75 Jahre Hamburger Hafenkonzert
Angeblich die älteste Rundfunksendung der Welt: Das Hamburger Hafenkonzert. Am 9. Juni 2004 wurde es 75 Jahre alt. Die erste Sendung kam am 9. Juni 1929 von Bord der „Antonio Delfino“ der Hamburg-Süd. Das Altonaer Symphonieorchester spielte Melodien aus dem „Freischütz“ und die Overtüre zu „Die lustigen Weiber von Windsor“. Für die Reportagen zeichnete Kurt Esmarch verantwortlich, dem Norag-Intendant Hans Bodenstedt den Auftrag „zu einer Sendung, die nach Tang und Teer riecht, eine Sendung, in die See zu den Hörern spricht“ erteilt hatte.
Der Erfolg dieser neuen Sendungsart war auf Anhieb enorm. Schone eine Woche später schaltete der Sender Frankfurt zu. Es folgt Stuttgart und Köln, dann der Deutschlandsender mit seiner Langwelle. Später schaltete sich noch der Deutsche Kurzwellensender zu, so dass das Hamburger Hafenkonzert in aller Welt zu hören war und für Seeleute, Auswanderer und Reisende zur „Brücke zur Heimat“ wurde.
Wegen
der anfangs schlechten Empfangsqualität wurde später nur noch das
Blasorchester von „Kuddel“ Karl Becker verpflichtet. Zum
Erkennungszeichen wurden die Glocken von St. Michaelis. Wichtiger
als dies und die Musik wurden die Reportagen und Döntjes, für die
neben Kurt Esmarch Karl Herbert verantwortlich zeichnete. Esmarch
und ihm gelang es, auch nach 1933 die Politik weit möglichst aus der
Sendung heraus zu halten, auch wenn die Hörer fortan „Volksgenossen“
waren und die Stapelläufe der KdF-Schiffe zu einem Hauptthema
wurden. Im Bild: Hafenkonzert der NORAG 1934 mit Kurt Esmarch;
oben: Hafenkonzert an Bord des Afrikaschiffes 1934.
Während des Krieges wurden die Sendungen im Bunker des Reichssenders Hamburg an der Rothenbaumchaussee aufgezeichnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte die Tradition dieser Sonntagssendungen 1947 wieder auf. Ein Vierteljahrhundert lang prägte ab 1954 Hans Fresse mit seinem Hamburger Blasorchester diese Sendung. Später waren Alfred Hause, Günther Fuhlisch und Karl-Heinz Loges verantwortlich. Fast alle an der Waterkant beliebten Sänger von Freddy Quinn über Fred Bertelmann, Vico Torriani, Heino, Bruce Low, Addi Münster, Richard Germer und Carl Bay waren hier zu Gast. Sängerinnen waren lange verpönt – erst Mitte der Fünfziger Jahre kamen Heidi Kabel, Lale Anderson, Lieselotte Malkowski, Hildegard Carena, Nana Gualdi und viele andere. Als Kurt Esmarch 1964 in den Ruhestand ging, hatte er 35 Jahre die Sendung verantwortet.
Sein
Nachfolger wurde der legendäre Hermann Rockmann. Weil er als
Chefreporter nicht alles allein machen konnte, kamen viele bekannte
Sprecher hinzu. Rockmann selbst war nur einmal zu hören: Pfingsten
1979 zum fünfzigjährigen Jubiläum. Die dreistündige Sendung kam aus
dem Schulauer Fährhaus. Nach ihm hat Kurt Grobecker 20 Jahre lang
die Traditionssendung geleitet. Im Bild:
Kurt Esmarch (rechts), Sprecher
des Hafenkonzertes auf der „Cap Arkona“
Die Jubiläumssendung 2004 wurde am 9. Juni mit Hildegard Carena, Carl Bay, Jasper Vogt und dem Polizeiorchester Hamburg aufgezeichnet und am 13. Juni auf der Hamburg-Welle 90,3 gesendet. Angeschlossen waren NDR Info Spezial, die Namibian Broadcasting Corporation in Windhoek, in Australien das Plenty Valley Radio Melbourne und in Adelaine die Deutsche Stimme der ebi.
Zum Jubiläum ist eine CD „75 Jahre Hamburger Hafenkonzert“ mit Aufnahmen aus den letzten zwei Jahrzehnten erschienen.
Horst Schinzel
Fotos: © NDR
www.ndr903.de
Aus RADIOJournal 7/2004
• „Hamburger Hafenkonzert“ künftig auch in Chile zu hören: Das Hamburger Hafenkonzert ist seit 13. Februar 2000 auch in Südamerika zu hören. Die chilenische Radiostation „Difusión Cultural Federico Santa Maria“ in der Stadt Valparaiso übernimmt regelmäßig die älteste Live-Radiosendung der Welt, produziert von der NDR Hamburg-Welle 90,3 und wird sie zeitversetzt senden. Kurt Grobecker besuchte Valparaiso für Reportagen und Interviews. Der bedeutendste chilenische Hafen hat zu Hamburg enge Beziehungen, besonders ausgeprägt waren sie in der Zeit der „Flying-P-Liner“ der Reederei Laeisz im 19. Jahrhundert. Heute lebt in und um Valparaiso ein großer deutschstämmiger und deutschsprachiger Bevölkerungsanteil, der die geplante Kooperation mit der NDR Hamburg-Welle 90,3 begeistert aufgenommen hat. Das Hamburger Hafenkonzert wird bereits von Radiostationen in Australien, Namibia und den USA übernommen. (RADIOJournal 3/2000)