Interviews
mit Radioleuten und Radiomachern

»Das Mikrofon als guter Freund«
Aline Gebauer moderiert den Nachmittag
bei Radio Brocken

Authentische Persönlichkeiten, die unverkrampft und hörernah auf Sendung gehen, sind nicht unbedingt der Regelfall im Radiomarkt. Bei Aline Gebauer merkt man sofort, dass sie mit Hingabe und Leidenschaft bei der Sache ist. Mit ihrer markanten Stimme und ihrer unverfälschten Art ist sie die akustische Begleitung am Nachmittag bei Radio Brocken. Als langjährige Moderatorin beim Sender kennt sie Sachsen-Anhalt und Sachsen-Anhalt kennt sie. Dabei macht ihr die Arbeit vorm Mikrofon noch immer soviel Freude wie am ersten Tag. Grund genug, mit Aline Gebauer mal darüber zu reden, wie sie zum Radio kam und was sie mit dem Medium verbindet.

Aline, du bist im heutigen Sachsen-Anhalt aufgewachsen, wo man schon immer gut Westradio hören konnte. Welche Erinnerungen hast du an den Rundfunk deiner Kindheit und Jugend?

Bei uns zu Hause wurde nie DDR-Radio gehört. Insofern bin ich wirklich mit SFB 2, NDR 2 und RIAS aufgewachsen. Großartig fand ich bei NDR 2 die Kuppelsendung mit Carlo von Tiedemann, die mir immer noch in lebhafter Erinnerung geblieben ist. Damals war Radio noch etwas für die ganze Familie. Wenn man sich das heute mal überlegt, merkt man erst, welche Bandbreite uns geboten wurde. Meine Eltern hörten bei NDR 2 die »Deutsche Schlagerparade«, direkt im Anschluss war ich bei der »Internationalen Hitparade« dabei. In Erinnerung habe ich auch noch »Hit oder Niete« bei SFB 2. Da musste man entscheiden, ob ein Song tatsächlich Hitpotenzial hat. Das war natürlich auch in der Schule Gesprächsthema.

So war ich die erste, die damals „People are People“ von Depeche Mode auf Kassette aufgenommen hatte, was später ja wirklich ein riesiger Hit wurde. Oft hab’ ich mich auch gefragt, was würde ich machen, wenn ich Musikredakteur wäre. Überhaupt hatte das Radio einen ganz anderen Einfluss. Wir sind mit NDR 2 an die Ostsee zum Urlaub gefahren, haben den Sender durchweg gehört. So konsumiert man heute gar nicht mehr Radio. Auch Uwe Bahn und der „Alte Ami“ Rik de Lisle sind mir als Radioikonen in lebhafter Erinnerung.

Damals war dein Weg zum Radio aber noch keinesfalls vorgezeichnet…

Nein. Nach einer Lehre zum Wirtschaftskaufmann - die heute übliche weibliche Bezeichnung gab es damals noch nicht - arbeitete ich zunächst im Press- und Stanzwerk Raguhn. Nach diesem praktischen Jahr ging es zu ORWO nach Wolfen, ehe ich an der Technischen Hochschule in Merseburg ein Studium zum Diplom-Kaufmann begann. Genau zu dieser Zeit startete gerade MDR Life mit damals ziemlich laienhaft klingenden Moderatoren. Da dachte ich mir: Das kannst du auch. Meine Eltern ermahnten mich zunächst, erstmal „etwas Ordentliches“ zu machen. Also habe ich zu Ende studiert. Dann entdeckte mein Vater eine Anzeige, dass radio SAW in Magdeburg Leute sucht. Ich hab’ mich in Schale geworfen und bin mit dem Trabi direkt dorthin gefahren. Ein Redakteur wollte mich mit dem Hinweis abwimmeln, ich solle doch eine Bewerbung schicken. Das hat mir nicht gereicht. Da habe ich weiter genervt und erfahren, dass am nächsten Tag die Chefs wieder da sind. Diese Hartnäckigkeit brachte mir ein Praktikum ein, aus dem sich eine freie Mitarbeit in der Redaktion entwickelt hat.

Dann zog es dich von Magdeburg nach Leipzig und schließlich bist du in Halle gelandet…

Bei radio SAW hatte ich den Wunsch geäußert, dass ich gern moderieren möchte. Dort gab es keinen Bedarf, aber man hat mir Radio PSR in Leipzig empfohlen, das zu dieser Zeit gerade Moderatoren suchte. Hier hatte ich dann auch - am 11. November 1995 - unter großer Aufregung meine erste Nachtsendung. Zweieinhalb Jahre blieb ich in Leipzig, war aber nicht nur in der Nacht sondern auch bei der Hitparade oder in der Sendung »Grüße und Briefe« zu hören.

