Radioarchiv

 Memories aus 20 Jahren RADIOJournal

Der Sender Wendelstein

1838 Meter hoch ragt der Gipfel des Wendelstein aus der Mangfallgebirgskette heraus. Schon tief im Flachland erkennen die meisten den grauen Riesen, der sich nur wenige Kilometer von Bayrischzell entfernt abhebt. Das höchstgelegene Gotteshaus Deutschlands, ein Berglokal und nicht zuletzt die älteste bayerische Bergbahn machen ihn zu einem beliebten Ausflugsziel in Südbayern.

Ein Spitzenplatz hat sich der Berg auch in der Fernseh- und Hörfunkversorgung Bayerns gesichert. Weithin sichtbares Zeichen des höchstgelegenen Senders in Deutschland ist der 55 Meter hohe BR-Sendeturm aus Stahlrohr auf dem Gipfel des Wendelstein. Von hier empfängt fast ganz Südbayern das Erste Deutsche Fernsehen (ARD) und die fünf Hörfunkprogramme des BR in erstklassiger Qualität. 

1954 beginnt auch in Bayern das Fernsehzeitalter, zwei Jahre nach dem Start des ARD-Gemeinschaftsprogramms im Norden und Westen der Bundesrepublik Deutschland. Für das Fernsehen wird im gleichen Jahr ein neuer 27,7 Meter hoher Antennenträger aus Stahlrohr errichtet. Der erste Sender, der den Freistaat mit den bewegten Bildern und dem dazugehörigen Ton versorgt, steht auf dem Wendelstein. Dieser Standort hat sich bereits für die Hörfunk-Ausstrahlung bewährt. Fünf Jahre zuvor ging dort die dritte UKW-Sendestation des BR in Betrieb, zunächst mit Bayern 1, abgelöst im August 1950 durch das neue Programm des BR, Bayern 2. 

Am 6. November 1954 ist es für die bayerischen Fernsehpioniere an den 1570 Geräten endlich soweit: Der Sender Wendelstein überträgt zum ersten Mal eine Sendung des Bayerischen Rundfunks im ARD-Programm. Der 10 Kilowatt Bildsender und zwei Kilowatt Tonsender haben eine Reichweite von 100 bis 120 Kilometer und garantieren in Bayern südlich der Donau einen einwandfreien Empfang. Auf dem Wendelstein nimmt nicht nur Deutschlands höchstgelegene, sondern damals auch stärkste Fernsehsendestation ihren Betrieb auf. 

1953/54 wird in Rekordzeit ein neues Sendergebäude fertig gestellt. Das zweigeschossige, langgestreckte, schmale Senderhaus (sieben Meter hoch, 30 Meter lang) lehnt sich zum Schutz gegen Steinschlag an die Felswand an. Eine Stützmauer aus Eisenbeton (23 Meter hoch / 14 Meter lang) bietet Sicherheit gegen herabstürzendes Geröll. Das Pultdach aus Kupferblech, das direkt an den Fels und den östlichen Teil der Stützmauer reicht, kann auch starker Schneelast standhalten. Im Innern sind nicht nur technische Einrichtungen untergebracht wie die Senderanlagen, die Kontrollräume, Werkstätten, Lüftung oder das Diesel-Notstromaggregat. Auch die Wohnräume des Senderpersonals finden dort Platz. Ein Lastenaufzug in einem Schacht im Innern des Berges führt 24 Meter nach unten zu einem Tunnel, der die Station wetterunabhängig mit dem Bergbahnhof verbindet und etwa 100 Meter nach oben zu den Antennen. Die auf dem Gipfel stehende Antennenanlage wird durch ein etwa 200 Meter langes Kabel gespeist. Im Bild: Antennen Sender Wendelstein. Oben: DVB-T Montage mit Hubschrauber am Wendelstein.

Mitte der 50er Jahre ist ein weiterer UKW-Sender auf dem Wendelstein installiert. Ab November 1956 wird das 1. Hörfunkprogramm wieder von dort ausgestrahlt. Ausbauten werden auch zehn Jahre später notwendig mit der Einführung der Stereophonie auf UKW, zunächst bei Bayern 2 (12. Dezember 1966), und des Farbfernsehens am 25. August 1967. 

