Die Voice of Peace (Teil 18)
Noch ein Australier in Europa
von Phil Brice
In den 60er Jahren kamen eine ganze
Reihe von Australiern, die bereits Erfahrungen beim Hörfunk
vorweisen konnten, nach Europa, um neue Herausforderungen zu finden.
Einige von ihnen, beispielsweise Alan Freeman, bekamen einen Job bei
der guten Tante BBC, während es andere zu den kommerziellen Sendern
zog. Da es Privatfunk damals nur von internationalen Gewässern gab,
wollten diese Leute zu Radio Caroline, Radio London oder einer
anderen Station gehen. Tony Withers, auch bekannt als Tony Windsor,
war vielleicht der bekannteste Australier. Graham Gill, der während
zwei Jahrzehnten bei mehreren Sendern arbeitete, ein weiterer. Mitte
der 70er Jahre fanden australische Jungs auch den Weg ins
Mittelmeer, um bei der Voice of Peace anzuheuern. Einer von ihnen
war Phil Brice, der einige seiner Erinnerungen mit uns teilen
möchte.
"Ich war ein 25-jähriger
DJ/Journalist/Werbeproduzent und arbeitete Ende 1975 in London bei
LBC, der kommerziellen Nachrichtenstation, als Produzent. Ich war 18
Monate zuvor aus Australien nach Großbritannien gekommen. Davor war
ich zuletzt in Queensland bei einem Sender namens 'Double G', und
zwar als DJ der Morning Show. Zwei meiner Kollegen dort waren Ken
Dickin, der Drive-Time-DJ der Station, und Jules Retrot, der
Cheftechniker. Ende 1975 bewohnte ich mit den beiden ein Haus in
London.
Eines Tages kam Ken mit einer
Zeitungsanzeige nach Hause: Die Voice of Peace suchte DJs und
Techniker. Ich fühlte, dass ich reif war für einen Wechsel. Die
beiden anderen waren derselben Ansicht, und so teilten wir dies dem
Sender mit. Nach einer Weile erhielten wir einen Brief von Keith
Ashton, der für Abie Nathan tätig war und uns mitteilte, dass wir
eingestellt seien. Ich kannte Keith schon, weil ich Spots für ihn
produzierte, als er noch bei Capital Radio in London war. Er bat
mich, möglichst alles an Musik und Produktionsmaterial, was ich
hätte, nach Israel mitzubringen. Darauf kontaktierte ich den
berühmten Londoner Voice-Artist Bill Mitchell, seines Zeichens
Amerikaner und Sohn jüdischer Eltern, der eine fantastische
Bass-Stimme hatte. Ich erzählte ihm von dem Friedensschiff, worauf
er sich bereit erklärte, eine Serie von Stations-IDs aufzunehmen, 'We
are the Voice of Peace' und so weiter. Diese Identifikationen wurden
dann auch verwendet – soweit ich weiß bis fast zum Ende der
Livesendungen im Jahre 1993."
Phil erinnert sich auch an seine Zeit an
Bord des Radioschiffes und an die anderen Leute, die dort tätig
waren: "Zunächst war da Charlie. Er war der französische Koch auf
dem Schiff, und man munkelte, er sei aus der Fremdenlegion
desertiert. Charlie sprach kein Wort Englisch, mit Ausnahme des
Satzes 'Me kitchen, you studio!' ['Ich Küche, Du Studio!'], den er
jedem Diskjockey entgegen schleuderte, der nachts auf der Suche nach
ein paar gekochten Eiern den Kühlschrank plündern wollte. Obwohl er
aus Frankreich kam, waren seine Kochkünste nicht so, wie man es sich
vorstellte. Charlies Zeug war fürchterlich, alles war stets unter
einer Lache Öl. Wir mochten es wirklich nicht und waren deshalb
immer hungrig. Und weil er uns nicht in seine Küche ließ, mussten
wir unser Essen auf einem anderen Weg besorgen. Die einzige
Alternative war, eine der vielen Tausend Konservendosen aufzumachen,
die von einer amerikanischen Firma gespendet und unter Deck gelagert
wurden. Das Problem bestand darin, dass die Etiketten auf den Dosen
fehlten. Man musste also beim Öffnen hoffen, dass etwas anderes als
eingelegte Gurken drin waren.
Als wir eines Tages im Hafen von Haifa
anlegten, um Nachschub an Bord zu bringen, hatte Charlie seinen
Reisepass vergessen. Die Polizei ließ ihn aber für einen Tag an Land
gehen; Abie hatte sich darum gekümmert. Abends kam er sturzbesoffen
zurück und wurde von einem der Jungs gerade noch aufgefangen, ehe er
ins Wasser fallen konnte.
