
Die Voice of Peace (Teil 10)
Tony Allan und die Voice of Peace - Erster Teil
von Hans Knot
Ich erinnere mich gut an Tony Allans Rückkehr nach Holland. Er war lange unterwegs – zunächst in den USA, später in Israel. Alles in allem waren wohl zwei Jahre vergangen, seit Tony die internationalen Gewässer der Nordsee verlassen und sich Abie Nathans Friedensprojekt Voice of Peace angeschlossen hatte. Dennis King holte Tony vom Amsterdamer Schiphol-Flughafen ab und brachte ihn in die Van-Hoogendorpstraße in Den Haag, wo er als "verlorener Sohn" willkommen geheißen wurde. Ich bin froh, an jenem Tag vor Jahrzehnten dabei gewesen zu sein. In den darauf folgenden Wochen schrieb der inzwischen verstorbene Tony Allan seine Erinnerungen an die Zeit bei der Voice of Peace auf und wurde zudem von mir interviewt. Das Material erschien im ersten Teil der niederländischen Veröffentlichung Historie van The Voice of Peace (1992) und teilweise im "Monitor Magazine"(1975).

Es scheint, dass Tony in New York genau dasselbe beobachtete wie ich in Amsterdam: Abie Nathan hatte ein ungewöhnliches Talent, die Journalisten von Presse, Radio und TV zu beeinflussen. Dies gab ihm enorm viel Publicity – positive wie negative. Aber nur, wenn Abie dies wollte.
Aber zurück zu Tony und seinen Erinnerungen: "In den Vereinigten Staaten darf ein Interview keinesfalls eine Adresse für Spenden enthalten, es sei denn, es sterben Menschen. NBC hatte diese Show namens »Today«. Sie wurde landesweit ausgestrahlt, und praktisch jedermann schaute zu. Urplötzlich sagten die NBC-Leute: 'Ihr habt jetzt sieben Minuten mit einer Werbepause in der Mitte. Erzählt was Ihr wollt über Euren Sender.' Sieben Minuten!? Das ist absolut beispiellos! Und dann fiel uns diese NBC-Mieze ins Wort – Barbara hieß sie – und meinte: 'Ich muss jetzt einfach unterbrechen. Wohin können die Hörer ihr Geld senden?' Wir erhielten 65.000 Dollar in nur zwei Tagen. Das war genau die Summe, die wir brauchten."

Natürlich stellt sich hier die Frage nach Wissen und Erfahrung der Leute, die sich anschickten, in den Gewässern des östlichen Mittelmeeres Radioprogramme auszustrahlen. Tony Allan hatte selbstverständlich Seesender-Erfahrung: MV Comet (Radio Scotland), MV MEBO II (Radio Northsea International, RNI) und MV Mi Amigo (Radio Caroline). Aber wie verhielt es sich bei den anderen Personen an Bord?
Mit Ausnahme eines kleinen Kerls aus Portugal hatte keiner jemals auf einem Schiff gearbeitet. Bill Benson war an Bord, als wir in New York ausliefen. Er war allerdings kein Sendeingenieur, sondern Toningenieur, der die Studios eingerichtet hatte. Unser Sendeingenieur war ein Typ von den Philippinen, der jedoch Frau und Kinder hatte und uns deshalb nur drei Monate lang zur Verfügung stand. In dieser Zeit brachte er Bill alles bei, was er über die Sendeanlagen wusste. Dann ging er von Bord, und Bill war alleine für alles verantwortlich. Die beiden Sender befanden sich übrigens in Collins-Gehäusen, waren aber Spezialanfertigungen."

Zur weiteren technischen Ausstattung führte Tony Allan aus: "Es gab vier Studios. Im größten standen ein Tisch und mehrere Stühle, so dass man einen Aufnahmeraum für Diskussionsrunden hatte. Daneben lag ein Kontrollraum, der gleichzeitig das wichtigste Sendestudio war. Es hatte einen Gates-Mixer, so ein großes Ding mit 24 Kanälen, Gates-Plattenteller und Gates-Cassettengeräte. Die Mikrofone waren von Electrovoice, sehr schön. Wir konnten sie auf dem ganzen Schiff einstecken."

Eine lange Zeit verging zwischen dem Kauf des Schiffes und der ersten Ausstrahlung. Tony Allan war dabei: "Wir schalteten die Sender am 15. März 1973 zum ersten Mal ein – und zwar im Hafen von New York. Es war am Abend, so gegen 23.00 Uhr. Am darauf folgenden Tag sollten wir in See stechen. Wir schickten alle von Bord, ohne ihnen zu sagen, was wir vorhatten. Wir sagten so etwas wie 'Nun ja, morgen geht's los, macht Euch einen schönen Abend und geht einen heben.' Als alle von Bord waren, schalteten wir die Sender ein. Sie funktionierten! Am 16. März begann die große Reise – und im Grunde auch der Sendebetrieb. Wir sendeten nur einen Abend lang: eine Identifikation, dann eine von meinen kleinen Cassetten, und schließlich erzählten wir den Leuten, die uns hörten, was es mit unserem Sender auf sich hat und auf welchem Weg sie uns Geld zukommen lassen können."

