Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern
Von der Wall Street
ins Funkhaus Plate -
Maren Bockholdt über ungewöhnliche
Wege zum Radio
Sie ist ein echt norddeutsches Kind: Weltoffen und direkt, herzlich und ehrlich und überhaupt erfrischend in jeder Hinsicht. Maren Bockholdt ist somit ein Glücksgriff für’s Radio, auch wenn sie dort ursprünglich gar nicht hinwollte. Mit ihrer markanten Stimme, ihren stets interessanten Alltagsgeschichten und der damit verbundene Einbeziehung der Hörer ins Programm ist sie eines der Aushängeschilder von ANTENNE MECKLENBURG-VORPOMMERN. „So interessant ist mein Lebenslauf doch gar nicht“ scherzt Maren zur Begrüßung, doch dann sprudeln die Geschichten nur so aus ihr heraus. Doch lesen Sie selbst.
Tja Maren, wenn wir jetzt hier aus dem Funkhaus Plate hinaus in die Weite der Mecklenburger Felder gucken, die Sonne scheint an diesem herrlichen Herbsttag von einem wolkenfreien, strahlend blauen Himmel, das Flüsschen hinterm Funkhaus plätschert vor sich hin, es ist einfach paradiesisch hier, hättest du mal gedacht, hier zu landen und Radio zu machen?
Wo du jetzt die ganzen Vorzüge der Umgebung aufzählst, wird mir wieder bewusst, dass es doch jeden Tag schön ist, hier zu arbeiten. Ich liebe meinen Job und es macht mir auch ungeheuren Spaß. Aber vorgezeichnet war das weiß Gott nicht. Als Lübecker Mädel bin ich nach dem Abi zum Studieren nach Kiel gegangen und hab’ mich dort auch gleich an die ganze Lehramts-Palette gewagt - Deutsch, Geschichte, Religion, Wirtschaft, Politik - überall ein bisschen und vor allem vielfältig, wie man es mir empfohlen hatte. Danach ging’s für drei Jahre nach Amerika. Bei einem Farmer in Connecticut war ich untergekommen und da ich dort eine der wenigen Frauen war, die mit der Gangschaltung zurecht kamen - Einparken kann ich wie eine Göttin, das halte ich mir schon zugute [der Interviewer hat’s gesehen und erkennt das neidlos an...] - bin ich auch mit dem Pick-Up zur Wall Street in New York gefahren und habe dort auf dem Markt unsere Kürbisse verkauft.
In Amerika entstand auch mein erster Kontakt zum Radio. Beim Kellnern lernte ich einen dieser Wohnzimmerradiomacher kennen, der mich dann als Gast eingeladen hat. Die Hörer konnten anrufen und mich ausquetschen. Da kamen dann eben die typischen Fragen an eine Deutsche bis hin zum Thema „Wie bereitet man einen Elch zu?“ Ich wäre da gern noch etwas geblieben und hätten den Kontakt vertieft, aber nachdem in Deutschland die Mauer gefallen war, unterbrach in meinen USA-Aufenthalt erstmal, um hier nicht ganz den Anschluss zu verpassen.
In der Zeit hatte ich eine Freundin bei der Morgenpost in Schwerin besucht und bin dann dort auch drei Monate geblieben. Ein paar Tage war ich auch im hiesigen öffentlich-rechtlichen Funkhaus, damals gab es noch keinen NDR, aber der DDR-Rundfunk existierte auch nicht mehr richtig. Zu der Zeit war übrigens auch Birgit Hahn da, die ich damals schon geschätzt hab’ und die heute bei Radio Hamburg immer noch klasse ist. In diesen zwei Wochen in Schwerin hatte ich mein erstes Interview mit Ruth Maria Kubitschek geführt. Und mein erster Satz - das weiß ich heute noch - war „Sie haben zauberhafte Brüste“. Die Reaktion war keinesfalls Empörung sondern sie fasste das durchaus als Kompliment auf und so war es ja auch gemeint.
