Die Voice of Peace (Teil 12)
Peace News aus dem Jahre 1975
von Hans Knot
Zwischen 1973 und 1993 trafen sowohl in
Benfleet, wo das "Monitor Magazine" herausgegeben wurde, als auch in
Groningen, wo ich an den "Pirate Radio News" und später am "Freewave
Media Magazine" arbeitete, stets Neuigkeiten und Empfangsmeldungen
über die Voice of Peace ein. Heute will ich in den alten
Fachzeitschriften blättern und so an das Friedensradio erinnern.
Die erste Meldung erreichte mich am 19.
Mai 1975 von Bob Noakes. Zwar ging das Gerücht schon länger um, aber
erst zu diesem Zeitpunkt bestätigte Bob telefonisch, dass er am
darauf folgenden Tag aufbrechen und sich der Voice of Peace
anschließen würde. Zu jener Zeit lag das Friedensschiff im
Trockendeck und erhielt einen neuen Anstrich. Dies geschah zur
Vorbereitung einer erneuten Reise in die Levante, während der mit
Zielrichtung Italien gesendet werden sollte. Bob war der Ansicht,
der Vatikan habe hierfür Geld beigesteuert; es sei nachvollziehbar,
dass der Heilige Stuhl genug finanzielle Ressourcen für eine solche
dreimonatige Operation habe. Als Bob am 21. Mai eintraf, war der
Ingenieur Bill Benson bereits an Bord, und bald darauf stieß auch
Keith Ashton hinzu. Auf einer Postkarte, die Bill am 27. Mai in
Marseille aufgab, hieß es: "Wir legen morgen früh ab, definitiv in
Richtung Mittlerer Osten. Lage an Bord ausgezeichnet und Atmosphäre
großartig."
Das Schiff verließ am 28. Mai den Hafen
von Marseille und wollte sich dem ersten Konvoi durch den Suezkanal
anschließen, der am 5. Juni wieder eröffnet werden sollte. Abie
Nathan hatte offiziell um eine Erlaubnis ersucht, während der Fahrt
senden zu dürfen, um das Interesse an seinem Radioprojekt
wachzuhalten. Abie wollte bis zum südlichen Ende des Kanals fahren,
dort umdrehen und wieder zurück bis vor die Küste Israels, wo die
regulären Sendungen beginnen sollten. Allerdings war zum Zeitpunkt
der Abreise aus Südfrankreich noch keine Antwort eingetroffen.
Buster Pearson vom "Monitor Magazine"
beschäftige sich seinerzeit sehr mit dem Mittel- und
Kurzwellen-Monitoring. Er schrieb: "Wir beobachteten wiederholt die
Welle 195 Meter (1540 kHz) und bemerkten eine Überlagerungsstörung
auf der benachbarten 700-Kilowatt-Station aus Mainflingen,
Westdeutschland (1538 kHz). Erstmals geschah dies am 3. Juni ab
23.35 Uhr britische Sommerzeit / MEZ, und dann wieder am darauf
folgenden Tag um 21.30 Uhr. Das war der Beweis, dass die Voice of
Peace tatsächlich auf Sendung war, obwohl nicht das eigentliche
Programm beobachtet werden konnte."
Der 5. Juni war der große Tag der Suezkanal-Durchquerung. Einige Schiffe, die seit des
Sechstagekrieges in den Bitterseen, der Verbindung zwischen dem
nördlichen und dem südlichen Teilstück des Kanals, festgesessen
hatten, waren bereits entfernt worden. Das bedeutete freie Fahrt für
den ersten Konvoi, der um 8.30 Uhr in Port Said ablegte. Leider
hatte Abie Nathan die Genehmigung nicht erhalten, so dass die MV
Peace sich nicht an der Aktion beteiligen konnte. Dennoch schien es
fast, als teilte der ägyptische Präsident Sadat einige von Abies
Prinzipien, als er in seiner Rede anmerkte, er öffne den Kanal für
die internationale Schifffahrt und mache ihn "zu dem, was er immer
sein sollte: ein Zufluss des Friedens und ein Kanal für Wohlstand
und Zusammenarbeit zwischen den Menschen."
Buster meldete weitere Empfangsergebnisse:
"Wir hörten die Voice of Peace nicht mehr bis zum 25. Juni, als
gegen 21.40 Uhr ein Störsignal bemerkt wurde. Dieses Mal konnte ein
laufendes Programm aufgenommen werden – und dieses Signal reiste
über 2.200 Meilen bis zu uns! Am folgenden Abend schalteten wir
wiederum ein und nahmen ab 20.30 Uhr ein Signal auf, und ab 21.30
Uhr konnte das Programm recht deutlich verfolgt werden. Zu diesem
Zeitpunkt hörten wir Keiths Ansage, der meinte, er müsse nur noch 29
½ Stunden senden. Erst später verstanden wir die Bedeutung seiner
Worte, als uns Tony Allan sagte, dass Moderations-Marathone nichts
Ungewöhnliches darstellten. Wahrscheinlich lief auf der Voice of
Peace gerade wieder ein solcher Marathon. Einen Abend später, am 27.
