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Caroline - The Sound of the Nation

Die Geschichte von Radio Caroline wurde bereits so viele Male aufgeschrieben, dass es wenig gibt, was noch anzufügen wäre. Im Jahre 1964 gab es keine Popmusik im Radio, keine kommerziellen Stationen im Vereinigten Königreich, und die britische Regierung ließ kein Ansinnen erkennen, dass sich dies irgendwann einmal ändern würde. Radio Caroline umging damals die Gesetze, indem es von einem Schiff zu senden begann, das jenseits der britischen Gerichtsbarkeit ankerte. Der Erfolg von Caroline war riesig und trat umgehend ein.

Ein Umstand veränderte das Image der Station: Zuerst war Caroline nur dazu gedacht, eine schnelle Mark zu machen. Nachdem die Station in den 70ern als einzige den neuen Gesetzen, die das Senden aus internationalen Gewässern verbieten sollten, trotzte und weitersendete, wurde Caroline zum Inbegriff für die Freiheit des Einzelnen. Der Sender trat einen Kult los, und die Diskjockeys an Bord wurden zu Volkshelden.

Was zu dem gewaltigen Mythos von Radio Caroline über die ganze lange Zeitspanne von den 60er Jahren bis heute beitrug, war die Tatsache, dass man trotz unzähliger gesetzlicher und finanzieller Schwierigkeiten, trotz Seeunglücken und dem Zusammenbruch von Schiffsmaschinen immer auf Sendung blieb. Im Jahre 1989 wollten die britischen und holländischen Behörden der Station ein für alle mal den Garaus machen, indem sie das Sendeschiff „Ross Revenge” enterten sowie jegliche Sendetechnik ausbauten und zerstörten. Dieser Angriff beschnitt Radio Caroline natürlich in seinen Möglichkeiten, bescherte dem „Underdog”, der von der starken Regierungsmacht zertrampelt wurde, gleichzeitig eine große Sympathiewelle. Aber es kam schlimmer: Während erneut über Sendemöglichkeiten nachgedacht wurde, erlitt die „Ross Revenge” Schiffbruch und musste in einen englischen Hafen geschleppt werden. 

Dennis King auf Radio Caroline

1991 übernahmen Caroline-Fans und Seesender-Enthusiasten die Kontrolle über das Schiff, sammelten Gelder und begannen mit der Reparatur. Sie wussten, dass sie nicht aufgeben durften, und waren zur gleichen Zeit unentschlossen und uneins, wie sie mit den Übrigbleibseln dieser einstmals populären Station umgehen sollten. Viele Beobachter kritisierten, dass Radio Caroline einige Male mit Kurzzeitlizenzen auf Sendung ging und die „Ross Revenge” ansonsten als Touristenziel vermarktet wurde. 

Obwohl das für viele eine Art Erniedrigung darstellte, konnte Caroline so als Organisation von vielen Freiwilligen zusammengehalten werden und weiterhin auf eine - vage - Chance warten.

Im letzen Jahr - 1998 - kam diese Chance in Form des zwar technisch fortschrittlichen, aber zugleich finanziell abenteuerlichen Satellitenradios: Der Geschäftsmann Peter Leutner war mit der Bewerbung für eine terrestrische Hörfunklizenz gescheitert und entschied sich für das Risiko, ein Rockmusikprogramm per Satellit zu verbreiten: European Klassik Rock. Leutner heuerte viele Ex-Caroline-Moderatoren an, so dass es unvermeidlich war, dass das Endprodukt sehr nach Radio Caroline klang. Aber das Experiment scheiterte grundlegend, und weil der EKR-Initiator nichts mehr zu verlieren hatte, vergab er einen sonntäglichen Sendeblock an Caroline.

Es muss Peter Leutner gequält haben mitanzusehen, dass viele Diskjockeys umsonst für die Caroline-Sendungen arbeiteten und sogar einige Werbetreibende sich am Sonntag engagierten. Außerdem war zu beobachteten, dass, obwohl es keinen Unterschied in der Musikauswahl gab, während des Caroline-Sendeblocks das Studiotelefon unablässig klingelte, aber danach, wenn das EKR-Programm fortgesetzt wurde, keinen Mucks mehr von sich gab.