Jedenfalls war für mich klar, nachdem ich endgültig aus Amerika zurückgekehrt war, dass ich auf jeden Fall in den Osten wollte. Den Westen kannte ich ja schon. Für eine Freundin aus Lübeck habe ich dann einige Jahre einen Boutique-Laden in Rostock geführt. In jedem Laden hört man natürlich auch Radio und eines Tages lief die Aktion „Vier Männer suchen eine Frau“ bei der Ostseewelle. Aus über 500 schriftlichen Bewerbungen blieben schließlich 30 Leute übrig, die jeweils eine Stunde probeweise moderieren sollten. Ich bin es dann geworden - sicher auch, weil ich schon einige Erfahrungen im Umgang mit den Medien aufzuweisen hatte, unter anderem als freie Redakteurin bei den Norddeutschen Neuesten Nachrichten in Rostock.
Dann war ich bei der Ostseewelle zu hören, erst vormittags, dann nachmittags und schließlich gemeinsam mit Peter Mack in der Morningshow. Das war eine wirklich tolle Zeit und die Zusammenarbeit mit Peter hat einfach Spaß gemacht. Wir harmonierten von Anfang an und gerade was die Spontanität und das Humorverständnis betrifft, lagen wir auf einer Wellenlänge.
Dann ward Ihr plötzlich verschwunden und du tauchtest bei der ANTENNE wieder auf...
Leider gab es bei der Ostseewelle in den letzten Jahren zu wenig personelle Kontinuität. So wurde den Formaten zu wenig Zeit gegeben, sich entwickeln zu können. Als sich unser Ende bei der Ostseewelle abzeichnete, haben wir uns on air verabschiedet und den Hörern gesagt, „Hey Leute, es kann sein, dass ihr uns morgen nicht mehr hören könnt.“ Da ANTENNE MECKLENBURG-VORPOMMERN schon immer mal bei mir angeklopft hatte und die Kontakte bestanden, bin ich dann im Herbst 2000 ins Funkhaus Plate gekommen und nun hier am Vormittag von 10.00 bis 14.00 Uhr zu hören. Die Atmosphäre stimmt und das ist das Wichtigste.
Maren Bockholdt im Radio ist auch immer ein Stück lebendiger Alltag, ein paar Anekdoten und Emotionen, die die Hörer auch in ihrem Lebensbereich betreffen...
Ich will immer ein Stückchen Seele zeigen und die Leute sollen sich in dem, was ich sage, wiederfinden. Dazu sollte man ihre Sprache sprechen, kann sich aber auch seine Eigenheiten bewahren. Ich benutze nun mal immer noch den Genitiv, auch wenn der scheinbar ausstirbt, und es hat sich bisher keiner dran gestört. Ansonsten gilt: Ich erzähle das, wo ich meine, es berührt die Hörer.
Wenn mir morgens der braune Nagellack auf die weißen Fliesen fällt, ist sowas Thema für die Sendung. Und die Hörer rufen dann an und sagen, kenne ich, ist mir auch schon passiert, schön, dass ich nicht der einzige bin. Verbale Seelenstreicherei ist doch die schönste Eigenschaft, die das Radio bewirken kann. Die meisten Sachen kriegt man ohnehin beim halbstündlichen Serviceblock unter. Man muss das Wetter nicht jedes Mal gleich langweilig und trocken anmoderieren, sondern kann auch mal erzählen, wie man heute morgen selbst ratlos vorm Kleiderschrank stand. Und dann die Überleitung zum Verkehrs- und Blitzerplatz bietet auch nochmal Gelegenheit, ein kleines Ping-Pong-Wortspiel zu machen. Mit meiner Romy Hiller klappt das eigentlich gut.
