»Nachwirkung«
Radio kann mehr

Gesprächsführung:
Deutschlandradio Berlin
»HörenSagen - Im Gespräch«
mit Gisela Steinhauer


Mit dem Programmstart von DeutschlandRadio Berlin im Januar 1995 entstand am Vormittag die dreistündige Sendefläche »HörenSagen« - eine bunte Wundertüte, die neben dem einstündigen Gespräch von 9.00 bis 10.00 Uhr auch die Rubriken „Kopfnuss“ um 10.15 Uhr, „KostProbe“ um 10.45 Uhr, „Natur und Wissenschaft“ um 11.05 Uhr und das „Historische Kalenderblatt“ um 11.45 Uhr beinhaltet.

Im Programmteil »Hören Sagen - Im Gespräch« sind Menschen im Blickpunkt, die persönliche Erfahrungen, Meinungen und Sachverhalte vermitteln. Die Biografie, die Persönlichkeit und die Erlebnisse der Gesprächspartner stehen im Vordergrund. Birte Lock, Abteilungsleiterin Bildung und Wissen im DeutschlandRadio Berlin und damit auch für »HörenSagen« verantwortlich, zählt eine ganze Reihe von Gästen auf, die bisher schon im Gespräch zu hören waren. Ob der Berliner CDU-Landesvorsitzende Christoph Stölzl,
der Wahlforscher Dieter Roth, ZDF-Journalist Peter Frey, ARD-Wetterfrosch Karsten Schwanke, Fernsehmoderator Thomas Koschwitz oder auch nicht-prominente Leute wie der Drehorgelspieler und Fachtierarzt Dietmar Jarofke, der Murmeltierexperte Fredy Frey-Rose, die Lichtdesignerin Ulrike Brandi, die Schweizer Sufi-Meisterin Annette Kaiser, Ex-Domina Liliane
von Rönn, DDR-Zeitzeugin Gabriele Stötzer oder Abenteurer und Weltenbummler Schorsch Kirner. „Wir bringen unspektakuläre Alltagsgeschichten, die aber trotzdem spannend sind und neue Einblicke geben oder neue Horizonte öffnen“ bringt Birte Lock
das Konzept der Sendung auf den Punkt.

In der fünfköpfigen »Hören Sagen«-Redaktion sind Sabine Lau und Frank Schmid damit beschäftigt, die Gesprächssendungen zu planen, auf die richtige Themenmischung zu achten und die Gäste der jeweiligen Sendung auf das Gespräch vorzubereiten. Im nächsten Frühjahr wird der 2000. Gast erwartet, wie entdeckt man die eingeladenen Personen? Birte Lock: „Wir werden auf die Menschen durch Zeitschriftenartikel aufmerksam, haben sie vielleicht auch schon im Radio gehört, auf Veranstaltungen getroffen oder in (nicht)alltäglichen Situationen beobachtet. Es gibt auch Gäste, die bei uns gewesen sind und Bekannte an uns weiter empfehlen oder auch Stammhörer, die meinen, sie müssten mit ihrer Lebensgeschichte auch mal eingeladen werden.“

Gesendet wird in der Regel live und die Gäste sollten der deutschen Sprache mächtig sein, um auf Dolmetscher verzichten zu können. Den hat man nur einmal in Anspruch genommen, als ein taubstummer Gast in der Sendung war.

Moderiert wird »HörenSagen - Im Gespräch« von sechs Moderatoren, die speziell für dieses Gesprächsformat gecastet worden sind und die intime Situation im Studio als Mittler zwischen Gast und Hörer auch gut in den Äther transportieren können. „Wir machen ein Bildungsprogramm im besten Sinne“ ergänzt Birte Lock, „es ist aber auch ein sehr persönliches Gespräch, auf das sich die Gäste
da einlassen, ohne dass wir sie aus der Schlüssellochperspektive betrachten. Die Vorbereitung einer jeden Sendung ist sehr aufwendig und beinhaltet neben einem ausführlichen Vorgespräch auch die Möglichkeit, vor der Sendung schon mit den jeweiligen Moderatoren sprechen zu können. Wir müssen dabei berücksichtigen, dass wir oftmals keine Radioprofis zu Gast haben sondern Leute, die zum ersten Mal im Leben am Mikrofon sitzen. Denen muss man auch
ganz klar sagen, dass sie bei allen spannenden Erzählungen nicht vergessen sollen, dass Menschen draußen am Radio zuhören und
sie sich klar darüber werden sollen, was sie sagen möchten und
was nicht. Grundregel bei uns ist, dass das passiert, was die Gäste wollen. Das heißt aber nicht, dass sich die Moderatoren mit einer Sache gemein machen - auch wenn sie den Gast noch so sympathisch finden sollten, ist die kritische Distanz immer vorhanden.“

In der Regel gibt es nach der Sendung positive Rückmeldungen der Gäste und ihrer Familien, die mit Spannung am Radio zugehört haben und stolz auf ihren Angehörigen sind. Nach dem Blutbad an einem Erfurter Gymnasium im April wagte die »Hören Sagen«-Redaktion
das Gespräch mit zwei Schülerinnen, die die schrecklichen Ereignisse miterlebt hatten. Dabei ließen die Radiomacher erst einige Wochen verstreichen und gingen einfühlsam mit dem Thema um. „Sicher ist das der Vorteil des Radios für diese Sendung, dass keine Kameras dabei sind, unsere Gäste sitzen auch dem Moderator direkt gegenüber und haben Blickkontakt, das gibt ihnen Sicherheit“ sagt Birte Lock. „Es ist immer eine Gratwanderung zwischen Vertrauen, Ehrlichkeit und Distanz und oftmals ist die Qualität des Gespräches sicher auch von der Tagesform der jeweiligen Gäste abhängig -
aber das rerfeedback nach jedem Gespräch gibt uns Recht zu der Annahme, dass unsere Sendung ein großes Stammpublikum hat.“

Im Bild (von oben): Redakteurin Sabine Lau mit Gesprächsgast;
Birte Lock, Abteilungsleiterin Bildung und Wissen.

Stefan Förster
Fotos: © DeutschlandRadio
www.dradio.de