In memoriam: Bill
Meeks, Gründer von PAMS
Zusammenfassung der Erfolgsstory von Bill Meeks und seiner
legendären Jinglefirma
William B. Meeks, der Gründer der legendären ersten und weltweit erfolgreichsten Jinglefirma PAMS, ist am 8. September 1999 an den Folgen seiner schweren Krebserkrankung gestorben. Der 78jährige Amerikaner hatte 27 Jahre lang die in Dallas ansässige Jingleproduktionsfirma PAMS, welche - wie man mit Fug und Recht behaupten kann - das Radio-ID-Jingle erfunden hat, geleitet. Grund genug für eine kurze Hommage an diesen ungewöhnlichen Mann.
Bill Meeks wurde 1921 in den Vereinigten Staaten geboren. Seine Liebe zur Musik hat sich schon früh entwickelt - insbesondere zu einem Instrument: dem Saxophon. Bereits im Alter von 14 Jahren spielte Bill das Saxophon in einer Schülerband, mit der er sogar eine eigene Radioshow bei WRR, einem lokalen Sender in Dallas, hatte, welche wöchentlich sonntags ausgestrahlt wurde. Später spielte er mit einer anderen Band, welche sich - passend zum jugendlichen Alter ihrer Mitglieder - „Early Bird Orchestra” nannte, beim gleichfalls in Dallas ansässigen Radiosender WFAA. In diesen Tagen wurde ausschließlich live gespielt, da die technischen Möglichkeiten der Tonaufzeichnung noch nicht sonderlich weit entwickelt waren.
Historisches
Foto aus dem Jahr 1940: Die Live-Band von WFAA radio in Dallas,
Texas spielt und singt kommerzielle Jingles für Sponsoren und dessen
Show. Bill Meeks spielte Saxophone und Klarinette in der Band
und
gründete 1951 PAMS.
Meeks hatte das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, und so wurde er mit seiner Band im Jahr 1947 engagiert, als eine neue Station namens KLIF in Dallas eröffnete. Bei KLIF spielte und sang die Band - dies war seinerzeit nichts ungewöhnliches - den Namen des Sponsors der jeweiligen Radioshow (quasi live gesungene Werbe-Jingles für diverse lokale oder regionale Firmen). Was aber schon ungewöhnlich und neu war: Erstmals wurde bei KLIF auch der Name des Senders musikalisch verpackt. So entstand bereits 1947 das erste Radio-ID-Jingle - die Geburtsstunde dieses heute so wichtigen Hörfunkelements. Für uns Deutsche ist das immer ein Grund, ungläubig den Kopf zu schütteln, erreichte uns doch das Jingle knapp 40 Jahre später! Der Verschlafenheit des monopolistischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Anstalt-Systems in Deutschland ist dies zu danken.
In Dallas jedenfalls erwies sich das ID-Jingle als großer Erfolg. 1951 gründete Bill Meeks seine eigene Firma: PAMS Advertising Agency, Inc.. Die Buchstaben „PAMS” stehen für „Production, Advertising and Merchandising Services”. Meeks verkaufte über PAMS Sendezeit bei KLIF an Firmen und bot zugleich die musikalische Verpackung in Form von Werbejingles an. Später verkaufte PAMS Advertising Agency auch Werbespots und vereinzelt auch Radio-Jingles an diverse Lokalsender. Der große Durchbruch kam jedoch erst, als PAMS Advertising Agency Mitte der 50er Jahre ein System einführte, das noch heute bei den großen Jingle-Firmen üblich ist: Die Syndikatisierung von vorproduzierten Jinglepaketen. Das bedeutet: Die bislang vereinzelt verkauften ID-Jingles wurden zu sogenannten Jingle-Paketen zusammengefasst und mehreren interessierten Radiostationen in ganz USA angeboten. Der Name der Station wurde dann jeweils über die vorproduzierten Tracks übergesungen.
Die ersten Pakete - bei PAMS Advertising Agency als „Series” durchnumeriert - waren ein voller Erfolg. Leider sind keine Tondokumente aus dieser Zeit erhalten, da PAMS Advertising Agency selbst die Tonbänder der ersten Zeit, welche Series 1-15 enthielten, gelöscht hatte, vermutlich wegen zu schlechter Tonqualität. 1961 bezog PAMS ein eigenes Gebäude. In den USA hatte sich inzwischen der Hörfunkmarkt etwas geändert; mehr und mehr kamen Top 40-Stationen auf den Markt. Bill Meeks stellte sich darauf ein und legte den Schwerpunkt darauf, für diese Sender flotte, aufregende Jinglepakete maßzuschneidern. Mit Erfolg: Ende 1964 entschied sich Meeks dafür, den Jingleproduktionen Priorität einzuräumen und benannte seine Firma in das kürzere „PAMS Inc.” um. PAMS wurde fortan weltweit zu einem Begriff und hatte viele Jahre das uneingeschränkte Monopol, wenn es um professionell gesungene Stations-Identifikationen ging. Im Bild: Bill Meeks 1958.