Am Allergeilsten ist es aber immer, wenn eine direkte Rückmeldung von den Hörern kommt. Wenn man von den gelben Blumen auf der Wiese vorm Funkhaus erzählt, deren Namen einem gerade nicht einfällt, es dann bimmelt und jemand sagt „Maren, das sind Butterblumen“. Sowas lässt sich auch gut bei Rezepten machen. So langsam habe ich die Hörer schon soweit konditioniert, dass sie auch wirklich zum Hörer greifen. Hier gilt dann wieder, was ich schon zu Anfang sagte: Radio ist ein erotisches Medium, das, wenn man es gut macht, einen liebevollen, sensitiven Umgang mit den Hörern ermöglicht. Du kannst genau auf den Punkt treffen, was gerade Stadt- oder Landgespräch ist. Dazu muss man sich aber auch den Respekt vor dem Medium erhalten. Wer meint, immer der Radiostar zu sein, wird sicherlich schwierig auf Augenhöhe mit den Hörern kommunizieren können. Mich wundert es auch manchmal, wenn Leute von mir ein Autogramm haben wollen. Neulich schrieb einer, ich bin doch morgens immer der erste bei ihm im Schlafzimmer. Da merkt man dann, wie Radio wirklich wirkt.
Bei dir spürt man geradezu, wie du dich mit dem Medium Radio intensiv befasst. Wer sind denn deine „Radio-Götter“ von heute und aus Jugendtagen?
Neben Peter Mack und Birgit Hahn, die ich beide schon erwähnt hatte, finde ich auch Jens-Uwe Krause von Bremen Vier und Hamburgs Morgengott John Ment klasse. Bei letzterem fasziniert mich auch seine off-air-Präsenz, zum Beispiel bei der Travemünder Woche. Howard Stern ist mir aus den Staaten auch noch in guter Erinnerung. Früher hab’ ich vor allem NDR 2 gehört, mit dem »Mittagskurier« oder der »Plattenkiste«, wo Bürogemeinschaften eingeladen wurden und sich ihre Musik mitbringen konnten. Eine meiner Lieblingssendungen war »Der heiße Draht« mit der umwerfenden Sabine Rossbach-Hesse, die heute Fernsehchefin im Landesfunkhaus Schwerin ist. Und Bettina Rust in ihrer »HörBar« hab’ ich immer gerne gehört. Rik de Lisle hat es auch wirklich drauf. Wenn ich an die Programmmacher denke, fällt mir sofort Steffen Schambach ein. Er hat wirklich gute und umsetzbare Ideen, versteht einfach das Medium Radio.
Vor und nach der Sendung - was machst du da so?
Eigentlich bin ich ja immer im Dienst... Nicht nur weil ich Frühaufsteherin bin und entsprechend zeitig im Funkhaus aufkreuze um dann erstmal den Stapel Zeitungen und Magazine durchzuforsten, der da rumliegt, und auch nach der Sendung immer noch etwas dableibe, sondern weil ich auch mitbekommen will, worüber die Leute so sprechen. So fahre ich oft mit der Straßenbahn durch Schwerin, um zu hören, worüber sich die Leute unterhalten. Die Euro-Umrechnung, die Kassler-Preise, Fußballergebnisse oder die Lindenstraße - alles was dort besprochen wird, ist dann das Top-Thema für’s Radio. Damals habe ich mir auch jeden Tag Big Brother reingezogen - es war nun mal Gesprächsstoff und der musste sich auch im Radio wiederfinden.
Ich bin sowieso jeden Abend in der Kneipe, da ich ohnehin nicht zu Hause sitzen kann. Die Kellner lachen schon immer, wenn ich mir dann Serviette und Kuli bringen lasse, um meine aktuellen Beobachtungen zu notieren. Und dann lese ich unheimlich gern, vor allem diese Mittelalter- und Seefahrerschinken. John Irvings „Owen Meany“ liegt bei mir auf dem Nachttisch und ich hab’s mindestens schon 36 Mal gelesen - das ist einfach ein geiles Buch. David Sedaris „Ich ein Tag sprechen hübsch“ kann ich auch wärmstens empfehlen und ansonsten alles was aus den Federn von Kästner, Ringelnatz oder Max Goldt stammt. Wie auch immer, ich kann es nur nochmal sagen: Ich bin verdammt dankbar, diesen Job hier zu machen und da fällt diese Einteilung in Arbeit und Freizeit ohnehin weg.
Stefan Förster
Aus RADIOJournal 11/2002