„Total lokal und weltoffen“ jetzt für ganz Europa Das Hamburger Lokalradio auf Kurzwelle
Seit 1998 existiert der Radioanbieter, seit 2000 ist er immer wieder über angemietete Kurzwellen-Sendestellen aktiv, seit 2003 per Satellit als Bestandteil von WRN Deutsch. Die Rede ist vom Hamburger Lokalradio (HLR), einem Spartensender mit vielen kulturellen und musikalischen Spezialprogrammen, der zwar vorrangig in der Hansestadt auf UKW und im Kabel verbreitet wird, aber immer wieder über den lokalen Tellerrand hinaus schaut. Jetzt wurde erneut ein Schritt in Richtung Internationalität getan: Seit dem 1. Dezember 2009 laufen Testsendungen auf der eigenen Kurzwellen-Frequenz 5980 kHz im 49-Meter-Band - vorläufig zwei Stunden am Tag, aber mit der Erlaubnis der Bundesnetzagentur, den Sender bis zu sechs Stunden am Tag zu betreiben.
„Ich begreife die Kurzwelle als eine Möglichkeit, ohne Visum zu
reisen.“ In diese Metapher packt Stationsleiter Michael Kittner die
Motivation, sich auf den internationalen Radiobändern zu tummeln.
Während viele klassische Auslandsradios ihre langjährige Benutzung
der Kurzwelle zurückschrauben oder gänzlich einstellen, gehört das
Hamburger Lokalradio zu den Anbietern, die hier eine Nische für die
eigene Arbeit gefunden haben. „Total lokal und weltoffen“ lautet
seit Jahren der Slogan der Station. Diese Aussage könne man, so
Kittner, sowohl auf die vielfältigen Inhalte als auch auf die
umfangreiche Verbreitung beziehen.
Die
rechtliche Grundlage für einen privaten Kurzwellendienst liegt in
der Lizenzierung des Senders durch die zuständige Medienanstalt
Hamburg/Schleswig-Holstein. Das HLR hält eine Lizenz als
bundesweites Kultur-Spartenprogramm. Damit stehen ihm grundsätzlich
alle gängigen internationalen Verbreitungswege offen. Die
Bundesnetzagentur, welche die Frequenz 5980 kHz koordiniert und zur
Verfügung gestellt hat, gibt als Verbreitungsgebiet folglich auch
„Europa“ an. Wie gut das Signal in den verschiedenen Gebieten
Europas ankommt und welche technische Abdeckung auch in Deutschland
erreicht werden kann, sollen die Tests im Laufe des Monats Dezember
weisen. Im Bild: Sender SK1 von Rohde & Schwarz, der für die
Kurzwellen-Ausstrahlungen eingesetzt wird.
Durchgeführt werden die Ausstrahlungen über die privat betriebene
Sendestelle in Kall im Norden der Eifel. Dort stehen verschiedene
Sendeeinheiten und Antennenanlagen, die in früherer Zeit von der
Polizei und dem Militär betrieben wurden. Der Ingenieur und
Funkamateur Burkhard Baumgartner übernahm sie vor rund 15 Jahren
gemeinsam mit sonstigen technischen Einrichtungen.
Im vergangenen Jahr ging als erster Anbieter das Projekt „Radio 700“
via „Classic Broadcast Facilities“ in Kall on air. Das Hamburger
Lokalradio erstellt in den eigenen Räumlichkeiten im Kulturzentrum
LOLA eine separate Playlist und besorgt die Überspielung der Inhalte
per Internet an die Kollegen von Radio 700, die quasi für ‘die
letzte Meile’ bis zum Sender zuständig sind. Als Sendeleistung
beschränkt man sich fürs erste auf ein Kilowatt - durchaus eine
Herausforderung für manche Kurzwellenfans, besonders wenn sie in
Ballungsräumen mit vielen lokalen Störquellen wohnen. Trotzdem
sollte ein stabiles, wenn auch nicht besonders lautes Signal in
vielen Gegenden möglich sein, so die Initiatoren. Die bisherigen
Ausstrahlungen von Radio 700 vom gleichen Standort auf der
benachbarten Frequenz 6005 kHz legten dies nahe. Auf jeden Fall ist
man in Hamburg gespannt auf die technischen Berichte der Hörer.
Im
Gegensatz zu vielen auf Unterhaltung getrimmten Privatsendern
konzentriert sich das Team des HLR auf hochwertige Wortprogramme und
musikalische Raritäten. Eine Auswahl aus aktuellen UKW-Produktionen
und kleinen Schätzen aus dem Archiv wird nun auch auf der Kurzwelle
ausgestrahlt. Hierzu zählen Gespräche mit und Porträts von
Prominenten (Lonny Kellner-Frankenfeld, Heinz Rühmann, Jazz- und
Swing-Größen wie Carola Marwitz-Schramm und Nils Landgren),
Diskussionen über Literatur und Kultur (zum Beispiel eine Lesung aus
dem Briefwechsel von Hermann Hesse und Thomas Mann sowie diverse
Buchvorstellungen und literarische Texte) und Interessantes für
Radio-Enthusiasten (ein Musik-Special mit dem Thema „Schlager rund
ums Radio“ sowie ein mehrteiliger Rückblick auf die Internationale
Funkausstellung 2009). Hinzu kommen Inhalte, die im Rahmen von
Kooperationen mit Programmpartnern erstellt wurden, zu denen unter
anderem die Körber-Stiftung (politische und gesellschaft-liche
Themen) oder die Helmholtz-Gemeinschaft (Wissenschaft) zählen. Den
ausführlichen Sendeplan findet man auf der Internetseite des HLR.
Im Bild: Peter Schütt vom Hamburger Lokalradio im Interview.
Überhaupt eignet sich die schlichte, aber inhaltsreiche Seite gut für einen Überblick über die vielfältigen Sendungen und die zahlreichen Sendemöglichkeiten, die man in Hamburg und anderswo nutzt. Anfang des kommenden Jahres soll im Netz ein Livestream verfügbar sein. Außerdem plant das Hamburger Lokalradio, im digitalen Netz der Firma Wilhelm.te, die große Teile Hamburgs verkabelt hat, eine tägliche sechsstündige Programmfolge auszustrahlen. Bis dahin dürfte der Großteil der Kurzwellentests über die Bühne gegangen sein und feststehen, in welchem Umfang die Frequenz 5980 kHz regulär betrieben wird.
Bild ganz oben: Silke Frakstein moderiert Sendungen auf
Plattdüütsch - hier im Interview mit zwei Gästen vom Hamburger
Hafen.
Thomas
Völkner
Fotos: © Hamburger Lokalradio
www.hamburger-lokalradio.de
Aus RADIOJournal 10/2009