Foto: © Magnus Terhorst
Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2024
Der vom Deutschlandfunk und der Stadt Braunschweig gestiftete und
mit 30.000 Euro dotierte
Wilhelm Raabe-Literaturpreis geht
an
Saša Stanišic für sein Buch “Möchte die Witwe
angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit
dem Ausguss nach vorne” (erschienen im Luchterhand Literaturverlag,
2024). Braunschweigs Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum und
Deutschlandradio-Intendant Stefan Raue überreichen Saša Stanišic den
Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2024 am 3. November im Rahmen eines
Matinee-Festaktes im Kleinen Haus des Braunschweiger Staatstheaters.
Die Preisverleihung wird im Radio übertragen.
Zur Begründung erklärte die Jury: “‘Möchte die Witwe angesprochen
werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit dem Ausguss
nach vorne‘, ein Buch, das man als Erzählband und gleichermaßen als
Roman lesen kann, fügt sich in das bisherige Werk Saša Stanišics in
den Inhalten genauso wie in den Tonlagen, die dieser ebenso
leidenschaftliche wie virtuose Erzähler beherrscht, in der Mischung
aus Reflektion und Witz, aus Lakonie und Menschenfreundlichkeit.
Saša Stanišic erzählt von Brüchen im Leben von jungen und alten
Menschen, von migrantischen Schicksalen, verstörten Familienvätern
oder Witwen, die sich ihr Leben neu erfinden müssen. Seine
Geschichten konfrontieren diese Figuren mit Träumen und
Möglichkeiten – und sehr oft zugleich auch mit dem, was ihnen für
immer vorenthalten bleiben wird.
Die große Gabe von Saša Stanišic besteht darin, dass er das
Existentielle und das vermeintlich Nebensächliche, das
gesellschaftspolitisch Relevante und das Private auf gleiche Weise
ernst nehmen und mit einem sehr eigenen Humor erzählen kann: der
saturierte Hamburger Familienvater, der daran verzweifelt, gegen
seinen kleinen Sohn nicht im Memory gewinnen zu können, wird nicht
ausgespielt gegen die Nöte von Jugendlichen aus prekären
Lebensverhältnissen, die in tristen Hochhaussiedlungen aufwachsen
und aufgrund ihrer migrantischen Familiengeschichten alltäglichen
Schikanen und Marginalisierungserfahrungen ausgesetzt sind.
‘Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab
die Gießkanne mit dem Ausguss nach vorne’ birgt nichts weniger als
die frühromantische Utopie: Das Dasein lässt sich durch Literatur in
etwas anderes, besseres verwandeln. “Die Welt muss romantisiert
werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder“, so hat es der
frühromantische Dichter Friedrich von Hardenberg, besser bekannt als
Novalis, einst formuliert.
Das Werk Saša Stanišics, das im Jahr 2024 mit dem Wilhelm
Raabe-Literaturpreis ausgezeichnet wird, ist der bedrückende Beweis
dafür, dass dieses Credo noch immer den Glutkern von Poesie
ausmachen kann.“
Mit der Verleihung dieses Preises zeichnen die Stadt Braunschweig
und der Deutschlandfunk jährlich ein in deutscher Sprache verfasstes
erzählerisches Werk aus. Mit der Auszeichnung soll exemplarisch das
bis zum Zeitpunkt der Preisverleihung publizierte literarische
Schaffen gewürdigt werden. Ein neues Buch des Preisträgers muss im
laufenden Kalenderjahr der jeweils aktuellen Vergabe erschienen
sein.
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