Revival der »Happy Station Show«
Seit März dieses Jahres bereichert ein neues Kurzwellen-Projekt die Radioszene. Gleichzeitig ist es die Neuauflage eines schon Jahrzehnte alten Programms, welches man mit Fug und Recht als Urgestein des internationalen Rundfunks bezeichnen kann: Die »Happy Station Show«, einstmals holländisches Unterhaltungsprogramm für eine weltweite Hörerschaft und von dieser unzählige Male als absolute Lieblingssendung auf der Kurzwelle genannt, wird als Privatinitiative eines in Taiwan ansässigen Kanadiers weitergeführt und stößt bereits auf viele positive Reaktionen. Zugegeben: Das klingt in der Zusammenfassung ein wenig verquer, verdeutlicht aber auf ideale Weise, welche Hörfunkprojekte im Jahr 20 nach dem Ende des Kalten Ätherkrieges und der danach einsetzenden funktechnischen Deregulierung möglich sind.
Aber der Reihe nach: Am 11. März 1927 strahlte der niederländische Sender PCJJ der Firma Philips zum ersten Mal Kurzwellentests nach Niederländisch-Ostindien, dem heutigen Indonesien, aus. Ein Jahr später gestaltete Edward Startz die erste Ausgabe der »Happy Station Show«. Es war eine locker moderierte Sendung mit Talk und Musik mit dem Claim „Peace, Cheer and Joy“, die den Moderator zu einer der bekanntesten Stimmen im internationalen Wellenkonzert machte. Die in starkem Kontrast zu vielen trockenen Nachrichten und der - im Laufe der 30er Jahre verstärkt einsetzenden - politischen Propaganda konzipierte Sendung lief bis zum Einmarsch der deutschen Wehrmacht im Frühjahr 1940. Sie wurde nach Kriegsende fortgesetzt, als die wieder befreiten Niederlande mit Radio Nederland Wereldomroep (RNW) einen eigenen öffentlich-rechtlichen Auslandssender ins Leben riefen. Edward Startz war insgesamt 43 Jahre lang verantwortlich für das sonntägliche Programm, ehe er 1970 von Tom Meijer abgelöst wurde. Mit Meijer, einem vielsprachigen, musikalisch ambitionierten Radiomann, kamen viele neue humoristische und musikalische Elemente in die »Happy Station Show«. Er sprach die Hörer als Mitglieder einer großen, internationalen Familie an und sorgte damit für eine - aus heutiger Sicht vielleicht romantisch wirkende - loyale Bindung an die Show und den ausstrahlenden Sender. „Smiles across the Miles“ lautete nicht von ungefähr das Motto des Programms, mit dem man sich von den Wortgefechten im KW-Äther abhob. Eine Position, die sich ein kleineres Land wie die Niederlande vielleicht eher leisten konnte als größere Staaten mit ihren in vorderer Linie aufgestellten medialen Kanonenrohren...
Anfang der 90er Jahre ging Tom Meijer in den Ruhestand. Radio Nederland führte die Sendung noch einige Jahre weiter, stellte sie jedoch 1995 ein. Es war eine Zeit großer Veränderungen bei den Auslandsstationen im Westen Europas und Nordamerikas. Bei sinkenden Budgets und größer werdendem Rechtfertigungsdruck setzte man verstärkt auf Nachrichten und Informationen; „Unterhaltung“ wurde fast überall aufs Abstellgleis geschoben.
