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»NachDurst« auf Kölncampus - Besuch beim
einzigen Radiosender in Köln, der komplett
von Studenten betrieben wird

Ein trutziger Altbau in der Kerpener Straße, unweit der Universität. Einer von der Art, von denen es unzählige in Köln gibt: Dunkel, sanierungsbedürftig, kein Aufzug. Nur eines unterscheidet dieses Gebäude von seinen zahllosen Artgenossen: Im Dachgeschoss verbirgt sich ein hochmodernes Sendestudio. Hier befindet sich der Sitz des Kölner Campusradios, mit dem treffenden Namen „Kölncampus“. „Es ist besser mindestens 15 Minuten vor einer Sendung hier anzukommen”, erklärt  Marcel Joppa, Pressesprecher von Kölncampus, „wegen der Treppen.“ Denn nach einem Aufstieg in den fünften Stock ist kaum jemand in der Lage einen zusammenhängenden Satz herauszubringen, geschweige denn eine Radiosendung zu moderieren.

Die Senderäume haben eher das Flair einer Studenten-WG, als eines Radiosenders: Ein langer enger Gang mit vielen Türen, überall hängen Zettel mit Informationen über alles und nichts, und dazwischen herrscht ständiges Gewusel. An einem der zahlreichen Computer sitzt der Mann, der die nächsten zwei Stunden präsentiert: Daniel Storb, 23, Student der „Angewandten Medienwirtschaft“ aus Köln. Er moderiert heute den »NachDurst« von 13.00 bis 15.00 Uhr.

12.15 Uhr. Daniel ist noch mit der Vorbereitung seiner Sendung beschäftigt und schreibt sich die heutigen „Mensatipps“ auf. Es herrscht eine recht lockere Stimmung in den Redaktionsräumen: Stephan Meuthen, einer der ältesten Mitstreiter, feiert heute seinen letzten Tag, und deshalb werden - ausnahmsweise - mehrere Flaschen alkoholischer Getränke geköpft. Dies ist heute Daniels erste richtige Sendung.

Jeder neue Mitstreiter von Kölncampus muss erst ein zehnwöchiges Ausbildungsprogramm durchlaufen, und trägt sich dann in die Warteliste für die fünfwöchige Moderatorenausbildung ein. Daniel hat mit der allgemeinen Ausbildung im November begonnen. Auf die Frage, ob es nicht frustrierend ist, so lange auf einen Einsatz als Moderator zu warten, antwortet er:  „Eigentlich nicht, denn man hat ja während der Zeit genug anderes zu tun: Beiträge erstellen und so.“

Bereits vor seinem Studium war es der Wunsch des jetzigen Dritt-Semestlers zum Radio zu gehen. Jedoch gibt es kein Studium „Diplom Radiomoderator“ oder „Bachelor of Radiojournalismus“, also hat sich Daniel zwangsläufig für ein Medienwirtschaft-Studium entschieden. Als er dann vom Campusradio in Köln erfahren hat, war dies für ihn der perfekte Weg ins Radiogeschäft.

Die Studiouhr zeigt 12.45. Daniel hat es sich hinter dem großen Mischpult neben den  zwei Computern, zwei Plattenspielern und unzähligen weiteren Abspielgeräten bequem gemacht, vor ihm eine große Flasche Wasser und unzählige Zettel, auf denen er sich seine Moderationen, den Ablaufplan der kommenden zwei Stunden, sowie alle weiteren wichtigen Infos ausgedruckt hat.

12.58 Uhr zeigt die Armbanduhr des Moderators. Er checkt nochmal ob alles an seinem Platz und richtig eingestellt ist, und drückt Punkt 13.00 Uhr auf den Knopf, der den Sendecomputer in Gang setzt. „Nach-Durst auf Kölncampus“ ertönt das Jingle, das die Nachmittagssendung ankündigt, und geht in die Hintergrundmusik über. „13 Uhr, mein Name ist Daniel Storb, Hallo!“ - Das war die erste Ansage des Jungmoderators. Sofort wird der erste Musiktitel vom Computer eingespielt. Ein elektrolastiges Stück, das dem Moderator sicher genausowenig bekannt ist, wie der Mehrheit der Zuhörer. Kölncampus setzt es sich zum Ziel Lieder und Künstler abseits des Mainstreams dem Hörer näher zu bringen. Dabei können auch bekannte Charthits hin und wieder in die Playlist eingefügt werden, aber nur wenn derjenige, der die Liste erstellt hat, mit dem Lied etwas aussagen will, oder es ihm besonders gut gefällt. Keinesfalls weil der Titel gerade ganz groß in den Charts ist. Der Moderator selbst hat auf die Musikauswahl nur in Ausnahmefällen Einfluss. Dies ist beim nächsten Lied der Fall: Daniel hat sich für seine erste Sendung „American Idiot“ von Green Day ausgesucht.