Ende der 60er Jahre errichtet der BR wieder einen neuen Antennenträger. Der Stahlrohrmast ist innen besteigbar, steht auf einem sechs Meter hohen Betonsockel und hat eine Höhe von 44 Meter. Unten ist die UKW-Antenne montiert, die oberen 13 Meter sind fürs Fernsehen reserviert. Am 1. April 1971, mit dem Programm von Bayern 3, der „Servicewelle von Radio München”, kommt noch eine Aufgabe auf die Station zu. Anfang der 80er Jahre führt der BR zur Entlastung des Personals SEPAS, das Sendernetz-Prozess-Automatisierungs-System, ein. Der Wendelstein, einziger Sender der Südkette auf dem rund um die Uhr gearbeitet wird, ist jetzt Kontroll- und Überwachungsstation für ganz Südbayern. 

Ein weiterer UKW-Sender für Bayern 4 Klassik nimmt am 3. Dezember 1982 den Betrieb auf. Abgestrahlt wird damals auf der Frequenz 103,2 MHz - erstmals im erweiterten UKW-Bereich für deren Vorabnutzung der BR die Lizenz erhalten hat. Auf dem Wendelstein waren in diesem Frequenzbereich bereits in den 60er Jahren Versuche durchgeführt worden. 

Im Mai 1991 geht B5 aktuell, das jüngste Programm des BR, auf Sendung. Für den Nachrichtenkanal müssen im Stationsgebäude erneut Sendeanlagen untergebracht werden. Ende der 80er Jahre platzt das Sendergebäude aus allen Nähten. Jeder Betriebsraum ist vollgestopft, zum Teil sogar mehr als aus Sicherheitsgründen erlaubt. 1991 plant die Bauabteilung des BR einen zweigeschossigen Anbau von knapp 15 Meter Länge in Fortführung der leicht gebogenen Südfassade. Vorgesehen ist jetzt, Wohnraum und technischen Bereich voneinander zu trennen, schlafen die Männer bisher doch direkt gegenüber den lauten Maschinenräumen. Da das Sendergebäude in einem Naturschutzgebiet liegt, ist auf die Einhaltung heutiger strenger Umweltschutzauflagen zu achten.

Allein zwei Monate dauert es, den ersten Baukrahn auf dem Wendelstein aufzubauen. Die Einzelteile bringt ein Hubschrauber nach oben, der bei einer Arbeitshöhe von 1800 Meter eine Tragfähigkeit bis zu 4500 Kilogramm haben muss. Insgesamt sind 14 Flüge notwendig. Im Juni 1992 beginnen die Bauarbeiten. Richtfest ist im Oktober 1992, im November 1994 ist der Innenausbau abgeschlossen.

Heute [2001] ist der Wendelstein einer der 14 Grundnetzsender für das Erste Deutsche Fernsehen in Bayern, von dem auch die fünf Hörfunkprogramme des BR verbreitet werden. Ferngesteuert werden von hier alle großen Sender Südbayerns (Fernsehen und Hörfunk) und die Satelliten-Erdfunkstation des Bayerischen Fernsehens in Freimann.

Rolf Kieselack
Fotos: © BR / Kathrein / ukwtv.de (David Koch 2005)
www.br.de

Aus RADIOJournal 1/2001

• Der Sender Wendelstein strahlt bereits seit Juni 1995 auf dem Gleichwellennetz Kanal 12 Block B ein Programmbouquet für Digital Radio aus; zunächst im Rahmen des DAB-Pilotprojektes Bayern und seit 1999 im Regelbetrieb. Informationen zum Digital Radio Angebot gibt es unter: www.br-online.de/digitalradio
Am 30. Mai 2005 startete das digitale terrestrische Fernsehen (DVB-T) mit 24 Programmen vom Münchner Olympiaturm. Zeitgleich gingen die Sendeantennen auf dem Fernsehturm in Nürnberg und auf dem Wendelstein in Betrieb. Von dort werden jetzt insgesamt 23 digitale TV-Programme und ein eigenständiger MHP-Datendienst (ZDFdigitext) gesendet. Der Sender Wendelstein bildet ein Gleichwellennetz mit dem Münchner Olympiaturm bei DVB-T. Weitere Informationen: www.br-online.de/dvb-t