Dann ging es für ein halbes Jahr nach London, wo ich an der Webster University auch einen Abschluss machen konnte. Kaum zurück, lernte ich meinen Mann kennen, der einen Studentenjob bei Radio PSR machte. Dann ging alles ganz schnell: Aus Aline Zimmermann wurde Aline Gebauer. Seit 1999 bin ich schließlich in Halle bei Radio Brocken, das damals gerade unter dem sperrigen Namen Hit-Radio Antenne Sachsen-Anhalt sendete. Da war ich froh, dass ich keinen Doppelnamen hatte…

Dort warst du sicher erstmal auf verschiedenen Sendeplätzen zu hören?

Genau, ich hatte erstmal für ein halbes Jahr die Generalvertretung. Meine größte Sorge war zunächst, nicht den Slogan von PSR zu verwenden, den ich natürlich immer noch drauf hatte. Auch das Impressum, das wir in Leipzig immer um Mitternacht vorlesen mussten, konnte ich Jahre später noch aufsagen. Dann moderierte ich für zweieinhalb Jahre den Vormittag, ehe ich am Abend und in der Kuppelsendung »Herzflimmern« zu hören war. Nach der Geburt meines zweiten Sohnes sendete ich eine Zeit lang nur am Wochenende. Seit einem Jahr bin ich nun am Nachmittag auf Sendung. Zum ersten Mal habe ich hier das Gefühl, hundertprozentig hinzupassen. Das was ich mache, bin ich und wenn die Hörer das genauso sehen, bin ich zufrieden. Die Sendeinhalte erarbeiten wir zusammen mit der Redaktion. Für mich ist es durchaus ein Vorteil, direkt aus dem Land zu kommen und hier verwurzelt zu sein. Da kann man viele lokale Ereignisse ganz anders einordnen.

Welche Radiopannen oder lustige Ereignisse sind dir in Erinnerung?

Es kommt schon öfters mal vor, dass die Technik versagt. Es passiert auch, dass man meint, off air zu telefonieren und es ging dann raus. Da hofft man schon, nicht allzu viel Unsinn erzählt zu haben. Bei radio SAW habe ich mal einen Beitrag recherchiert, wo dann ein Informationsfax „zu Händen Herrn Zimmermann“ ankam. Da dachte ich mir, so tief ist deine Stimme doch nun auch wieder nicht.

Hat es dich eigentlich jemals gereizt, zum Fernsehen zu gehen?

Nein. Es gibt schon beim Radio viele schräge Stimmen, die nicht geeignet sind. Beim Fernsehen ist das noch schlimmer, weil vor allem nach der Optik besetzt wird. Es ist schwer, Qualität auf dem Bildschirm unterzubringen. Ich fühle mich auch nicht zum Fernsehen berufen. Radio Brocken ist ein sehr netter Sender, wo das Team stimmt. Das sagen auch viele ehemalige Mitarbeiter. Hier gibt es eine angenehme Grundatmosphäre, die sich über die Jahre gehalten hat.

Eine große Besonderheit ist die von dir moderierte Sendung »Kinderzeit« sonntags zwischen 6.00 und 9.00 Uhr. So etwas gibt es im deutschen Privatradio nirgendwo anders - sieht man mal von Radio TEDDY ab - und auch bei den öffentlich-rechtlichen Sendern sind eigene Kinderformate selten geworden. Wie entstand die Idee dafür?