Können Sie sich das vorstellen? Tony Allan war zum ersten Mal seit langem in internationalen Gewässern unterwegs – und dann gleich solche Probleme! Aber das Friedensschiff war nicht das einzige Schiff, das in Schwierigkeiten geriet. Zwei norwegische Schiffe gingen unter, so dass die Besatzung der MV Peace noch nach den Betroffenen suchte. Hinzu kam ein weiteres Leck... "Zwischen zwei Tanks entwickelte sich ein weiteres Leck", sagte Tony im Interview. „Unglücklicherweise handelte es sich um einen Wassertank und einem Öltank. Wir hatten also Öl im Wasser und umgekehrt. Die Maschinen setzten aus – und das bedeutete wirkliche Probleme! Wir entschlossen uns nach Süden zu fahren und unterbrachen die Fahrt zwei Tage lang auf den Bermuda-Inseln. Wir hatten auf Bermuda eine wirklich schöne Zeit. Als wir ankamen, war da dieser Taxifahrer, ein kohlrabenschwarzer Typ, der offensichtlich Umsatz roch und uns herumfahren, die Stadt zeigen wollte. Er lief über die Planke aufs Schiff, rief uns etwas laut entgegen und steckte seinen Kopf durch die Luke: 'Hey Man, ich bin hier, um Euch Jungs was zu zeigen...' In dem Moment sah er unsere katholischen Priester und fuhr fort: '... die ... die ... die Kathedrale und die Kirchen und so.' Es war herrlich, eine Situation wie aus einem Film! Später hatte ich einen Filmriss, als ich mit dem Chefinspektor der Polizei, einem Engländer, in einem Pub trank. Ich wusste zuerst nicht, wer er war, ich spazierte einfach in diesen Pub. Er kam zu mir und sagte: 'Sind Sie fremd auf der Insel?', was ich bejahte. Darauf er: 'Sind Sie Engländer?', und ich wiederum: 'Ja.'. Wir hatten dann ein paar Drinks, und später ein paar mehr Drinks und dann noch ein paar... Ich fragte ihn: 'Was machst Du?', und er sagte: 'Ich bin hier der Polizeichef.' Ein wirklich netter Kerl."

Die Crew erfuhr jedoch nichts von einer Änderung des Plans in letzter Minute. Hinzu kam, dass die MV Peace aufgrund dieser Änderung hinter der Yacht von General Franco herfuhr, was zu einigen Problemen mit den spanischen Behörden führte: "Wir erhielten ein Telegramm von Abie, in dem es hieß: 'Wartet nicht auf mich in Cadiz, bin nicht hier, werde in Malaga sein.' Also verließen wir Cadiz und fuhren entlang der Küste nach Malaga, eigentlich kein weiter Weg. Wir wussten nicht, dass gerade ein religiöser Feiertag war und dass General Franco den Feierlichkeiten in Malaga beiwohnen würde. Er war wie wir morgens in Cadiz, so dass wir seiner Yacht den gesamten Weg hinterher fuhren. Das ließ die Behörden ausflippen. Ein weißes Boot, über und über mit dem Schriftzug 'Peace' bepinselt, das einen Radio-Sendemast hatte und hinter Franco herschipperte. Als wir in Malaga eintrafen, wurden wir sofort verhaftet. Nachdem wir wieder freigelassen worden waren, gingen wir an Land. Nur zwei Leute blieben als Wache zurück. Die konnten allerdings nichts unternehmen, als die Behörden zurück kamen und das Schiff auseinander nahmen. Sie rissen die Türen, Böden, Deckenverkleidungen heraus, einfach alles. Ganz offensichtlich glaubten sie, wir würden Waffen oder Drogen oder beides schmuggeln. Als sie nichts dergleichen fanden, sagten sie: 'Ihr müsst vor Mitternacht verschwinden.' Wir machten uns zu dritt auf die Socken, um die Crew zu finden. Wir schauten in jeder Bar nach und sammelten sie Mann für Mann ein. Dann segelten wir los und warteten vier Meilen vor Malaga darauf, dass Abie sich meldete."

Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass François Bonzon die MV Peace betrat.... Nach Ankunft in Marseille verließ der Kapitän das Schiff, und mit ihm die halbe Mannschaft. Tony Allan: "Wir waren also ohne Kapitän. Da schmiss François seinen Job hin und schloss sich uns an. Er war um die 45, hatte ein sehr angenehmes Auftreten, war liebenswürdig und sprach fließend Englisch mit einem reizenden französischen Akzent. Er kümmerte sich um alles. Einen Tag darauf traf Abie ein und es begannen dreieinhalb Wochen, in denen wir hart arbeiteten: Wir nahmen die Tanks komplett auseinander, inklusive der zementierten Stellen und allem. Teilweise schrubbten wir mit Tüchern das Öl von den Wänden der Tanks. Zusätzlich musste ich viele Radioprogramme produzieren. Unser Plan war, während der Fahrt durchs Mittelmeer, vorbei an Frankreich, Italien und Griechenland, Sendungen in den verschiedenen Sprachen auszustrahlen, in denen wir unsere Geschichte erzählen und um Unterstützung bitten. Ich spreche zwar kein Wort Griechisch, aber irgendwie hat alles bestens funktioniert. Ich fand in der Marineakademie zwei Kids aus Marokko, die sogar ein paar Sachen auf Arabisch für mich aufnahmen. Wirklich nett! Die Zeit in Marseille war ein einziges großes Fest für uns: Tagsüber schufteten wir hart und abends gingen wir aus und betranken uns in den vielen Cafés. Wenn wir eintraten, sagten die anderen Gäste nur 'Ah! Batteau de la Paix' und schon gingen die Getränke aufs Haus. Alle sagten nur 'Kein Geld, kein Geld'. Wir wurden immer und überall eingeladen. Es waren drei außergewöhnliche Wochen."
Übersetzung ins Deutsche: Thomas Völkner
Aus RADIOJournal 1/2009