Dann möchte ich Bill Danse erwähnen, den
holländischen Cheftechniker. Indem er den Sender trotz aller
Schwierigkeiten in der Luft hielt, machte er einen fabelhaften Job.
Auf dem gesamten Schiff gab es elektrostatische Ladungen. Wir hatten
einen sehr alten Sender, den er aus zweiter Hand in den USA erworben
hatte, und dazu einen Generator, der noch älter wirkte. Bill hat uns
wirklich aus vielen Problemen heraus geholfen.
Dann war da der großartige Sound der
Station, und es war toll zu sehen, wie populär die VOP war. Wir
hatten ein More-Music-Format, das dem Format ähnelte, das Ken Dickin
und ich daheim in Australien fuhren. Ken war der Star des Senders.
Das Wort 'Ken' bedeutet im Hebräischen 'Ja' er war also unser 'Yes'
Dickin. Wir wurden immer wieder von Hörern nach Hause eingeladen,
wenn wir an Land waren. Ken und ich waren gemeinsam mit Jules in Tel
Aviv, und als Ken zu einer Party eingeladen wurde, beschlossen wir,
gemeinsam hinzugehen. Wir nahmen also ein Taxi, das uns jedoch ein
ganzes Stück von der Adresse entfernt rauslassen musste, weil die
Straßen rund um die Wohnung von anderen Autos zugeparkt waren. Bald
darauf erfuhren wir, dass all diese Leute in diesem Apartment waren,
um den Voice-of-Peace-DJ Ken Dickin zu sehen. Wir konnten uns kaum
bewegen. Es war ein fantastischer Abend.
Dann gab es da noch Don Christie, den
englischen Kapitän. Er mochte stets einen Drink, und zwar
hauptsächlich, weil er frustriert war: Er war Kapitän auf einem
Schiff, das meistens vor Anker lag. Seine Postadresse war 'c/o Hotel Bellvue, Antibes' in Südfrankreich. Niemand wusste, woher er den
Alkohol bezog. Wir schätzten, er hatte da etwas verabredet mit einem
der Seeleute des Tenders. Er hatte immer schlechte Laune und er
fluchte in einem fort. Zum Glück verbrachte er die meiste Zeit in
seiner Kabine.
Wir hatten an den Plattenspielern so
genannte 'Mercury Switches', die die Geräte ausschalteten, sobald
das Schiff zu sehr schaukelte, und die Turntables wieder langsam
starteten, wenn es wieder besser im Wasser lag. Und wir hatten ein
viel zu kleines Produktionsstudio mit einem Vierspur-Bandgerät,
einem Mini-Pult und einem Mikro. Indem ich ganz nah an das Mikrofon
ran ging, um den Generator zu übertönen, nahm ich in diesem Studio
die ID 'We are the Voice of Peace, on 1540 kilohertz' auf, die über
die Musik von Junior Campbell gelegt wurde. Der Spot wurde noch eine
ganze Weile verwendet, nachdem ich den Sender bereits verlassen
hatte."
Natürlich konnte man auf dem Sendeschiff
mehr tun, als lediglich Radiosendungen zu moderieren und auf die
Suche nach Essbarem zu gehen, wie sich Phil Brice erinnert: "Es war
eine wirklich schöne Abwechslung, auf dem Korridor zu sitzen und ein
Buch zu lesen, während im Hintergrund das 'Peace-Programm' mit Abie
dröhnte. Es waren viele tolle Leute dort, während ich auf dem
Friedensschiff arbeitete: Phil Sayer, Robin Banks und der
unglaubliche Black Printz, der eine Sendung hatte, die fast überall
im Nahen Osten völlig unverständlich gewesen sein musste. Außerdem
waren da Stevie Gordon sowie Elsje und ihr Freund, die ihre
Fahrräder mit an Bord hatten. Die beiden schauten vorbei und halfen
aus, wo immer sie konnten. Sie waren ein Paar aus den Niederlanden,
Willem und Elsje Frericks, und sie stehen in meinem Adressbuch mit
der Angabe 'Watergangseweg, Amsterdam Noord'. Wenn ich mich recht
erinnere, waren sie gerade mit ihren Rädern im Nahen Osten
unterwegs, hörten den Sender und riefen im Office in Tel Aviv an, um
sich als freiwillige Mitarbeit anzubieten. Elsje war eine sehr
attraktive Blondine. Schon sehr interessant, da sie die einzige Frau
an Bord war.
Übersetzung ins Deutsche: Thomas Völkner
Aus RADIOJournal 9/2009