Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern
Ansichten neben
»Guten Morgen Bayern«
Bayerns Morning-Moderatoren erzählen mehr
Morgen für Morgen [2001] standen zwei „bayerische” Moderatoren besonders früh für Ihre Hörer auf, um diese gut aufgelegt in »Guten Morgen Bayern« und »Guten Morgen Bayern Extra« zu unterhalten. Katrin Müller-Hohenstein und Wolfgang Leikermoser von ANTENNE BAYERN sind für Ihre zahlreichen Stammhörer zum täglichen Inventar geworden. Wer sich jedoch genau hinter den populären Stimmen verbirgt, bleibt meist ungeklärt. Ebenso interessant ist es, zu erfahren, wie man zu einem Job kommt, von dem viele Radiomoderatoren Deutschlands träumen und der einem trotzdem einen Lebensrhythmus abverlangt, der dem eines Bäckers oder Zeitungsausträgers ähnelt. Urs Koenig betrieb Ursachenforschung in Sachen „KMH” und „Leiki”, so die gleichermaßen gängigen Namen der Antenne-Aushängeschilder. Das Ergebnis: Nachdenkliches, Meinungen, Amüsantes und natürlich Fakten, Fakten, Fakten!
Leiki, woher kommst du? Wie bist du zum Radio gekommen?
Die „Zeitrechnung Leiki” begann im Jahre 1965 und nahm bis in die Jugendjahre das kleine Örtchen Viehhausen bei Salzburg ein. Ich bin eine besondere Spezies der „Austro-Sachsen”, denn mein Vater ist Österreicher und meine Mutter Leipzigerin. Schon früh kam ich mit dem Medium Radio in Kontakt und ich kann mich gut daran erinnern, wie ich damals still und heimlich unter meiner Bettdecke die ersten Aufnahmen machte. Meine erste Probesendung für Ö3 machte ich im zarten Alter von sechzehn Jahren und man mag es kaum glauben: Ich war den Herren im biederen Österreich zu kritisch! Eine ziemlich harte Vorstellung, wenn die „großen Herren” vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk diese Botschaft einem Jugendlichen als Grund der Absage mitteilen müssen. In diesem Moment war für mich die weitere Lebensplanung eine klare Sache: Mein Ziel hieß: „Raus aus Ösi-Land, rein ins Land des Sauerkrauts und der Bratwurst!” Mit 21 wurde ich bei Radio Gong vorstellig, die mich auch gleich fragten, ob ich nicht Lust hätte, die neben München zweite Station in Nürnberg aufzubauen. Mit genau 120 Mark und einer Luftmatratze unter dem Arm fing ich dort an, bevor mich Mike Haas (ehemals PD von Radio Charivari und Antenne Bayern; d.Verf.) zu ANTENNE BAYERN holte.
Was sind denn für dich die entscheidenden Unterschiede zwischen österreichischem und deutschem Rundfunk?
Der entscheidende Unterschied: Österreich ist ein kleines Land. Das fängt bei der Sprache an und hört beim „Geist” auf. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hält hier eine Monopolstellung aufrecht, die unangreifbar ist und keinen Platz für „Freigeister” bietet. Vielmehr gibt es hierzu eigentlich nicht zu sagen, es ist eher eine nüchterne Bilanz.
Unter diesen harten Voraussetzungen muss es als „österreichischer Freigeist” eigentlich besonders schwierig gewesen sein, den „richtigen Draht” zum Radio zu finden. Du musst ja ein richtiger Freak sein!?
Absolut! Radio zu hören oder auch Bücher zu lesen sind für mich zwei ganz tolle Sachen. Jeder stellt sich beim Ausüben dieser Freizeittätigkeiten imaginär etwas anderes vor. Radio ist Kino im Kopf. Wirklich wahr! Das Fernsehen ist im Gegensatz hierzu eine sehr ultimative Geschichte, die kaum Spielraum für Fantasie lässt. „So wie man es sieht, so ist es”. „Radio ist hingegen Magic!” Es ist das schnellste Medium und wird es auch immer bleiben. Es hat Weltgeschichte geschrieben und begleitet uns überall hin. Außerdem ist es „sauber und macht keinen Dreck”, dass heißt, es riecht nicht und hinterlässt keine Müllberge.