Juni, konnten wir Bob ab 21.00 Uhr hören. Gegen ein Uhr nachts wurde
'Man of Action' gespielt, und um 3.00 Uhr erfolgte der Sendeschluss.
Seither konnten wir den Sender nicht wieder aufnehmen."
Das niederländische Fernsehen brachte die
Meldung, dass die Voice of Peace ein für allemal verstummt sei, und
eine holländische Zeitung titelte "Abie Nathan gibt
Friedensschiff-Projekt auf". In dem Artikel hieß es, dass die MV
Peace am Nachmittag des 28. Juni in den Hafen von Haifa eingelaufen
sei. Dort habe Abie die Erklärung abgegeben, dass er das Schiff
verkaufen und von dem Erlös Schulen in Jerusalem und Nazareth bauen
wolle, in denen jüdische und arabische Kinder gemeinsam unterrichtet
werden. Sollte dies nicht gelingen, wolle er eine kommerzielle
Radiostation errichten. Gleichzeitig wies Abie von sich, jemals
Werbespots verkaufen zu wollen. "Die einzige finanzielle Grundlage",
sagte er, "auf der ich arbeiten will, ist die Unterstützung durch
Menschen aller Rassen auf der ganzen Welt." Nun, er verkaufte sein
Schiff am Ende doch nicht, sondern behielt es noch viele Jahre,
während denen er oftmals damit drohte, das Projekt zu beenden.
Zu dieser Zeit traf eine optimistische
Nachricht von Bob Noakes ein. Er schrieb aus Israel: "Da wir trotz
einer 20-tägigen Wartezeit nicht durch den Suezkanal fahren durften,
sind wir hierher nach Haifa gekommen, um in den kommenden Wochen
Gelder zu sammeln, damit wir hoffentlich wieder in See stechen
können. Ansonsten ist hier alles okay." Allerdings hielt es Bob
nicht mehr lange bei der Voice of Peace. Er fasste den Entschluss,
das Schiff in Haifa zu verlassen, und nahm einen Flieger nach
Schiphol. Bald darauf erhielt ich einen Brief von Bob aus Amsterdam.
Darin standen einige interessante Details über den ersten Sendetag:
"Wir verließen Marseille am Mittwoch, den 28. Mai, und ließen die
Sender warmlaufen, sobald wir aus dem Hafen waren. Gegen 12.30 Uhr
gingen wir mit der 'Give Peace a Chance'-Schleife on air, und um
13.00 Uhr spielten wir ein spezielles 'Lebewohl-und-Goodbye-Programm',
das Abie im Hafen vorproduziert hatte. Als das um 13.48 Uhr vorüber
war, ging Abie live auf Sendung, las die Namen aller Crewmitglieder
vor und gab Informationen darüber, was wir zuvor gearbeitet hatten.
Von 13.55 Uhr bis 16.00 Uhr moderierte ich eine Sendung, dann Keith
bis 18.00 Uhr, ehe wir das vorproduzierte Band erneut abspielten.
Danach erzählte Abie ein wenig bis zum Sendeschluss um 19.30 Uhr.
Unsere Sendungen waren ein wenig seltsam: Wir mussten französische
Top-40-Songs spielen, von denen wir keinen blassen Schimmer hatten.
Eigentlich wollten wir die Nacht über auf Sendung bleiben, aber wir
hatten die Rechnung ohne die Schiffsmotoren gemacht, deren Vibration
sich auf die Sendeanlagen übertrug, so dass auch unsere Programme
'vibrierten'. Um dieses Phänomen abzumildern, fuhren wir mit
gedrosselter Geschwindigkeit, bis unser Kapitän, ein Engländer
namens Len Clements, einwarf, dass wir bei diesem langsamen Tempo
zum geplanten Termin, dem 5. Juni, niemals in Port Said würden
eintreffen können. Also sendeten wir noch ein paar Stunden am
zweiten Tag auf See und blieben dann ausgeschaltet, bis wir 48
Stunden vor Port Said waren."
Zeitgleich mit Bob Noakes verließ Keith
Ashton den Sender und flog nach London, kehrte jedoch drei Wochen
später zurück, um rechtzeitig zum Neustart des Sendebetriebs auf dem
Friedensschiff zu sein. Seine Rückkehr wurde zuerst innerhalb der
BBC-Sendung "World Radio Club" gemeldet, die einmal in der Woche
zwischen 00.15 und 00.30 Uhr auf 275,7 Meter (1088 kHz) lief. In der
Ausgabe vom 7. August war nämlich zu hören, dass die
BBC-Empfangsstelle in Caversham die Wiederaufnahme des Betriebs der
Voice of Peace um 20.00 Uhr auf 1540 kHz geloggt hatte. Ein genaues
Datum wurde allerdings nicht genannt. Buster Pearson rief also in
Caversham an und bat um zusätzliche Details. Die BBC-Mitarbeiter
waren sehr hilfsbereit und lieferten die gewünschte Information: Der
Tag, an dem die Voice of Peace erstmals wieder aufgenommen werden
konnte, war der 1. August.