Für die Macher von Radio Caroline entwickelte sich die Sendeaktivität prächtig: Ende 1998 wurde eine Vereinbarung mit der Firma Grundig geschlossen, die als Hauptsponsor auftreten wollte. Mit einem Mal hatte man den „Break even” vor Augen und dachte ernsthaft über einen weiteren Sendeblock am Samstagnachmittag nach. Dann kam allerdings der Schock, als EKR quasi ohne vorherige Ankündigung den Betrieb am 3. Januar 1999 einstellte. Erstmalig in dieser Dekade hatte Radio Caroline eine gesamteuropäische Verbreitung in einer hochwertigen Tonqualität, daneben eine immer größer werdende Unterstützung und viele freiwillige Helfer ... und dann brach alles Erreichte weg!

Während dieser Text verfasst wird, suchen die Leute von Caroline, die während des Engagements bei EKR Blut geleckt haben, nach neuen Sendemöglichkeiten. Wie immer ist ihr Haupthindernis die dünne Finanzdecke. Hinzu kommt die Zurückhaltung vieler Satellitenbetreiber, die bereits viele Sat-Radioprojekte kommen und wieder gehen sahen. Vielleicht ist es von Vorteil, dass auf allen Ebenen der Radioindustrie Caroline-Fans zu finden sind, Menschen, die mit dem Sender aufgewachsen sind und die nun die einen oder anderen Fäden ziehen können.

Die Stationsethik des „Wir geben niemals auf und kommen immer zurück” wird dafür sorgen, dass die Story von Radio Caroline zu einer unendlichen Geschichte wird.

Peter Moore
Fotos: © Dietmar Flacke / mediapages.nl
www.radiocaroline.co.uk
Übersetzung aus dem Englischen: Thomas Völkner

Aus RADIOJournal 3/1999

Radio Caroline sendet (nach mehrmonatiger Unterbrechung) seit dem 10. September 1990 um zirka 19.00 Uhr auf Mittelwelle 558 kHz wieder pünktlich zur vollen Stunde das legendäre „Ding-Dong“. Allerdings wird der kommerzielle Erfolg dem Piratensender außerhalb der Drei-Meilen-Zone nun wohl versagt bleiben: Man sendet nur einige Stunden am Abend auf einer schlechten Frequenz; und dann ist da immer noch die Küstenwache, die in großformatigen Zeitungsanzeigen Fischer über die Strafen aufklärt, die ihnen blühen, wenn sie es wagen sollten, die „Ross Revenge“ mit Sprit für das Dieselaggregat zu versorgen. (Radio-Skala 8/1990)

• Schwerer Schlag für Radio Caroline: Während schwerer Stürme am Morgen des 20. November 1991 brach die Ankerkette der "Ross Revenge" und trieb das Radioschiff direkt auf die in Seefahrerkreisen berüchtigte Sandbank "Goodwin Sands". Alle sechs Besatzungsmitglieder konnten in einer dramatischen Rettungsaktion mit Hubschraubern von Bord gebracht werden. Wie die Küstenwache in Dover mitteilte, ist das 980 Tonnen schwere Sendeschiff seitlich auf Grund gelaufen, so dass die Gefahr besteht, dass es bei weiteren Stürmen durch die starken Wellenbewegungen auseinanderbricht. Das Caroline Movement bemühte sich bereits seit Anfang des Jahres um die Anschaffung einer neuen Ankerkette. Aufgrund der schlechten Finanzlage nach Inkrafttreten der neuen Gesetze und durch Zersplitterung der Organisation, kam es aber letztendlich nicht zum Kauf. BBC-Disc-Jockey Johnnie Walker, der seine Rundfunkkarriere 1964 auf dem Piratenschiff begann, meinte in seine Sendung bei Radio 1, die britische Regierung solle Radio Caroline einen Ankerplatz am Londoner Themseufer geben und eine nationale Rundfunklizenz erteilen. "Ohne Radio Caroline hätte sich in Großbritannien niemals eine derart vielfältige Rundfunklandschaft entwickeln können, wie wir sie heute haben", sagte Walker. "Ein sehr großer Teil der beliebten Rundfunkpräsentatoren in Großbritannien hat bei Radio Caroline die ersten Schritte gemacht." Foto: © Jürgen Steinhoff (Radio-Skala 1/1992) 

