»Nachwirkung«
Radio kann mehr

Gesprächsführung: 
MDR Kultur »Figaro« 
Ulrike Timm
 


Figaro schätzt Ulrike Timm als „sehr frisches Morgenmagazin, das ohne Festlegung auf Politik und Kultur eine breite Themenpalette behandelt“. Dazu gehört auch das einmal wöchentlich ausgestrahlte »Figaro trifft«, mit dem die Vollblutmoderatorin und Journalistin auch beim RADIOJournal-Rundfunkpreis erfolgreich war. Ulrike Timm ist eigentlich praktische Musikerin, die auch zweimal beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ gewann. Ab einem Alter von sechs Jahren spielte sie ­ ganz ohne elterlichen Druck, wie Ulrike Timm betont ­ alte Musik auf Geige oder Blockflöte. Zehn Jahre Kammermusik in einem Orchester schlossen sich an. Lebensstationen in Amsterdam und Zürich ließen die Hamburgerin und jetzige Wahl-Berlinerin weiterhin beim Musizieren bleiben, ehe ihr ein Rückenleiden einen Strich durch die Rechnung „Profimusikerin“ machte. „Um nicht in ein tiefes Loch zu fallen, überlegte ich mir: Was kannst du noch? Ich kann schreiben!“ Also schickte Ulrike Timm drei politische Glossen an den damaligen RIAS. 

Mittlerweile ist sie nun schon zehn Jahre beim Rundfunk dabei. Einem Volontariat beim DeutschlandRadio schloss sich die Moderation vom »Boulevard Spezial« beim Deutschlandfunk an. Ihre erste Sendung drehte sich rund ums Bier, das weiß Ulrike Timm heute noch genau. Als freie Mitarbeiterin war sie fortan für den Deutschlandfunk, das DeutschlandRadio Berlin und das frühere Radio Bremen 2 tätig. Dort in der Hansestadt suchten sie befristet jemand, der die drei Stunden „Journal am Morgen“ für eine gewisse Zeit moderieren könnte. Ihre schönste Erinnerung an eine Sendung hat sie an Henning Scherf,
der mit dem Fahrrad zum Sender kam. Leider hatte Bremens Bürgermeister aber einen Platten, kam zu spät und entschuldigte sich dann in der bereits begonnenen Sendung wortreich dafür. Den kaputten Fahrradreifen, den er erst flicken musste, nutzte er dann als Aufhänger, um die Sanierung des maroden Haushalts des Stadtstaats Bremen zu erklären. 

Für Figaro bei MDR Kultur in Halle wurde Ulrike Timm gecastet. Ihr war klar, dass nichts schwieriger als gekonnte Unterhaltung sein würde, die dieses Sendeformat ja auszeichnet. Ihr gefällt, dass man viel über die Mentalitäten verschiedener Menschen lernen kann. Auch die Hörerbindung ist beim Aushängeschild von MDR Kultur eine besondere. „Die Leute rufen an, fragen, kritisieren“, freut sich Ulrike Timm über die Resonanz. „Ich habe dort auch viele Kollegen, die mit großem Enthusiasmus dabei sind. Die Sendung passt auch gut zu mir: Die Hörer haben ein unglaubliches Informationsbedürfnis, das
ich gut befriedigen kann.“ 

20 feste und freie Mitarbeiter arbeiten für Figaro, das Ulrike Timm eine Woche im Monat moderiert. Keine Frage, dass sie viel mit dem Zug unterwegs ist. „Die Bahn verdient gut an mir“, scherzt Ulrike Timm dann auch. Am Buch schreiben ist sie auch gerade. In der Reihe „50 Klassiker“ bei Gerstenberg soll ihr Werk „Orchestermusik für Einsteiger“ erscheinen. Für hr, WDR und DeutschlandRadio hat Ulrike Timm bereits die Sendereihe »Klassik für Einsteiger« betreut. Ihr liegt es, der Klassik aufgeschlossene ­ vorwiegend junge Menschen ­ an dieses besondere Genre heranzuführen. 

Bei Figaro sucht Redakteurin Angelika Zapf die Gäste für »Figaro trifft« aus. Mit einem ausführlichen Dossier, in dem alles über die jeweiligen Leute geschrieben steht, bereitet sich Ulrike Timm auf
die Sendung vor. Dass sie noch nie langweilige Menschen erlebt hat, nimmt man ihr sogar ab, wenn Ulrike Timm einige Beispiele erzählt. Da war eine Frau, die auf sieben Quadratmetern Ausstellungsfläche in Dresden das kleinste Erich-Kästner-Museum der Welt betreibt und ihre Dekoration täglich umbaut. Immer als etwas schwierig geltende Menschen wie Alfred Brendel oder Peter Stein hat Ulrike Timm auch auf ihre Art und Weise „geknackt“. Bei ersterem hat sie das Gespräch gleich auf das Dichten beschränkt („Ich möchte mit Ihnen über philosophierende Krokodile reden“ ­ weil das in einem Werk vorkam), bei letzterem ging es um seine Faust-Inszenierung auf der EXPO. Günter de Bruyn fragte Ulrike Timm über das richtige Lesen von Stasi-Akten aus. Sind nicht prominente Menschen im Studio,
gilt es in erster Linie, ihnen die Scheu vor dem Mikrofon zu nehmen. So erinnert sich Ulrike Timm an die 79-jährige Lisa Berger aus dem Prenzlauer Berg, die ihr Leben zwischen kommunistischem Widerstand, Trümmerfraudasein und ihrer heutigen kleinen Rente schildert und doch ­ obwohl so viel in ihrem Leben gründlich schief ging ­ mit diesem eigentlich zufrieden ist. Eckehard Stier, den Dirigenten der ausgezeichneten Sendung, brachte das Musikrätsel aus dem Takt. 

So hat jede Sendung für Ulrike Timm, die für das DeutschlandRadio Berlin auch satirische Kolumnen schreibt, ein ganz persönliches Moment, das auch in der Erinnerung hängen bleibt. Ihre Devise immer dabei: „Wichtig ist der Gast, wenn man selber dabei gut aussieht, umso besser.“ Als Ihre Idole, was die Gesprächsführung angeht, nennt Ulrike Timm zwei bekannte Namen: Friedrich Luft,
der berühmte Kulturjournalist und Gerd Ruge, bei dem sie schätzt, wie er auf die Leute zugeht. Menschen, die ­ wie Ulrike Timm ­ ein Markenzeichen haben: Die unverwechselbare Gesprächsführung.

Stefan Förster
Foto: © MDR
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