Gab es bei Dir denn schon Kontakte zum „ultimativen” Medium Fernsehen?
Ja, einige wenige Jahre habe ich beruflich in dieser Branche verbracht. Zwei Jahre als täglicher Magazinmoderator bei RTL in München und auch Arbeit bei ProSieben hinter den Kulissen. Man muss in dieser Branche beachten, dass die Halbwertzeit von Moderatoren wie auch von Formaten überaus kurz ist. Man ist von „tausend” Personen abhängig, mit denen man als Moderator „steht und fällt”: Beleuchter, Kameramann, Regisseur und Programmdirektor, die einen unterstützen oder auch fallen lassen können. Als Sprecher bzw. Moderator ist man mehr ein Verkäufer, der unselbständig vom Teleprompter abliest und trotzdem noch versuchen muss, eine gute Figur zu machen. So sieht es heutzutage leider in der Fernsehlandschaft aus. Wo gibt es denn noch Sendungen, in denen ein Moderator eine wirkliche Persönlichkeit darstellt, die er auch im Sinne des Programmerfolges einsetzen darf? Moderatoren sind hier eher Ansager. Nehmen wir einmal Kai Pflaume als Beispiel. Die vom Sender sprichwörtlich vorgeschriebene Rolle füllt er perfekt aus, doch wer würde sich beschweren, wenn plötzlich morgen eine „andere Pflaume” dessen Rolle ausfüllen würde? In früheren Zeiten wurden viele Programme im TV auch schon tot gesagt, doch man hielt an ihnen fest. Und dies zurecht.
Was macht denn einen „guten” Moderator aus? Beispielsweise im Hörfunk, der uns hier doch noch mehr interessiert als TV?
All die Moderatoren, die schon über längere Zeit, dass heißt mehrere Jahre, eine feste Morningshow machen, sind wirkliche Profis und haben Stellungen inne, die nur Wenigen vorbehalten sind. Im Laufe der Zeit hat sich der echte Radioprofi herauskristallisiert, der zum einen die Technik im Selbstfahrerstudio beherrscht und darüber hinaus auch noch die Gabe besitzt, Hörer zu binden. Im vorgegebenen Format, in dem er arbeitet, gibt er dem Programm dessenungeachtet noch seine eigene Färbung - Anstrich, Personality und Stimme. Sein Job besteht zu 90 Prozent aus harter Arbeit, Professionalität und Erfahrung, und in 10 Prozent aus Spontanität. Die Zeiten, in denen der Moderator mit ein paar Platten unter dem Arm fünf Minuten vor Beginn der Sendung ins Studio kam, ein paar Witze riss und wieder ging, sind seit 14 Jahren, dass heißt mit dem Start des privaten Rundfunks in Deutschland, vorbei.
Wie siehst du dich unter diesen Gesichtspunkten?
Ich bin eine Art Chamäleon. Auf der einen Seite bin ich derjenige, welcher wie der Bäcker am Morgen jeden Tag seine Brötchen bäckt. Ich versuche halt die Zutaten so zu mischen, dass sie besser schmecken als bei der Konkurrenz, das heißt, ich muss Entertainer und gleichzeitig journalistisch glaubwürdig sein. Das Wichtigste jedoch: Weiterhin unterhaltend binden zu können und dabei authentisch zu sein. „Glaubwürdigkeit” ist wohl der Begriff, den ich am Größten schreiben muss, denn der Hörer merkt unterbewusst, ob ich als sein „Gesprächspartner” echt bin.
Katrin, wolltest du auch schon immer Moderatorin im Rundfunk werden?
