen konnte, bot sich auf diesem Wege auch nichts an.
Da blieb dann nur noch der Sprung in die Medien übrig?
Kurz vor Beginn der Abizeit hatte ich mich schon informiert was es für Jobs gibt, Milliarden von Bewerbungen geschrieben und ebenso viele Absagen bekommen. In meinen letzten Osterferien habe ich dann eine Woche im RTL-Studio Erfurt absolviert. Zeitungen durchgucken und was man halt so macht. Später gab es dann ein Monatspraktikum bei der Deutschen Welle, ehe ich für ein halbes Jahr zum DSF nach München ging. Da meine Eltern zu dieser Zeit in den Vorruhestand gingen und in die Nähe von Hannover zogen, gab es keinen direkten persönlichen Bezug zu NRW mehr. Daher war es für mich auch kein Problem, im Süden zu bleiben. Beim DSF hätte ich übernommen werden sollen, als ich gerade beim damaligen Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart die Chance auf ein Volontariat bekam. Allerdings war das ein Produktions-Hörfunk-Volo, wo ich eher mit der Ü-Technik oder Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zu tun hatte. Durch Zufall bin ich mit dem legendären SDR 3 in Kontakt gekommen, bekam dann Sprecherziehung und konnte mich in der Redaktion austoben. Allerdings standen meine Pflichten als Volontärin noch im Vordergrund: So konnte ich ein Interview mit dem Dalai Lama nicht wahrnehmen, weil ich zu dieser Zeit Telefondienst hatte. Irgendwann kam dann der erste eigene Beitrag, später habe ich die Kneipenchecks für SDR 3 gemacht, also coole Clubs getestet und vorgestellt. Nach anderthalb Jahren Volontariat wurde ich als Reporterin und Redakteurin übernommen. Da gerade die Fusionszeit war, nun allerdings schon bei SWR 3. Hier war ich bald für die „CLUB“-Schiene zuständig und viel als Reporterin unterwegs oder als CvD tätig. In dieser Zeit lernte ich viele SWR-Außenstudios kennen, war zum Beispiel in Heidelberg oder Mainz. Das war eine sehr aufregende Zeit, die mir in lebhafter Erinnerung geblieben ist.
Dann ging es aus dem „Wilden Süden“ in den unbekannten Osten. Was reizte dich, um vom öffentlichen-rechtlichen Rundfunk zu den Privaten nach Halle und Hannover zu wechseln?
Das ist eine ganz einfache Geschichte. Ich war mit einer Freundin nach Portugal zum Wellenreiterkurs gereist und verliebte mich - ganz klischeehaft - in meinen Surflehrer. Der kam aus Bielefeld und so suchte ich eine Möglichkeit, in seiner Nähe zu arbeiten. Außerdem wollte ich nicht nur als Reporterin oder Redakteurin arbeiten sondern Moderation machen. Mit dem Gedanken im Hinterkopf, meine Eltern am Wochenende in Bad Gandersheim besuchen zu können, hatte ich mich bei Hit-Radio Antenne Sachsen-Anhalt in Halle gemeldet. Hier fing ich dann im Jahr 2000 mit der Option an, auch beim Schwestersender in Hannover moderieren zu können. Also kündigte ich bei SWR 3 und war in Sachsen-Anhalt dann tagsüber und bei Hit-Radio Antenne in Niedersachsen für zehn Nächte im Monat zu hören.
Welche Unterschiede hast du im Vergleich zu einer ARD-Anstalt mitbekommen?