Den Anstoß gab unser damaliger Programmdirektor Klaus Becker. Am Anfang war die Idee zu schauen, welche Kinder wir im Sender haben. Da war zum Beispiel Andrea Glinka mit ihren beiden Töchtern, die aber meinte „nee vorm Mikro sagen die nichts“. Also haben wir es mit meinen beiden Söhnen, vor allem mit dem Großen, probiert. Johannes hat dann ein paar witzige Drop-Ins à la „da kann man ganz tolle Sachen gewinnen“ gesprochen. Es waren viele kleine Bausteine, die so entstanden sind und die Sendung ist Stück für Stück gewachsen. Auch für die Nachrichtenredaktion haben wir Kinder gesucht. Zu Anfang musste man einfach gucken, was machen sie mit und wo haben wir vielleicht zu hohe Erwartungen an sie. Die Zielgruppe ist ja durchaus bunt gemischt. Während die Kindernachrichten eher etwas für die Jungs und Mädels sind, die schon zur Schule gehen, machen bei Verlosungen natürlich auch schon Jüngere mit. Schließlich entstand die Kooperation mit TOGGOLINO. So sind wir heute der einzige Radiosender in Deutschland, wo »Bob der Baumeister« als Angebot für die drei bis Fünfjährigen zu hören ist. Letztendlich ist die Sendung ein Wochenrückblick von dem, was meine Kinder beschäftigt. Wenn der Große das dritte Mal im Fußball verloren hat, lasse ich ihn das genauso erzählen wie ich den Kleinen beim Sprechen lernen begleiten konnte und wir daraus ein Rätsel gemacht haben. Johannes ist mittlerweile fast Neun, Anton fast Vier. Es gibt also noch auf Jahre hinaus genug Möglichkeiten für die Sendung. Neffen und Nichten sind auch vorhanden. Auch auf Kindergartenkinder haben wir schon zu-rückgegriffen, etwa wenn sie im Chor „Radio Brocken ist toll“ sagen.

Meinen Söhnen stelle ich das Mitmachen frei. Wenn sie Lust haben, sind sie dabei, wenn nicht, machen wir eben was Anderes. Anfangs waren wir live im Studio, mittlerweile hat sich das mit den Jungs so eingespielt, dass wir die einzelnen Sachen aufzeichnen und vorproduzieren, damit keiner Sonntagfrüh um 6.00 Uhr ins Studio muss. Die Sendung läuft deshalb so rund, weil meine Kinder es so machen und sich so geben, wie sie sind. Natürlich ist es auch ein Angebot an die Eltern die meinen, ihre Kinder müssten am Sonntagmorgen nicht unbedingt fernsehen. Das ist wirklich eine schöne Sache.

Was bleibt neben dem Leben als Moderatorin und Familienmanagerin noch an Freizeit?

Vormittags bin ich in der Tat Hausfrau und Mutter, dann geht es in den Sender. Privat bin ich eher der Jeans- und T-Shirt-Mensch. So bin ich in meiner Freizeit auch gern zuhause und in meinem Garten.

Im Sender habe ich einen guten Freund und das ist das Mikrofon - dem erzähle ich fast alles. Die Leidenschaft für’s Radiomachen, die ich früher als Hörerin erlebt habe, will ich auch gern selbst transportieren und dabei auch an die guten alten Radiotraditionen anknüpfen. Natürlich ist in einer Sendung auch viel Pflichtprogramm dabei, aber es liegt ja auch an einem selbst, wie viel Personality man einbringt. Apropos Freizeit: Wenn Radio Brocken jetzt vom Stadtrand ins Zentrum von Halle umzieht, werde ich auch meine An- und Abfahrt anders organisieren. Das Auto lasse ich dann außerhalb der Innenstadt stehen und werde das letzte Stück mit dem Fahrrad zurücklegen. Ich habe noch das wohl älteste MIFA-Klapprad der DDR - von 1968. Das ist noch älter als ich und wird künftig wieder regelmäßig eingesetzt - soviel Tradition muss sein.

Stefan Förster
www.brocken.de
Aus RADIOJournal 12/2007
 



»... Seit einem Jahr bin ich nun am Nachmittag auf Sendung. Zum ersten Mal habe ich hier das Gefühl, hundertprozentig hinzupassen. Das was ich mache, bin ich und wenn die Hörer das genauso sehen, bin ich zufrieden. Die Sendeinhalte erarbeiten wir zusammen mit der Redaktion. Für mich ist es durchaus ein Vorteil, direkt aus dem Land zu kommen und hier verwurzelt zu sein. Da kann man viele lokale Ereignisse ganz anders einordnen...«


Foto: © Radio Brocken

»... Meinen Söhnen stelle ich das Mitmachen frei. Wenn sie Lust haben, sind sie dabei, wenn nicht, machen wir eben was Anderes. Anfangs waren wir live im Studio, mittlerweile hat sich
das mit den Jungs so eingespielt, dass wir
die einzelnen Sachen aufzeichnen und vorproduzieren, damit keiner Sonntagfrüh um 6.00 Uhr ins Studio muss. Die Sendung läuft deshalb so rund, weil meine Kinder es so machen und sich so geben, wie sie sind. Natürlich ist es auch ein Angebot an die Eltern die meinen, ihre Kinder müssten am Sonntagmorgen nicht unbedingt fernsehen.
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• Seit Sommer 2009 ist Aline Gebauer mit ihrer eigenen Produktionsfirma selbständig.
www.audialine.de