Bei kleinen Jungen ist es oft so: Wenn man sie fragt, was sie einmal werden wollen, dann sagen sie so etwas wie Fußballprofi oder Lokomotivführer. Erstens bin ich kein Junge und war dies auch nie, zweitens antwortete ich früher auf diese Frage: Moderatorin vom „Aktuellen Sportstudio!” Zum Radio kam ich mit viel Glück und natürlich auch ein bisschen Talent. Nach ein paar Semestern Theaterwissenschaften, eine Art Verlegenheitsstudium, und einem vorangegangenen zweijährigen Auslandsaufenthalt hörte ich von einem neuen Radiosender in Nürnberg [Radio Starlet; d. Verf.], bei dem ich mich einfach blind bewarb. Ich fand den Gedanken, Radio zu machen, ganz plötzlich unglaublich aufregend und interessant. Dort lernte ich eigentlich das ganze Radiohandwerk von A bis Z. Zu Gute kam mir, dass ich aufgrund meiner Herkunft [Vater und Mutter aus Essen und Berlin; d. Verf.] keinen fränkischen Dialekt hatte. Nach Radio Starlet arbeitete ich vier Jahre beim Nachbarsender Radio Gong, bei dem ich ein „ordentliches Volontariat” absolvierte und wenig später Leiterin der Redaktion Wort wurde. Zu ANTENNE BAYERN kam ich dann später über den damaligen Programmleiter Viktor Worms, der mich schon zu einem früheren Zeitpunkt abwerben wollte, den ich aber noch etwas zappeln lies, da die Antenne zu diesem Zeitpunkt in meinen Augen noch so etwas wie ein „Hausfrauensender” war.
Du warst also nicht immer Moderatorin? War es trotzdem dein großer Traum, zu den weiten Massen zu sprechen?
Nein, ganz und gar nicht. Vor das Mikrofon wurde ich sozusagen „geprügelt”. Am Anfang meiner Radiokarriere war das Wort im Sinne von Beiträgen und Nachrichten meine Leidenschaft. Ich dachte immer: „Toll, wie die Moderatoren ihr Programm abfahren und gleichzeitig die Technik beherrschen.” Die Moderation an sich widerspricht normalerweise völlig meinem Naturell, da ich eher ein zurückhaltender und scheuer Mensch bin, der sich alles ganz genau vorher anschaut, bevor er etwaige Risiken eingeht. Doch plötzlich kam Alles ganz anders! Damals zu meinen Nürnberger Zeiten verließ von einem Tag auf den anderen eine Moderatorin das Funkhaus und mein Programmchef stellte mich vor die Wahl: „Entweder du machst das jetzt endlich oder ich hole jemanden Neues!” Er wollte halt unbedingt, dass ich mich hinter das Mikrofon stelle und er war in seinem Vorhaben erfolgreich. Ich sagte mir: „O.K., Mädchen, versuch' es”, und nach wenigen Wochen, als die ersten Hürden überwunden waren und mir die Arbeit im Studio locker von der Hand ging, machte es mir auch richtig Spaß.
Hast du ein Vorbild, was die Moderation betrifft?
Ein Vorbild im herkömmlichen Sinne habe ich eigentlich nicht. Mein persönlicher „Radiogott” ist jedoch ein Kollege von ANTENNE BAYERN, der auf den Namen Stefan Lehmann hört. Ich habe bisher niemanden erlebt, der es so unangestrengt versteht, Inhalte zu vermitteln und dabei spontan und witzig zu bleiben. Idole zu haben finde ich auch gar nicht besonders gut, vor allem sollte man als Frau keine männliche Person als Vorbild haben.
Hast Du schon einmal mit dem Gedanken gespielt, beim Fernsehen zu arbeiten?
Ich sage es ganz ehrlich: Ich finde Fernsehen, so wie es sich derzeit darstellt, schrecklich. Selbst wenn ich einigen Beschäftigten dieser Branche Unrecht tue, so bin ich bisher in diesem Bereich immer auf unglaublich hochnäsige Leute getroffen. Egal, in welchem Ressort bzw. in welchem Aufgabenfeld diese arbeiten: Sie nehmen sich immer extrem wichtig!
