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Webausgabe 3-4/2024


Foto: © Max Tödtling

“Gesellschaft mitgestalten geht nur, wenn man Verantwortung übernimmt und vorne steht”

Am 1. Februar hat sie ihr Amt als neue Caritas-Präsidentin angetreten: Nora Tödtling-Musenbichler, seit einem Jahr Caritas-Direktorin in der Steiermark, wird dann oberste Repräsentantin der kirchlichen Hilfsorganisation mit einem Jahresumsatz von über 900 Millionen Euro, 17.700 hauptamtlichen und 46.000 ehrenamtlichen Mitarbeitenden sein. Am Sonntag, den 7. Januar war sie zu Gast in Ö3-”Frühstück bei mir”. “Es war für mich überraschend, dass Michael Landau zurückgetreten ist und noch überraschender war es, dass ich gefragt worden bin”, sagt die 41-jährige Steirerin in der Sendung. “Ich habe aber bald zugesagt, weil es für mich wichtig ist, Gesellschaft mitzugestalten. Das kann man nur, wenn man Verantwortung übernimmt und vorne steht, das geht oft schlecht aus der zweiten Reihe.”

Kennenlern-Termine mit Politikern stehen ganz oben auf ihrer Agenda. Ob sie Karl Nehammer auf seinen “Burger-Sager” ansprechen wird? Nora Tödtling-Musenbichler zu Ö3-Moderatorin Claudia Stöckl: “Ich werde ihn auf Armut ansprechen, die es tatsächlich gibt. Dass es tatsächlich Kinder gibt, die hungern. Wir erleben es bei unseren Lerncafes, dass Kinder hungrig in die Schule gehen, weil die Eltern überlegen müssen: Heize ich die Wohnung oder gibt es ein Mittagessen.” In Anbetracht ihrer Aufgabe auf Bundesebene meint die neue Caritas-Präsidentin: “Ich glaube, dass das Wiener Parkett sehr glatt sein kann und ich bin gespannt, wann ich zum ersten Mal in ein Fettnäpfchen treten werde.”

In Ö3-”Frühstück bei mir” erzählt Nora Tödtling-Musenbichler auch viel Persönliches. Ihren Vater hat sie erst mit 17 kennengelernt: “Ich habe recherchiert, dass er als Koch in Zell am See gearbeitet hat. Dann hat er von mir erfahren, dass es mich gibt. Er hat nichts gewusst von mir, meine Mutter und er hatten keinen Kontakt miteinander und dann kam diese Zeit, in der man als 17-Jährige nach seinen eigenen Wurzeln sucht. Dann habe ich meinen Vater getroffen. Wir haben uns langsam angetastet aneinander, auch mit dem Wunsch, dass wir nicht 17 Jahre aufholen, weil das nur zu Enttäuschungen führt.”

Und sie erzählt von ihrer Liebe zum katholischen Pfarrer Max Tödtling - eine Beziehung, die sie 15 Jahre lang im Geheimen führten. “Wir sind zusammengekommen, als ich 18 war. Gewusst haben es dann nur unsere Familien und ein paar ausgewählte Freunde.” 2015 hat Max Tödtling in der Messe am Ostermontag dann verkündet, dass er aus Liebe zu einer Frau sein Amt als Pfarrer zurücklegen würde. Nora Tödtling-Musenbichler auf Ö3: “Ich habe damals zu Hause gewartet, dann sind wir gleich weggefahren. Das mediale Interesse war sehr groß. In je-dem Fall war es ein großer Schritt für Max, weil er musste viel aufgeben. Aber wir haben uns zu einer gemeinsamen Zukunft entschlossen. Es war schön zu erleben, dass die Beziehung dann noch mehr Tiefe bekommen hat.” Auf Ö3 sagt die Caritas-Präsidentin offen: “Ich hatte auch Angst, weil natürlich gibt es Geschichten, dass Frauen an der Seite von Pfarrern die Schuldigen sind oder dass Priester, die ihr Amt aufhören, dann keine Anstellung mehr haben. Beides hat nicht zugetroffen. Und ich denke, wenn ich in der Kirche jetzt so eine wichtige Funktion bekomme und mein Mann mit Leitungsfunktion in der Diözese ist, dann zeigt das, dass ganz viel Wertschätzung da ist und Normalität, wie man mit diesem Thema umgeht.”

Ö3-”Frühstück bei mir” - das große Interview der Woche, Persönlichkeiten ganz persönlich - jeden Sonntag von 9.00 bis 11.00 Uhr im Hitradio Ö3, moderiert von Claudia Stöckl.

http://oe3.orf.at