• Gleich drei norddeutsche Hörfunksender gedachten am 28. März des 30-jährigen Geburtstages von Radio Caroline, Europas dienstältestem Piratensender. Radio Hamburg ließ seinen Londoner Korrespondenten in der Morgensendung über alte und neue Rundfunk-Zeiten plaudern, während R.SH und Antenne MV in gleichzeitig ausgestrahlten, aber unabhängig voneinander produzierten Specials über das aufregende Leben an Bord eines Radioschiffes berichteten. Neuesten Meldungen aus England zufolge wird Radio Caroline voraussichtlich wieder zwischen dem 16. Mai und 12. Juni mit einer eingeschränkten UKW-Lizenz senden. Zu diesem Zweck soll das Sendeschiff Ross Revenge nach Burnham verholt werden, wo vom 8. bis 12. Juni die South East Boat Show stattfindet. (RADIOJournal 5/1994)

• "Caroline" wieder in der Luft: Seit dem 10. Dezember 1994 ist "Radio Caroline" wieder in der Luft. Die "Mutter aller Piratensender" (Zitat "Focus") hat eine bis zum 6. Januar 1995 begrenzte Low-Power-Sendelizenz für die Mittelwelle 1584 kHz erhalten. Betreiber des jetzigen Radio Caroline, das sich noch immer auf dem in einer südostenglischen Flußmündung verankerten M/S "Ross Revenge" befindet und in Europa sicher nie wieder im früheren Glanz erstrahlen wird, sind eine Handvoll britische Seesenderfreaks, die den dienstältesten Piratensender um jeden Preis am Leben erhalten wollen - unter anderem mittels Spenden und der Werbespots, die während der Kurzzeitlizenzen in die Programme eingestreut werden dürfen. (RADIOJournal 1/1995)

• Die britische Top-Radio-Personalities Tom Lodge, Johnnie Walker (beide Ex-Caroline) moderieren als Special Guest-Präsentatoren Programme, die vom 7. August bis 4. September legal von Bord des derzeitigen Radio Caroline-Sendeschiffes "Ross Revenge" ertönten. Grund für das massive Staraufgebot an diesem Tag: Am 14. August jährte sich zum 28. Mal jener denkwürdige "Schwarze Montag", an dem die meisten sogenannten Piratensender in Großbritannien mittels Gesetz für immer zum Schweigen gebracht wurden. Einzig "Caroline" widersetzte sich diesem Gesetz und sendete damals weiter, als sei nichts geschehen. Der erste Discjockey, dessen Stimme am 15. August 1967 um Punkt null Uhr "illegal" über den Äther ging, war damals Johnnie Walker. Interessant im Zusammenhang mit der derzeit wieder einmal laufenden "Caroline"-Kurzzeitlizenz ist, dass man die Sendeleistung von Bord zeitweilig auf 20 Watt hochgefahren hatte, obwohl für derartige Lizenzen - sofern sie über Mittelwelle laufen - von den britischen Behörden nur Sendestärken bis zu einem Watt zugestanden werden, um damit zu verhindern, dass andere Sender gestört werden könnten. Und noch ein Novum: Die "Ross Revenge" befand sich zeitweilig auf einer Position vier Seemeilen vor der Küste. Mittlerweile liegt das Schiff nur noch zirka eine Seemeile von der Küste entfernt verankert, was zu einem regelrechten Ausflugsboom von Touristen zum geschichtsträchtigen Radioschiff geführt hat. (RADIOJournal 9/1995)