Mich reizt TV auch überhaupt nicht; privat besitze ich derzeit noch nicht einmal ein Fernsehgerät. Ambitionen, hier zu arbeiten bzw. zu moderieren, hätte ich schon aufgrund meiner Ungeduld nicht. Fernsehaufnahmen dauern in der Regel bekanntlich sehr lange, da noch die dritte Dimension, das Bild, produziert werden muss. Außerdem kann ich im Gegensatz hierzu beim Radio in einer Sendung alle Inhalte, egal ob Comedy oder pure Information, innerhalb einer Sendestunde präsentieren. Für Abwechslung ist in meinem Job immer gesorgt!
Bei ANTENNE BAYERN kennen dich die Hörer auch als geschickte Interviewerin von Stars und „Sternchen”. Siehst du dich in der Rolle der Moderatorin eher als Entertainerin oder als „knallharte" Journalistin?
Gar nichts von beidem eigentlich! Ich sehe meine Aufgabe eher bewusst egoistisch, da ich zunächst einmal selbst Spaß bei der Arbeit haben möchte, wenn ich im Studio stehe. Ansonsten würde es ja auch keinen Sinn machen und es hätte auch keinen Sinn für den Zuhörer, wenn ich griesgrämig bei der Arbeit wäre. Beim Moderieren bin ich ein Mensch, der total abschalten kann und dies auch machen muss, denn wenn ich ständig daran denken würde, wie viele Menschen mir gerade zuhören [so zirca 12 gefüllte Olympiastadien; d. Verf.], dann würde ich eine „Meise bekommen”. In diesem Moment kommt mir die Atmosphäre des Radiomachens entgegen, denn im Sendestudio kann man es sich fernab der Zuhörer und völlig unbeobachtet schön „heimelig” machen!
Was machst du denn, wenn du morgens kurz vor der Fahrt ins Sendestudio, mit dem linken Bein aufstehst?
Es ist mir bisher zum Glück noch nicht passiert, dass ich früh morgens schlechte Laune hatte, ansonsten könnte ich diesen Beruf auch gar nicht in der Art und Weise ausüben, wie ich es derzeit mache. Wenn es mir mal wider Erwarten nicht besonders gut geht, dann ist dieses Thema eigentlich mit dem Zeitpunkt des Schließens der Studiotüre erledigt. Stichwort: Abschalten und in die schöne Radiowelt abtauchen!
Wer waren die imposantesten Persönlichkeiten, die du je vor dem Mikrofon gehabt hast?
Da gab es ehrlich gesagt zwei: Bette Midler, die der absolute Hammer war, und Lionel Richie, der ebenso ein absoluter Weltstar ist. Diese beiden tollen Menschen bestätigten mich einmal mehr in dem viel zitierten Vorurteil, dass es diese Kategorie von Stars nicht nötig haben, dies auch überall zu zeigen. Ein Negativerlebnis der ganz anderen Art waren Tic Tac Toe, die so gelangweilt auftraten, dass ich die Mädels fast vor die Tür gesetzt hätte.
Gab es schon einmal ein Erlebnis, dass dich „on air” fast aus der Fassung gebracht hätte?
Bei einer Wettervorhersage bezeichnete ich die Aussichten als „heiter bis sonnig und schwul”. Eigentlich sollte es „sonnig und schön” heißen; ich weiß auch nicht, welcher „Affe mich da geritten hatte”. Diese Versprecher sind aber gar nicht schlimm und dürfen auch passieren. Emotionen gehören zum Radio wie die Butter auf das Brot. Man darf als Moderator auch keine Angst vor Pannen haben, sie geschehen so oder so. Ich kann mich noch gut an eine unserer Nachrichtensprecherinnen erinnern, die wegen eines Gags, der kurz vor ihrem Auftritt lief, nicht mehr in der Lage war zu sprechen. Danach riefen viele Hörer an, die es „herzerfrischend” fanden, zu hören, dass beim Radio Menschen „wie du und ich” hinter dem Mikrofon stehen.
Urs König
Aus RADIOJournal 4/2001