Fotos: © Archiv Hans Knot
100 Jahre Radio (Teil 21-1) -
Schulradio in den 1950er Jahren
In den 1950er Jahren bedeuteten die Stimmen und
Töne aus dem Schulradio für viele Kinder eine erste Einführung in
die Welt um sie herum. In den abgeschotteten Niederlanden jener Zeit
hatten die Sendungen einen starken pädagogischen Charakter, was die
jungen Hörer jedoch nicht daran hinderte, gebannt zuzuhören.
Die Radiohörer lassen sich in mehrere Gruppen einteilen. Zum einen
gibt es die Gruppe, die das Radio immer eingeschaltet hat, es aber
nur als Hintergrundgeräusch, als Soundtapete hört. Sie wissen oft
nicht, was gerade gespielt wird, geschweige denn, was gerade
vorbeigekommen ist. Selbst die Informationen in den Nachrichten und
Werbepausen dringen nur teilweise in den für die
Informationsaufnahme verfügbaren Teil des Gehirns ein. Eine andere
Gruppe besteht aus denjenigen, die nur an einer bestimmten Facette
interessiert sind, die über das Radio vermittelt wird. Wer sich
beispielsweise für Sport interessiert, schaltet sonntagnachmittags
immer Radio 1 ein, um die Sendung “Langs de Lijn” zu hören, und wer
sich über das aktuelle Tagesgeschehen auf dem Laufenden halten will,
schaltet die Sendung “Met het Oog op Morgen” ein. Wenn das Programm
zu Ende ist, schaltet sich das Gerät wieder aus.
Eine andere Gruppe interessiert sich mehr für die Art des Radios und
wechselt ständig den Sender, um zu sehen, ob es etwas zu hören gibt,
das ihr gefällt. Die fanatischste Gruppe ist jedoch die der
Menschen, die sozusagen Tag und Nacht das Radio laufen lassen und
alle möglichen Informationen verschlingen und auch alle möglichen
Dinge rund um diese Radiosender sammeln und auch zu den jährlichen
Treffen der Gleichgesinnten gehen. Die Mitglieder der letztgenannten
Gruppe waren oft schon früh von dem Phänomen Radio fasziniert. Dort
finden wir viele so genannte “Babyboomer”.
Das ist alles nicht verwunderlich. Bei den um 1950 Geborenen
hinterließ das Radio einen anderen und tieferen Eindruck als bei
späteren Generationen. Viele Babyboomer verbrachten einen Großteil
ihrer Kindheit, ohne dass die Familie, in der sie aufwuchsen, einen
Fernseher besaß. Natürlich entwickelte sich dieses neue Medium
Anfang der 1950er Jahre ein wenig, aber der Empfang von
Fernsehsignalen war anfangs begrenzt, und außerdem hatten in jener
Nachkriegszeit nur wenige Familien die finanziellen Möglichkeiten,
sich einen Fernsehkasten zu leisten. Das Radio spielte die Rolle,
die später das Fernsehen bekam, als gemütlicher Treffpunkt des
Familienlebens. Und etwas davon blieb in ihrer Wahrnehmung des
Radios erhalten.
In den 1950er Jahren, mit dem Aufkommen der Jugendkultur, bekam das
Radio zudem eine besondere Bedeutung für junge Menschen. Mit Hilfe
des Geräts entwickelten die Jugendlichen damals auch ihre eigenen
musikalischen Vorlieben, die von bestimmten Sendern geprägt wurden.
In diesem Zusammenhang werden oft die Programme von Radio Luxemburg
und dem American Forces Network genannt, die die jugendliche
Faszination für das Radio prägten. Über diese Radiosender konnte man
auf Mittelwelle Lieder hören, die im niederländischen Radio gar
nicht oder nur äußerst selten gesendet wurden. Es gibt jedoch eine
frühere reale Form der Radioerfahrung für diese Altersgruppe, die
wir aus historischer Sicht nicht ignorieren können. Das Schulradio
war damals für viele Babyboomer in der damaligen Grundschule ein
fester Bestandteil des Unterrichts. Offiziell begann die erste Form
des Schulradios bereits 1928 über die Mikrofone des NCRV. Anfänglich
wurden die verschiedenen Bildungsprogramme in den Niederlanden von
den verschiedenen Sendern getrennt programmiert.
Hans Knot
Fortsetzung im RADIOJournal Doppelheft 3-4/2024