Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern
Foto: © Stefan Förster
»Der Weg zum Radio war eigentlich schon früh klar...« - Claudia Wandrey moderiert und talkt bei bigFM
Sie ist quirlig und flippig, witzig und charmant und auch on air eine Sympathieträgerin. Ihre Sendungen sind authentisch, ihre Moderation 100 Prozent Claudia Wandrey. Bei bigFM hat sie mit »Claudis Nightlounge« eine eigene Talkshow, die es so im Südwesten noch nicht gegeben hat. Mehr über Themen und Anrufer, ihren ungewöhnlichen Weg zum Radio und ein Videotape als Türöffner für’s Volontariat erzählt Claudia hier.
Claudi, welche Erinnerungen verbinden sich für dich mit dem Medium Radio?
Als Kind habe ich Musik gehasst, das hat sich später natürlich geändert. Zu Hause bei uns in Mainz, wo ich aufgewachsen bin, lief immer RPR1. Der einzige Moderator, an den ich mich dort erinnern kann, ist Tillmann Uhrmacher. Er hat die House- und Technosendung »MaxiMal« moderiert, die heute bei sunshine live zu hören ist. Da das meine favorisierten Musikstile sind, hab’ ich hier immer gerne zugehört.
Aber selbst mal beim Radio zu landen, daran hast du nicht gedacht?
Doch doch – der Weg zum Radio war mir schon relativ früh klar. Ich hab’ meiner Mum immer gesagt, ich will Moderatorin werden. Sie hat das natürlich belächelt und nicht so ernst genommen. Dann habe ich bei RPR1. mit 16 bei einem Gewinnspiel teilgenommen, wo zehn Fragen zu beantworten waren und es für jede richtige Antwort Geld gab. Gewonnen hab’ ich natürlich nichts, aber nachdem die Aufzeichnung am nächsten Tag im Radio lief, bekam ich einen Anruf von einem Tonstudio in Koblenz. Ich dachte erst, wer will mich denn hier verarschen, aber der Mann vom Tonstudio sagte, „ich finde deine Stimme cool“ und wollte mich für ein paar Produktionen haben. Dann schloss sich ein Praktikum bei RPR in Mainz an. Nach der Schule saß mir natürlich meine Mum im Nacken, die meinte, mach’ eine Ausbildung, studiere, aber geh nicht zum Radio. Durch Zufall bin ich dann an eine Friseurausbildung geraten, die ich auch zu Ende gemacht hab’. Was ich einmal anfange, ziehe ich auch durch. Ich bin zwar im Grunde ein völliger Vollchaot, kriege aber trotzdem alles geregelt.
Vom Zuhören und Plaudern im Friseursalon ist der Sprung zum Rundfunk ja auch nicht mehr so groß…
Genau. Mir war dann schnell klar, ich will zu bigFM, frag’ mich aber nicht, wie ich da drauf gekommen bin. Ich habe im Internet gesurft und mit einem Freund, der Designer in Mainz ist, eine ausgefallene Bewerbung entworfen. Nach einer Einladung klappte es schließlich mit einer Zusage für ein Praktikum in Stuttgart von November 2004 bis Februar 2005. Ich bin dann voll und ganz nach Stuttgart gegangen, habe in Mainz alles gecancelt, meine eigene Wohnung aufgegeben und wurde für verrückt erklärt. Bei bigFM konnte ich unter anderem die Morningshow betreuen, war eigentlich in vielen Bereichen sehr engagiert und da gerade Praktikantenmangel herrschte, konnte ich noch einen Monat länger bleiben. Schließlich kam ich zu unserem Geschäftsführer Kristian Kropp ins Büro, der mich gleich fragte, warum ich noch nie bei ihm gewesen bin, um zu klären, wie es weitergeht. Ich interessierte mich für ein News-Volontariat, das jedoch für einen Mann vorgesehen war. Da die Kollegen auch sehr traurig waren, dass ich nicht bleiben konnte, entstand die Idee eines Videos mit allen Mitarbeitern, die erklärten „ich will, dass die Claudi bleibt, weil…“ Es ist ein super ironischer Film entstanden, wo ich auch mit Leuten auf der Straße Quatsch gemacht hab’.
Bei Katrin Langenfeld, die die Pressearbeit bei bigFM macht, haben wir noch bis sechs Uhr morgens den Film geschnitten, ehe der Termin mit Kristian Kropp kam. Er wollte mir gerade die endgültige Absage für den Volontärsplatz mitteilen, als ich ihm das Video überreichte. Am selben Abend war, wie jeden Mittwoch, die „DJ Academy“ im Sender, wo der Chef betonte, bigFM möchte ohnehin stärker in die visuelle Richtung gehen, weshalb ihm auch die Idee mit dem Video gut gefiel. Ende gut, alles gut: Ich bekam einen zusätzlichen Volontärsplatz und durfte bleiben. Mein Herz hängt am Radio und das war für mich der Beweis, wenn man etwas will, wird es auch!
Und jetzt hast du schon deine eigene Talkshow. Wie enstehen die Themen und wer ruft da so an?
Ich konnte mich zwei Monate entspannen, war danach ein halbes Jahr freie Mitarbeiterin und am 1. Januar 2006 ging es mit dem Volo los. Ich habe die ersten Monate alles gemacht, Major Promotions betreut, Interviews geführt, Tipps zusammengestellt. Im März entstand die Idee mit »Claudis Nightlounge«, die jeden Donnerstag von 22.45 Uhr bis 1.45 Uhr läuft. Seit einigen Wochen bin ich auch im Tagesprogramm als Urlaubsvertretung und am Wochenende zu hören. Es ist jeden Tag wieder geil, wenn man im Studio steht, den Vibe spürt und merkt, dass es läuft.
Die »Nightlounge« hat schnell viele Anrufer gehabt, weil es so ein Format in dieser Form im Südwesten noch nicht gab. Zu Anfang habe ich selbst noch mehr kommentiert und Tipps gegeben, jetzt halte ich mich etwas zurück und die nachfolgenden Anrufer übernehmen das mit. So helfen sich Hörer auch gegenseitig.
Es gibt schon Geschichten, wo man schlucken muss und merkt, wie skurril das Leben mitunter ist. Beim Thema „Ein Geheimnis, das keiner wissen darf“ meldete sich zum Beispiel eine 21-Jährige, die als Nebenjob auf den Strich geht und von einem Mann regelmäßig sehr viel Geld bekommt, damit sie ihn verprügelt. Ein 19-jähriger Junge, streng katholisch erzogen, erzählte, dass er immer nackt in der Wohnung rumläuft, wenn er allein zu Hause ist. Das war seine Art, sich strengen Sitten und Reglementierungen zu entziehen. Ein Anrufer hatte mit der Schwester seiner Freundin ein Verhältnis angefangen und wusste nicht mehr weiter.
Manchmal haben wir offene Sendungen, wo jeder mit einem Thema anrufen kann, das ihm gerade auf der Seele liegt. Viele Anrufer erzählen mir, dass sie zum ersten Mal bei so einem Format mitmachen. Die Talkformate im Fernsehen sind ausgelutscht, da kommt das Wort im Radio immer noch am besten zur Geltung. Mir liegt das Format auch. Viele Leute vertrauen mir, ich war immer Klassensprecherin und Kummerkasten, habe etliche Dinge geregelt und war irgendwie dafür geeignet.
Stefan Förster
Aus RADIOJournal 7/2006