Das Programm "Sweden Calling DX'ers", das
jeden Dienstagabend auf 254,7 Meter (1178 kHz) lief, berichtete am
12. August, dass das Friedensschiff mit Treibstoffvorräten für fünf
Monate den Hafen von Haifa verlassen habe. Die Voice of Peace sei
seit dem 1. August wieder im Äther und könne täglich zwischen 03.00
Uhr und 23.00 Uhr auf der Mittelwelle 1540 kHz gehört werden.
Außerdem strahle der Sender jetzt auch Werbespots aus. Bob
bestätigte die Existenz dieser Spots: "Abie hat es geschafft, etwas
Werbung zu bekommen, und hat das Schiff wieder auslaufen lassen. Am
Freitag, 1. August, hat es abgelegt. Er bat mich und Keith
zurückzukehren und schickte uns dafür sogar die Tickets. Aber ich
kann es mir finanziell nicht leisten."
Nachdem Buster Pearson vom "Monitor
Magazine" die Meldung auf der BBC gehört hatten, stellen er zu Hause
in Benfleet (Essex) sofort wieder die Frequenz 1540 kHz ein, aber es
war kein Signal zu hören. "Zwanzig Stunden später, begleitet von der
üblichen Störung, fanden wir eine Sendung in englischer Sprache. Um
20.25 Uhr wurde der Song 'Sweet Caroline' gespielt, und zwischen
20.30 und 20.35 Uhr bat Abie um Spenden in Höhe von 50.000 Pfund, um
den Sender am Leben zu halten. Um 21.30 Uhr kamen wir in den Genuss
einer auf Arabisch moderierten Sendung mit arabischer und westlicher
Musik, bis die Station um 00.03 Uhr abgeschaltet wurde. Als 'Goodnight-Song'
lief die Melodie, die Radio Luxembourg jahrelang für diesen Zweck
verwendet hatte. Alle Zeitansagen waren zwei Stunden vor unserer
Ortszeit."
Ab diesem Tag konnte die Station mit guter
Empfangsausrüstung und Antennen regelmäßig gehört werden – zumindest
bis zum 16. September, als noch nicht einmal ein Überlagerungssignal
empfangen wurde. Entweder war der Friedenssender nicht im Äther oder
das Schiff hatte sich weg bewegt. Vielleicht war letzteres der Fall,
hatten doch die ITV News drei Tage zuvor gemeldet, die MV Peace
wolle einen zweiten Anlauf zur Fahrt durch die ägyptische
Wasserstraße unternehmen, dieses Mal mit einer Ladung Blumen.
Ebenfalls am 13. September 1975 erschien
im Groeninger "Nieuwsblad van het Noorden" die Meldung, dass mehrere
Hundert Menschen Blumen für Abie Nathans Projekt gespendet hatten.
Abie hatte einem Reporter gesagt: "Ich will zeigen, dass die
Israelis den Ägyptern mit Blumen und nicht mit Gewehren begegnen
möchten." Doch das Friedensschiff erhielt wiederum keine Erlaubnis
zur Durchquerung des Kanals und kehrte zu seinem Ankerplatz vor der
israelischen Küste zurück. Ab dem 20. September konnten die
Sendungen wieder in England aufgenommen werden. Buster Pearson
loggte ein schwaches Signal um 23.14 Uhr. Ab Mitte Oktober gelang
der Empfang bereits ab 17.30 Uhr. Buster fand heraus, dass das
Schiff zu diesem Zeitpunkt rund um die Uhr auf Sendung war.
Moderiert wurde auf Arabisch, Französisch, Hebräisch, meistens aber
auf Englisch.
Einer der Moderatoren war Simon Ward, der
zuvor bei Radio Forth tätig war. Er kam im September als Ersatz für
den Australier Frans de Wolfe, der seit dem Ablegen in Marseille bei
der Voice of Peace war und davor als DJ auf dem P&O-Kreuzfahrtschiff
"Oriana" gearbeitet hatte. Frans hatte über seinen Freund Keith
Ashton ausrichten lassen, dass er gerne Programme für das
Friedensradio gestalten wolle, und er erhielt den Job über Robb
Eden, der seinerzeit Abies Repräsentant in England war. Ebenfalls an
Bord war im Herbst 1975 Bill Benson, der zwar noch nicht selbst am
Mikrofon war, weil er mit der Sendetechnik alle Hände voll zu tun
hatte. Er brachte an der Spitze des Sendemastes einen
'Kapazitätshut' (capacity hat) an, der für eine größere Signalstärke
sorgte.
In Großbritannien war der Empfang zwischen
20.00 und 22.30 Uhr am besten, da der Deutschlandfunk-Sender in
Mainflingen in diesem Zeitraum die Antenne nach Polen, Jugoslawien,
Rumänien, Ungarn und in die Tschechoslowakei richtete und somit die
niedrigste Abstrahlung nach Westeuropa produzierte. Abschließend
noch die damals angesagte Postadresse der Voice of Peace: P.O. Box
4309, Tel Aviv, Israel.
Übersetzung ins Deutsche: Thomas Völkner
Aus RADIOJournal 2/2009