50 Jahre Jazz im NDR
Jeden Abend sendet der Norddeutsche Rundfunk in seinem vierten Programm NDR Info 55 Minuten Jazz und Informationen zu diesem Musik-Genre. Was heute selbstverständlicher Teil des Programms ist, blickt in diesen Tagen auf fünfzig Jahre Geschichte zurück. Die Anfänge einer eigenen Jazz-Redaktion setzt der Sender mit einem Konzert im Dezember 1952 mit der Riverside-Jazzband an. Inzwischen ist die damals begonnene Reihe beim 349. Konzert angekommen.
Jazz spielte in den Anfangsjahren des Rundfunks eine geringe Rolle. Im Dritten Reich war er vollends verpönt und in den ersten Nachkriegsjahren wagten sich die jungen Rundfunkanstalten nur vorsichtig an dieses Genre heran. Nach den Aufzeichnungen des Hamburger Rundfunkarchivs gab es erstmals 1949 eine »Swing-Serenade«. Später gab das Radio-Tanzorchester regelmäßig abendliche Konzerte für die „Swingfreunde“. Erst später kamen Mitschnitte amerikanischer Jazzmusik hinzu.
Ab 1950 steuerte das Funkhaus Köln damals gab es noch den Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) sonnabend nachts von ein bis zwei Uhr den »Jazz Almanach« bei. Höhepunkte der Aktualität waren Aufnahmen des schweizerischen Senders Beromünster mit den Großen der Zeit wie Louis Armstrong, Dizzy Gillspie oder Harry James. Eine eigene Jazz-Redaktion gab es erst ab 1952. Erster Redakteur war Hans Gertberg. Aber das nur im Nebenberuf, denn gleichzeitig war er Hörspielregisseur, hatte das Schnelldenker-Turnier entwickelt und half beim Aufbau eines Fernseh-Regionalprogramms. Dennoch wuchs der Jazz-Anteil am Musikprogramm ständig. Im April 1955 waren es 410 Minuten, fünf Jahre später im März 1255 Minuten.
Nach Gertbergs Tod 1970 übernahm Michael Jaura die Programmleitung und verlegte den Jazz in das inzwischen entwickelte 3. Programm, wo täglich eine halbe Stunde erklang. Seit 1999 leitet Wolfgang Kunert die Fachredaktion, und heute gibt es monatlich 2000 Minuten Jazz.
Niemand anders als der ruhmvolle NDR-Musikchef Rolf Liebermann machte sich Ende der fünfziger Jahre für den Ausbau des Jazz im Musikschaffen des Senders stark. Der »Jazz-Workshop« wurde im ganzen Lande und weit darüber hinaus beachtet. Ein musikalischer Leiter suchte sich eine Musikergruppe, mit der ein Wunschprogramm erarbeitet wurde. Das Abschlusskonzert wurde legendär, und die Aufzeichnungen der Hauptproben haben mehr als nur dokumentarischen Wert.
Unter den musikalischen Leitern waren Don Ellis, Johnny Griffin, Tomasz Stanko, Martial Solal und Gato Barbieri. Nach Gertbergs Tod lud Michael Naura zunehmend bestehende Formationen ein und sorgte durch herausragende Solisten wie Stan Getz, Keith Jarrett oder Pal Bley für Aufsehen. Die Konzerte fanden nicht nur im Rolf-Liebermann-Studio, sondern auch in der Fabrik oder in Hannover statt.
Die weit über die Region bekannte Bigband des Senders ist aus dem Tanz- und Unterhaltungsorchester der ersten Nachkriegsjahre hervor gegangen. Stets hat sie mit herausragenden Solisten zusammen gearbeitet. Seit den siebziger Jahren ist sie mit Leitern wie Wolfgang Dauern, Albert Mangelsdorff, Dusko Gojkovic oder Slide Hampton aus dem Studio heraus getreten und hat zunehmend öffentliche Konzerte auch im Rahmen von Tourneen gegeben.
Verantwortlicher Leiter des Ensembles ist seit rund zwei Jahrzehnten Dieter Glawischnig. Dieser war stets um besondere Projekte bemüht, deren Höhepunkte die Zusammenarbeit mit der Radio-Philharmonie Hannover bildet. Später ist dann auch das NDR-Sinfonieorchester in Hamburg hinzu gekommen. Immer wieder hat auch die menschliche Stimme den ihr im Jazz gebührenden Raum gefunden angefangen vom NDR-Chor bis hin zu Etta Cameron.
Großen Wert hat die Hamburger Jazzredaktion von vornherein auf die filmische Dokumentation der musikalischen Arbeit gelegt. Eigenständige Jazz-Filme hat es in diesen fünfzig Jahren allerdings nur zwei gegeben. Sie fanden bei Kritik und Publikum große Beachtung. In den neunziger Jahren kamen Dokumentationen über einzelne Musiker und Epochen hinzu. Große Beachtung finden bei Freunden dieses Genres auch die regelmäßigen Fernseh-Jazzkonzerte.
50 Jahre Jazz im NDR das ist auch die Geschichte der Zusammenarbeit des Senders mit den großen Festivals der Region wie Jazz Baltica und Schleswig-Holstein Musik-Festival.
Horst Schinzel
Foto: © NDR (Sita Mundry)
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Aus RADIOJournal 9/2002