Beim Privatfunk macht man vieles aus dem FF, da gibt es keinen kreativen Ansatz mehr. Weil alles nach Schema abläuft, hatte ich damals ein oder zwei Stunden Vorbereitungszeit für fünf oder sechs Stunden Sendung. Heute ist es genau umgekehrt. Da brauche ich für meine zweistündige Sendung bei 1LIVE drei Stunden, ehe es losgehen kann. In Halle habe ich mich deshalb auch in die Redaktion eingebracht, damit ich ein bisschen mehr machen konnte. Letztendlich hatte ich alle Schienen durchmoderiert und teilweise nach der Tagesschicht in Halle noch nachts in Hannover gearbeitet. Zu dieser Zeit habe ich mir meinen Biorhythmus kaputt gemacht, weil diese ständig wechselnden Arbeitszeiten irgendwann einfach zu viel waren. Ich hatte latente Burn-Out-Erscheinungen und mit ständiger Müdigkeit zu kämpfen. Daher würde ich nie jemandem empfehlen, nachts zu arbeiten. Das letzte dreiviertel Jahr habe ich dann nur noch an der Saale moderiert. Eine schöne Erinnerung an Halle ist das gemeinsame Badminton-Spielen mit Aline Gebauer, mit der ich befreundet war und die ja heute noch bei Radio Brocken moderiert.
Welche Motivation gab es für dich, um nach Köln zu gehen? Lockte die Legende 1LIVE?
Zum einen war Köln schon immer meine Traumstadt, zum anderen ist 1LIVE natürlich die Champignons-League im Radio. Also habe ich mich durch alle Runden gekämpft, musste inklusive des Vorstellungsgesprächs vier Mal dort antanzen, überlebte zwei Casting-Runden und einen großen Wissenstest, der von Musik über Sport bis zur Politik reichte. Dann war ich beim FC Bayern München des Radios. Es ist aber nicht damit getan, dass man ganz oben mitspielt und das auch mit Mega-Quoten honoriert wird. Damit verbunden ist natürlich auch der Druck, es gut zu machen. Die Arbeit wird kritisch hinterfragt, damit man sich auch verbessern kann. Wie formuliere ich die Fragen zum jeweiligen Thema, das in der Regel von der Redaktion kommt? Wie optimiere ich meine Sendung? Habe ich zu schnell geredet? Warum ist ein Interview gut und das andere in die Hose gegangen? Angefangen habe ich auf der Spielwiese aller Neueinsteiger, nämlich sonntags von 6.00 bis 9.00 Uhr. Dann kam der Samstag zur gleichen Zeit dazu, später war ich dann in der Woche zwischen 17.00 und 20.00 Uhr zu hören. Zwischendurch auch mal am Vormittag. Jetzt bin ich quasi der weibliche Sektor Domian, nur in blond, am Tag und in anders!
Wie heißt es auf deiner Website so schön: „In den folgenden Jahren erarbeitet sich Vanessa Nolte durch unangestrengtes Selbersein ihr Image bei 1LIVE - nett, frech, offen und nicht zu viel Gelaber.“ Hier hast du also deinen Traumjob gefunden?
Absolut. Die Moderation des „Sektors“ liegt mir sehr gut, auch die Sendezeit gefällt mir. Ich stehe nicht gern früh auf und im Sender auch erst um 14.00 oder 15.00 Uhr auf der Matte. Hinterher gibt es noch ein Nach-Feedback vom Redakteur. Besonders schön ist, dass die Interaktion mit den Hörern funktioniert, wie die rege Beteiligung zeigt. Pannen bleiben natürlich immer hängen, etwa wenn Beiträge oder Interviews auf Elementen aufbauen, die nicht konform laufen. In negativer Erinnerung blieb mir einen Besuch von DJ Tomekk, was seine Einstellung gegenüber Frauen betrifft. Ein lustiges Erlebnis hatte ich, als ich mal zwischendurch in einer Moderation meinen Mathelehrer Herrn Zöller erwähnte, mit dem ich damals gar nicht gut auskam. Einige aktuelle Schüler von ihm haben sich dann bei mir gemeldet, dass er sich heute vor der Klasse damit brüstet, mich als Schülerin gehabt zu haben.
Im Augenblick hast du aber auch noch eine andere Baustelle…
Ja, mein Studienabschluss an der Uni Köln steht kurz bevor. Ich bin schon komplett scheinfrei und es geht direkt in die Prüfungen. Dann bin ich Diplom-Medienwissenschaftlerin.
Stefan Förster
Aus RADIOJournal 2/2009