Comedy / Glosse:
radio SAW »Der kranke Mann«
(Frank Wiedemann)
Der gelernte Speditionskaufmann, der schon in jungen Jahren
freischaffend als DJ unterwegs war, gehört seit vielen Jahren zu
den Aushängeschildern von radio SAW in Magdeburg. Wie man es
oft hört, verlief auch bei ihm der Weg zum bis heute mit Abstand
erfolgreichsten Radioprogramm des Landes nicht ohne Umwege.
Vor dem Sendestart des damals noch unter dem Arbeitstitel „LSA -
Landesender Sachsen-Anhalt“ firmierenden Programms las er eine
Zeitungsanzeige und bewarb sich dort. „Ich erhielt allerdings eine
Absage mit einer Telefonkarte als Dankeschön, die mit 6 DM Guthaben
aufgeladen war“, schmunzelt Frank Wiedemann rückblickend.
Über eine Agentur, die Außenmoderatoren für radio ffn in Hannover
suchte, das nach der Wende auch jenseits der Landesgrenzen
erhebliche Programmaktivitäten entfaltete, wurde er zunächst für den
niedersächsischen Privatsender tätig. Der damalige Studioleiter in
Braunschweig, Frank Kornath, wurde bald darauf Wortchef bei radio
SAW und prompt klingelte bei seinem Vornamensvetter das Telefon.
„Wir brauchen jemand, der den Laden hier bekannt macht“ waren seine
Worte, an die sich Frank Wiedemann heute noch genau erinnern kann.
Mit dem „Hitmobil“ fuhr er dann hinaus ins SAW-Land, um vor Ort für
drei bis vier Stunden seine Anlage aufzubauen und
für Stimmung zu sorgen. „Einen Tag in Zeitz habe ich noch genau im
Kopf: Ich hatte bereits meine Anlage aufgebaut, als das Ordnungsamt
fragte, wo wir unsere Standgenehmigung haben, die wir vorher für 80
DM hätten beantragen müssen. Da habe ich dann wieder eingepackt und
wir sind nach Hause gefahren“, erzählt Frank.
Er fing im August an und bald darauf kam, wie jedes Jahr, eine
Erkältungswelle, die ihm die erste Moderation eintrug. Zu hören war
er anfangs in der Sendung »Nonstop« zwischen 19.00 und 22.00 Uhr
sowie den sich anschließenden zweistündigen »Kuschelhits« bis
Mitternacht. „Ich war klitschnass geschwitzt nach meinen ersten
Stunden hinter dem Mikrofon, habe auch alles noch auf Tapes
archiviert“, sagt Frank Wiedemann. Er denkt gern an die damalige
Arbeit zurück. „Formatradio gab es zu dieser Zeit noch nicht, es war
sehr viel spontan. Auch die Beitragslängen variierten erheblich. Es
konnte auch immer Unvorhergesehenes passieren, etwa wenn die
CD einen Sprung hatte. Auffallend war die große Zahl der
Hörerreaktionen, die es im Studio aber auch bei den Veranstaltungen
draußen gab. Die ganze Mannschaft, damals unter anderem
Maik ‚Scholle’ Scholkowsky, Jochen Brandt und Andy Hein, war ständig
vor Ort und mit Einblendungen im Programm vertreten.“
Frank Wiedemann war auch als erster Promoter für radio SAW tätig und
verteilte Flyer für Veranstaltungen. „Wir haben alle nie auf die Uhr
geguckt, man lebt schon für den Sender.“ Als Springer wurde er auch
zunehmend als Vertretung eingesetzt, etwa für Klaus Vorbrodt,
„Scholle“, Toni Rupprecht oder Volker Haidt, die in
unterschiedlichsten Kombinationen die Morningshow moderierten. 1995
folgte der Umzug in das heutige Funkhaus im Hansapark.
„Das bedeutete hochmoderne Technik und endlich eine Klimaanlage.
Vorher tropfte im Hochsommer der Schweiß auf das Pult“, erinnert
sich Frank Wiedemann an die Bedingungen im ersten Domizil, einer
ehemaligen Tapetenfabrik in der Großen Diesdorfer Straße.
Eine der ersten Sendungen aus dem neuen Funkhaus, gemeinsam mit
Klaus Vorbrodt, weiß Frank auch noch genau zu schildern.
„Wir hatten ein neues Pult im Studio und als wir anfingen zu senden,
war - trotz vorheriger Schulung - Grundsätzliches schon wieder
vergessen. So hangelten wir uns in der Sendung von einer Panne zur
nächsten, vergaßen etwa das ARI-Signal nach dem Verkehrsservice
wieder rauszunehmen.“ Seit 1998 ist Frank Wiedemann regelmäßig im
Tagesprogramm zu hören, moderiert aber auch weiterhin
Special-Interest-Shows zu bestimmten Musikrichtungen. Kaum mehr zu
zählen sind zudem seine Moderationen der »Hitarena« oder auf
SAW-Parties. Das jährlich größte Spektakel des Senders, die
»Mega-Ei«-Abschlussfete zu Ostern, moderierte er im letzten Jahr
gemeinsam mit Warren Green.
„Alle Off-Air-Veranstaltungen haben immer großen Spaß gemacht.