Was war das Erfolgsgeheimnis von Meeks? Nun, in erster Linie wohl seine Bereitschaft zu Innovationen, seine Freude am Experimentieren. Wie er selbst in einem Interview sagte, war er immer auf der Suche nach einem neuen Sound. Viele Effekte, Gimmicks und Sounds wurden einfach durch Herumexperimentieren und Ausprobieren entdeckt. Als Beispiele seien der Effekt des Phasings, der Moog Synthesizer und das von PAMS erfundene Sonovox genannt.
Manchmal kommt bei diesem Experimentieren etwas anderes heraus als eigentlich geplant war. Die Idee, die dem Sonovox zugrunde lag, war beispielsweise die folgende: Der Radiohörer sollte den Eindruck haben, dass eines der Instrumente, welches in dem ID-Jingle die Erkennungsmelodie des eingeschalteten Radiosenders spielt, plötzlich zu sprechen anfängt... So sollte die künstliche Sonovoxstimme eigentlich den Sound der Gitarre oder der Trompete annehmen und die Melodie lediglich in gesprochene Worte umsetzen. Eine erstaunliche Idee, welche einen ungewöhnlichen, neuen Sound kreierte. Jedoch wird das Sonovox vom Zuhörer eher mit einer roboterähnlichen Stimme assoziiert als mit einem sprechenden oder singenden Musikinstrument. Der Beliebtheit tat dies indes keinen Abbruch: Series 18, in der erstmals das Sonovox eingeführt wurde, ging in die Geschichte von PAMS ein als eines der erfolgreichsten Jinglepakete. Bereits im Jahre 1961 wurde das Sonovox eingeführt.
Auch heute wird dieser Effekt sehr gerne verwandt und klingt keineswegs verstaubt, sondern eher modern. Während man heutzutage häufig elektronische Geräte wie Vocoder verwendet, musste Bill Meeks damals auf die Möglichkeiten einer Art Mundorgel zurückgreifen. Not macht erfinderisch, und Bill Meeks war mit Sicherheit ausgesprochen erfinderisch. Seine Jingles nahm er in verschiedenen Räumen auf, um verschiedene Sounds zu kreieren. Klar, seinerzeit gab es noch keine digitalen Hallgeräte, mit denen man per Knopfdruck die Akustik eines Raumes einstellen kann.
Auch in der Technik führte Meeks - für die damalige Zeit - unglaubliche Neuerungen ein: Bereits in den frühen Sechziger Jahren arbeitete man mit einer 10-Spur-Tonbandmaschine, welche damals die einzige 10-Spur-Tonbandmaschine auf der ganzen Welt war. Mit Hilfe dieser modernen Technik führte PAMS das sogenannte „Stacking” ein, das Doppeln und Vervielfältigen der Sängerstimmen, so dass man mit wenigen Stimmen schon einen großen Chor erzeugen konnte. Durch diese Methode erhielten die PAMS-Jingles ihren vollen Sound.
Bill Meeks machte in seinen Jingles immer etwas mehr, als nur das musikalische Logo zu spielen und den Stationsnamen darüber singen zu lassen. Was er schon damals schaffte, war die Schöpfung eines „ear-catching sounds”! Die PAMS-Jingles waren lebendig und interessant, sie vermittelten Lebensfreude und Spass. Neben den Stationsnamen fügte er Geräusche, Effekte, Gimmicks hinzu, so wie Shouts („Whoopee”, „Chaaaarge!”, „Music Explosion”) und Sonovoxes („Muuuuuusic” etc.). Die Jingles identifizierten somit nicht nur den Radiosender, sondern sie erzeugten auch eine ganz besondere Stimmung und lockerten das Programm auf. Eine wichtige Funktion des Jingles, welche heutzutage bei vielen Jinglefirmen, die nur auf die Funktionalität und den Transitioncharakter des ID-Jingles Wert legen, leider vergessen wird. Heute werden Jingles oft möglichst unaufdringlich gestaltet, damit sie den Musikfluss nicht stören. Die Idee, dass Jingles stören könnten, war damals wohl eher unbekannt. Jingles dienten da neben der Identifikation auch dazu, die Sendung „exciting” und „powerful” klingen zu lassen.
Am Beginn der 60er Jahre gelangten die PAMS-Jingles nach Europa. Die vor der britischen und niederländischen Küste liegenden Seesender Swinging Radio England, Radio London und Britain Radio („Hallmark of Quality...”) machten es möglich. Sie hatten bei PAMS komplette Jinglepakete mit ihrem Namen einsingen lassen und verblüfften das ahnungslose europäische Publikum mit diesem völlig neuen Sound. Wie gesagt: Auch diese Sender mussten auf bestehende Jinglepakete zurückgreifen, die für amerikanische Sender komponiert worden waren. Dass im Paket von Swinging Radio England bei einigen Cuts Soundeffekte zu hören sind, die an Schiffsmotorgeräusche und Meeresbrandung erinnern, ist reiner Zufall - im Original wurde das SRE-Paket für den New Yorker Sender WABC produziert und hatte da schon diese Effekte. Auch der vibrierende Effekt bei den vocals („Swiiiiiiiinging Radio...”) ist keineswegs für Radio England so kreiert worden, sondern klang schon in der Originalversion bei WABC so. Dieses Vibrieren passte bei Swinging Radio England natürlich wie die Faust aufs Auge. Möglich ist, dass das Jinglepaket den Ausschlag für die Namensgebung (Swinging Radio) des Seesenders gab.