In der Regel werden immer zwei Lieder hintereinander gespielt. Danach kommt ein redaktioneller Beitrag und wieder zwei Lieder. Dieser Ablauf ist, genau wie der Rest der Sendung, genau festgelegt. 13.28 Uhr. Marcel Joppa, Pressesprecher und gleichzeitig einer der erfahrensten Redakteure von Kölncampus betritt das Studio um die Nachrichten zu sprechen, die bei Kölncampus immer zur halben Stunde gesendet werden. Viel Vorbereitung bedarf dies nicht, ein kurzes einpegeln des Mikrofons und schon geht’s los. Der Hörer erfährt unter anderem, wie sich die  Fußball-EM auf die Studenten auswirkt und dass ein Professor ein Verfahren zur schnelleren Erkennung von Bakterien entwickelt hat. Dies sind nicht die gleichen Nachrichten, die man bei Radio Köln oder WDR 2 hören würde, und das ist auch so beabsichtigt: Es gehört zum Lizenzvertrag von Kölncampus, dass nur über studentische Themen berichtet werden darf, um nicht in Konkurrenz mit den kommerziellen Radiosendern zu treten.

Die Nachrichten sind erledigt, und Marcel Joppa verlässt das Studio wieder genau so schnell, wie er gekommen ist. Wie gewohnt kommen jetzt zwei Lieder und dann der nächste redaktionelle Beitrag. Die Beiträge der Redaktion sind heute unter anderem ein Interview mit dem Einsatzleiter der Kölner Polizei zur EM, eine Umfrage unter Studenten über die Geschwindigkeitskontrollen nahe der Uni, sowie die obligatorischen Kino- und DVD-Tipps oder Veranstaltungshinweise.

Daniel trinkt während seiner Sendung sehr viel Wasser: „Mit trockenem Mund kann ich einfach nicht reden, das hab ich schon damals in meiner Zeit am Theater festgestellt.“ Um 13.52 Uhr ist die erste Flasche leer, und dies fordert nach kurzer Zeit seinen Tribut: Wäre Schnellpinkeln eine olympische Disziplin, die Moderatoren von Kölncampus würden sicher eine Goldmedaille gewinnen, in weniger als 60 Sekunden ist Daniel aus dem Badezimmer zurück, genau rechtzeitig für die nächste Moderation. Dieser Ablauf wird sich bis 15.00 Uhr noch mehrmals wiederholen.

Im Moment zeigt die Uhr 14.17 Uhr, und die Kinotipps laufen. Thema: „Die Insel der Abenteuer“. Der vorproduzierte Beitrag läuft über fünf Minuten, was den Mann hinter dem Mischpult etwas aus seinem Plan bringt. Dies ist bereits der dritte Beitrag heute mit Überlange. Den Redakteuren wird keine Laufzeit für ihre Beiträge vorgeschrieben, was dazu führt, dass die Einspieler alle in ihrer Länge variieren. Wir befinden uns deshalb im Moment etwa drei Minuten hinter dem Plan. Daniel beschließt den nächsten Titel in der Ablaufliste auszulassen. Wenn die Sendung jetzt immer noch dem Plan hinterherhinkt, wird dies spätestens mit den Nachrichten um 14.30 Uhr wieder ausgeglichen. Egal welcher Programmpunkt gerade läuft: Um Punkt Halb wird immer abgebrochen und in die Nachrichten gegangen und danach mit dem ursprünglichen Plan fortgefahren. Die Nachrichten entsprechen im großen und ganzen denen, die bereits letzte Stunde vorgetragen wurden, nur an den Formulierungen wurde etwas verändert.

14.55 Uhr, und die Sendung ist fast vorbei, als Daniel Storb noch einen Besucher im Studio bekommt: Stephan Meuthen der, wie bereits erwähnt, heute seinen letzten Arbeitstag bei Kölncampus hat, möchte sich noch ein Lied wünschen: „Türlich, Türlich“ von „Das Bo“. Nach kurzem Check im Computer stellt Daniel fest, dass sich dieses Lied nicht im Musikpool befindet. Er kann jedoch ein anderes Lied der Hamburger Hip Hop Formation finden, womit Stephan auch zufrieden ist. Leider hat die lange Suche dazu geführt, dass nur noch anderthalb Minuten übrig sind.

15.59 Uhr. Daniel schaltet ein letztes Mal für heute sein Mikrofon an: „Das war der NachDurst auf Kölncampus, vielen Dank für’s Zuhören, mein Name ist Daniel Storb”, und wenige Sekunden später wird die Musiklautstärke heruntergefahren und der Computer spielt automatisch die nächste Sendung, die bereits vorproduziert ist, ein. Für Daniel gibt es jetzt nur noch eine Aufgabe. Die Sendung wird im großen Redaktionskreis besprochen, um zu sehen was gut war, und wo es noch Verbesserungsbedarf für den Jungmoderator gibt. Der Hörer der heutigen Sendung würde bestimmt keinen erkennen. Obwohl dies die erste richtige Sendung des Studenten war, würde sie der Laie kaum von der Sendung eines erfahrenen Moderators unterscheiden können.

Renardo Schlegelmilch
Fotos: © Renardo Schlegelmilch
www.koelncampus.com

Aus RADIOJournal 7/2008