2009 wurde die Show von diesem Gleis heruntergeholt. Verantwortlich dafür war Keith Perron (Bild), ein ursprünglich aus Kanada stammender Radiomann, der unter anderem für Radio Canada International, Radio Havana Cuba und China Radio International gearbeitet hat und sich in der weiten Hörfunkwelt gut auskennt. In einem Studio in Taiwan, seinem jetzigen Wohnort, moderiert und produziert er jede Woche mehrere Ausgaben der »Happy Station Show«. Diese werden jeweils donnerstags über die Kurzwellenfrequenz von WRMI - Radio Miami International ausgestrahlt und stehen darüber hinaus als Podcast zum Download zur Verfügung. Kleine Lokalsender in Neuseeland und Indonesien erhalten separate Versionen zur Ausstrahlung auf UKW. Ein eigener YouTube-Kanal und eine Facebook-Seite sorgen für den Kontakt mit Hörern und Fans, die sehr positiv auf Perrons Initiative reagieren. „Ich bin überrascht und schockiert zugleich“, meint Keith Perron über die Reaktionen, die er seit März erhalten hat. „Der jüngste Hörer ist elf, der älteste 97. Es ist schön, dass ich zu vielen Leuten Kontakt erhalten habe, die die »Happy Station Show« noch aus den Zeiten von Tom Meijer kennen. Gleichzeitig bin ich glücklich, dass ich viele neue Hörer erreichen kann, denen diese Namen überhaupt kein Begriff sind. Die meisten sind durch Zufall auf die Sendung gestoßen und schalten jetzt ein, weil sie ganz und gar anders ist, als die üblichen Nachrichtensendungen auf der Kurzwelle, wo alles irgendwie ähnlich klingt.“
Mangelnden Einfallsreichtum kann man Keith Perron nicht nachsagen. Seine Programme kommen unaufgeregt daher, sein Moderationsstil ist entspannt, er spricht ganz offensichtlich frei und findet dadurch einen persönlichen Zugang. Er lädt die Hörer ein, ihre Erinnerungen an die frühere »Happy Station Show« aufzunehmen, und strahlt diese kurzen Einspieler gerne aus. Er grüßt die Fans, wenn sie Geburtstag haben, erzählt ihnen Neues, Spannendes aus Taiwan und er teilt mit ihnen sein Interesse für das Radio. Unter anderem liefen bereits ein Interview mit dem Fachbuchautor Jerry Berg, der die Geschichte des Auslandsradios und der DX-Community nachgezeichnet hat, sowie eine Sondersendung über den südafrikanischen Privatsender Springbok Radio. Perrons Musikauswahl konzentriert sich auf Oldies, Schlager (selbst Heino ist schon gelaufen!), Fundstücke aus alten Radioarchiven und Songs, die der legendäre Tom Meijer in den Studios von Radio Nederland aufgenommen hat.
Zu Meijer, den er seit über 20 Jahren kennt, habe er ein besonderes Verhältnis, verrät Keith Perron: „Ich erinnere mich an ein Gespräch, das wir 1992 in seinem Garten in Hilversum führten, kurz nachdem er in den Ruhestand gegangen war. Ich weiß nicht mehr, wie wir darauf kamen, aber ich meinte, ich würde gerne die Show moderieren, wenn sie eines Tages als unabhängige Produktion zurück käme. Nun ja, seinerzeit gab es sie noch; Pete Myers moderierte sie und ab 1993 Jonathan Groubert. Aber Tom, der RNW seit über 20 Jahren kannte, wusste, dass sie kurz vor dem Ende stand. Ich weiß noch, dass wir uns immer mal wieder darüber unterhielten, wie die Sendung klingen könnte, wenn ich sie verantwortete. Ich bin mittlerweile schon lange im Geschäft und habe von News bis Unterhaltung alles moderiert - aber die »Happy Station« war immer die Sendung, die ich machen wollte.“ Diese Faszination ging sogar so weit, dass Keith Perron über die Jahre fünf Sendungen im Stil der »Happy Station Show« aufgezeichnet hat, ohne diese jemals irgendjemandem vorzuspielen. Vor einiger Zeit erhielt er von einem befreundeten Kollegen aus Kanada mehrere Mitschnitte seiner Sendung „Waking Up with Keith Perron“, die in den 90er Jahren auf CINQ-FM in Montreal liefen. Sie klingen ein bisschen wie die Inhalte seines aktuellen Projekts.
Der dafür nötige Arbeitsaufwand hat sich in der kurzen Zeit seit dem Start des Revivals vervielfacht. Die vier Ausgaben (zwei unterschiedliche für die beiden KW-Slots, dazu die Versionen für die UKW-Rebroadcaster) werden jeweils in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag (Lokalzeit in Taipei) aufgezeichnet. „Wir nehmen jede Show auf, als wäre sie live. Für 55 Minuten Sendung benötigen wir 55 Minuten in Echtzeit“, meint Perron. „Am Ende der Aufnahmen überspielen wir zunächst die beiden Sendungen an WRMI, danach die Sendungen für Neuseeland und Indonesien. Bis ich zu Hause bin, ist es halb sechs am Morgen, und ein paar Tage später geht alles wieder von vorne los.“ Das private Projekt hat sich rasant entwickelt und dafür gesorgt, dass der Moderator vor einigen Wochen einen Mitarbeiter in Teilzeit einstellen musste, der sich um die Uploads und die Beantwortung der Hörerpost kümmert. Und zusätzliche Arbeit steht bevor, sollten die nächsten Entwicklungsschritte des Projekts angegangen werden: Die Produktion einer spanischsprachigen Version (»La Estación de Alegria«) und einer Kurzwellenausgabe für das Zielgebiet Europa.
Thomas Völkner
Fotos: © Keith Perron
»Happy
Station Show« auf Kurzwelle:
Via WRMI - Radio Miami International -
9955 kHz
www.wrmi.net
Aus RADIOJournal 7/2009