Branchen-Magazin
für Radio und neue Medien

Webausgabe 1-2/2024


Fotos: © Archiv Hans Knot

100 Jahre Radio (Teil 21-1) -
Schulradio in den 1950er Jahren

In den 1950er Jahren bedeuteten die Stimmen und Töne aus dem Schulradio für viele Kinder eine erste Einführung in die Welt um sie herum. In den abgeschotteten Niederlanden jener Zeit hatten die Sendungen einen starken pädagogischen Charakter, was die jungen Hörer jedoch nicht daran hinderte, gebannt zuzuhören.

Die Radiohörer lassen sich in mehrere Gruppen einteilen. Zum einen gibt es die Gruppe, die das Radio immer eingeschaltet hat, es aber nur als Hintergrundgeräusch, als Soundtapete hört. Sie wissen oft nicht, was gerade gespielt wird, geschweige denn, was gerade vorbeigekommen ist. Selbst die Informationen in den Nachrichten und Werbepausen dringen nur teilweise in den für die Informationsaufnahme verfügbaren Teil des Gehirns ein. Eine andere Gruppe besteht aus denjenigen, die nur an einer bestimmten Facette interessiert sind, die über das Radio vermittelt wird. Wer sich beispielsweise für Sport interessiert, schaltet sonntagnachmittags immer Radio 1 ein, um die Sendung “Langs de Lijn” zu hören, und wer sich über das aktuelle Tagesgeschehen auf dem Laufenden halten will, schaltet die Sendung “Met het Oog op Morgen” ein. Wenn das Programm zu Ende ist, schaltet sich das Gerät wieder aus.

Eine andere Gruppe interessiert sich mehr für die Art des Radios und wechselt ständig den Sender, um zu sehen, ob es etwas zu hören gibt, das ihr gefällt. Die fanatischste Gruppe ist jedoch die der Menschen, die sozusagen Tag und Nacht das Radio laufen lassen und alle möglichen Informationen verschlingen und auch alle möglichen Dinge rund um diese Radiosender sammeln und auch zu den jährlichen Treffen der Gleichgesinnten gehen. Die Mitglieder der letztgenannten Gruppe waren oft schon früh von dem Phänomen Radio fasziniert. Dort finden wir viele so genannte “Babyboomer”.



Das ist alles nicht verwunderlich. Bei den um 1950 Geborenen hinterließ das Radio einen anderen und tieferen Eindruck als bei späteren Generationen. Viele Babyboomer verbrachten einen Großteil ihrer Kindheit, ohne dass die Familie, in der sie aufwuchsen, einen Fernseher besaß. Natürlich entwickelte sich dieses neue Medium Anfang der 1950er Jahre ein wenig, aber der Empfang von Fernsehsignalen war anfangs begrenzt, und außerdem hatten in jener Nachkriegszeit nur wenige Familien die finanziellen Möglichkeiten, sich einen Fernsehkasten zu leisten. Das Radio spielte die Rolle, die später das Fernsehen bekam, als gemütlicher Treffpunkt des Familienlebens. Und etwas davon blieb in ihrer Wahrnehmung des Radios erhalten.

In den 1950er Jahren, mit dem Aufkommen der Jugendkultur, bekam das Radio zudem eine besondere Bedeutung für junge Menschen. Mit Hilfe des Geräts entwickelten die Jugendlichen damals auch ihre eigenen musikalischen Vorlieben, die von bestimmten Sendern geprägt wurden. In diesem Zusammenhang werden oft die Programme von Radio Luxemburg und dem American Forces Network genannt, die die jugendliche Faszination für das Radio prägten. Über diese Radiosender konnte man auf Mittelwelle Lieder hören, die im niederländischen Radio gar nicht oder nur äußerst selten gesendet wurden. Es gibt jedoch eine frühere reale Form der Radioerfahrung für diese Altersgruppe, die wir aus historischer Sicht nicht ignorieren können. Das Schulradio war damals für viele Babyboomer in der damaligen Grundschule ein fester Bestandteil des Unterrichts. Offiziell begann die erste Form des Schulradios bereits 1928 über die Mikrofone des NCRV. Anfänglich wurden die verschiedenen Bildungsprogramme in den Niederlanden von den verschiedenen Sendern getrennt programmiert.

Hans Knot

Fortsetzung im RADIOJournal Doppelheft 3-4/2024