Die erste „offizielle” Radiostation in Europa wird dann wohl BBC Radio One gewesen sein, welche mehrere aktuelle Pakete bei PAMS bestellte, um nach dem von der Regierung erzwungenen Ende der Seesender den von jenen in England eingeführten populären Sound zu imitieren. In den Niederlanden bestellte die Rundfunkgesellschaft NCRV, welche ihre Sendungen über die Hilversumer Sender ausstrahlte, Jingles von PAMS. Da seinerzeit nur ein amerikanischer Chor zur Verfügung stand, hatten die ersten NCRV-Jingles einen deutlich vernehmbaren amerikanischen Akzent.
John Wolfert mixt the "Philadelphia Story".
Mit seinem ungeheuren Vorsprung an Technologie und Know-how blieb PAMS viele Jahre lang unangefochten die Nr. 1 im Jingle-Business. Konkurrenten wie Pepper Tanner und Gwinsound konnte Bill Meeks hinter sich lassen. Erst in den 70er Jahren kam nennenswerte Konkurrenz: TM, Tanner, Tuesday Productions und die heute wohl bekannteste Jinglefirma „JAM Creative Productions”, welche von John Wolfert (Bild), einem ehemaligen Mitarbeiter Bills gegründet wurde. PAMS hatte zu dieser Zeit einige finanzielle und geschäftliche Krisen zu durchleben und musste 1978 seine Produktionen einstellen. Die alten PAMS-Tracks werden selbst heute noch von verschiedenen Firmen vermarket und weiterhin customised für Radiosender aus aller Welt. Ken R. aus Ohio bietet die PAMS-Jingles Oldiesendern zu äußerst niedrigen Preisen an und JAM-Gründer John Wolfert verwendet in den letzten Jahren sehr viel Zeit darauf, die alten PAMS-Pakete klanglich aufzupolieren und zu remastern - so viel Zeit, dass er seine eigenen Produktionen darüber etwas vernachlässigt.
Bill Meeks hat sich nach dem Ende von PAMS mit verschiedenen Musik-Projekten beschäftigt, eine kleine Werbeproduktionsfirma gegründet und auch verschiedene Production-music-libraries komponiert. Der gewaltige Erfolg mit PAMS scheint ihm nie zu Kopf gestiegen zu sein. In einem Interview mit JAM-Gründer und Freund John Wolfert erzählte er auf die Frage, was er denn angesichts der weltweiten Popularität von PAMS empfinde, dass er mit seiner Frau einmal seine Jingles im BBC-TV gehört habe und sie ihn daraufhin gefragt habe, warum er nicht reich sei. Dazu lachte der Amerikaner herzhaft. Wolfert schildert den Musiker als äußerst lebendigen, erfindungsreichen und rastlosen Mann. Selbst mit 78 Jahren soll er zu Wolfert noch gesagt haben, er wisse noch immer nicht, was er tun solle, wenn er in den Ruhestand ginge. Dazu ist es nie gekommen, Meeks war aktiv bis kurz vor seinem Tode.
John Wolfert sagte zum Tod von Meeks, dass er - wie auch die gesamte Radio-Industrie - ihm dankbar für sein Werk sei. Ich schließe mich den Worten an und denke, dass die Radiowelt mit Bill Meeks einen Menschen verliert, der für die Entwicklung des Radio-Jingles mehr getan hat, als jeder andere jemals zu tun vermag. Ich halte es für fraglich, ob es ohne Bill Meeks und PAMS das Jingle in seiner jetzigen Form so geben würde. Heutige Jingles haben mit dem eher orchestralen Klang der alten PAMS-Serien nicht mehr viel gemein. Gleichwohl hat PAMS eindeutig den Grundstein dazu gelegt. Dafür gebührt ihm von allen, die sich beruflich oder privat mit dem Thema Jingles beschäftigen, größter Respekt.
Bild ganz oben: Ideenfindung im PAMS-Studio 1964 (von links): PAMS Produzent Jodie Lyons; Johnny Borders, Programmdirektor KLIF, Dallas; Bill Meeks, PAMS-Präsident; Euel Box, Musikdirektor; Jim West, Sales Manager und Sound-Ingenieur Dick McGrew.
Jesco Dörk
Fotos: © PAMS
www.pams.com
Aus RADIOJournal 11/1999