Bei der ersten Tour mit Petra Zieger und Band, das war in
Haldensleben, hatten wir dem Drummer Pfeffer auf das Schlagzeug
gestreut. Bei Peter Schillings Technoversion von ‚Major Tom’
erhöhten wir die Laufzeit des Playbacks auf 20 Minuten - er hatte
ganz schön zu schwitzen. Bei einem Negerkusswettessen hatten wir
einige der Schaumköpfe mit Senf präpariert, das sorgte auch für
Freude“, lacht Frank Wiedemann. Pro Jahr präsentiert er 15 bis 20
Veranstaltungen und erlebt dabei, wie die SAW-Hörer mit ihrem Sender
erwachsen geworden sind. „Diejenigen, die vor 15 Jahren als junge
Leute kamen, haben heute ihre Kinder auf den Schultern. Sie wissen
noch immer zu schätzen, dass bei uns echte Leute auf der Bühne
stehen.“
Aber auch wenn es ernst wird, können sich die Hörer auf radio SAW
verlassen. So bei der Jahrhundertflut im Jahr 2002, als das gesamte
Programm rund um die Uhr der Hochwasserberichterstattung zur
Verfügung gestellt wurde und auch die SAW-Crew bis zur Erschöpfung
arbeitete. „Es gab Kollegen, die 14 Tage nicht zu Hause waren. Wir
sind mit dem Ü-Smart auf den Deich gefahren und haben direkt vor Ort
berichtet. Im Studio glühten ebenfalls die Telefone heiß. Viele
Leute wussten nicht, wie sie etwa an Sandsäcke kommen. Wir waren
daher eine ganz wichtige Verbindung zur Außenwelt. Besonders gern
erinnere ich mich an die gemeinsamen Sendungen mit Claudia Heber
zurück, hier ging wirklich alles Hand-in-Hand. Wir hatten damals
sechsstündige Moderationsschichten, meist von 12.00 bis 18.00 Uhr“.
Auch
der Sport ist bei radio SAW ein wichtiger Programmbestandteil. Hier
ist Frank Wiedemann ebenfalls oft zu hören gewesen. Seit vier Jahren
arbeitet er als Redakteur vom Dienst (RvD), seit 1. Januar 2010 als
Chef vom Dienst (CvD), und nimmt hier alles, was über den Sender
geht - mit Ausnahme der Nachrichten - ab. „Die Beiträge, die wir ins
Programm heben, sollten eine vernünftige Mischung darstellen.
Ernstes und Unterhaltsames sollten sich die Waage halten,
schließlich ist auch wichtig, die gute Laune nicht zu verlieren.“
Auch auf die Notwendigkeit bestimmter Begriffe achtet Frank. „Wir
versuchen etwa, das Wort ‚Finanzkrise’ zu vermeiden, weil es jedem
Bericht sofort einen Stempel aufdrückt.“ Gern betreut er auch die
Rubrik »Urlaubsecke«, wo von der Schiffsreise auf der Wolga über
einen Städtetrip nach London bis hin zur Frage, wohin man mit seinem
Hund verreisen kann, eine breite Palette ins Programm kommt. Das
gilt auch für »radio SAW-Startklar«, wo vierzehntätig Autos getestet
werden.
Frank Wiedemanns persönliches Steckenpferd ist „radio SAW deckt
auf - die kleinen Geheimnisse des Alltags“, wo drei Mal täglich ein
Team von Produzenten und Redakteuren „kurz, knackig und informativ
Infotainment im besten Sinne macht“. Aber woher stammt eigentlich
Franks Faible für den Humor, für intelligente Comedy und gute
Glossen? Denn das war ja immerhin der preisgekrönte Teil seiner
Arbeit. „Wortwitz hat man oder eben nicht. Den kann man nicht
antrainieren“, lautet seine kurze Antwort. Ob zum „Tag des
Butterbrotes“ oder dem „Tag der Putzfrau“ - zu solchen Anlässen
überlegt er sich gern, wie man diese Ereignisse den Hörern mit einem
Schmunzler nahe bringen kann.
„Das ist natürlich auch von meiner Tagesform abhängig und von den
Ideen, die man so aufschnappt. ‚Der kranke Mann’ etwa entstand, als
sich eine Kollegin über ihren Freund beschwerte, der sich total
krank fühle, eigentlich aber nur ein Weichei sei und sich nicht so
anstellen soll. Damit war gleich die Grundidee für diese Glosse
geboren“, erzählt Frank Wiedemann.
Mit seiner jetzigen Arbeit bei radio SAW ist er sehr zufrieden.
„Es ist schön, geregelte Arbeitszeiten zu haben. Ich bin montags bis
freitags von 9.00 bis 18.00 Uhr im Funkhaus, sitze hier allerdings
nicht im Büro sondern auf der Kommandobrücke in der Redaktion, damit
mich jeder sprechen kann, wenn es nötig ist. Man hat auch viel mehr
Verantwortung als vorher, vor allem für die Kollegen. Trotzdem fühle
ich mich sensationell wohl bei einem Sender, der noch 24 Stunden am
Tag live sendet und sich zudem eine eigene, gut ausgestattete
Nachrichtenredaktion leistet.“ Einen Wunsch hat Frank dennoch: „Ich
hoffe, dass ich auch den humorvollen Teil in mir bewahren kann.“
Stefan Förster
Fotos: © radio SAW
www.radiosaw.de