Radioarchiv

 Memories aus 20 Jahren RADIOJournal

Kommentar: CNN - Das bessere Radio?

Es stand in der letzten Radio-Skala: CNN sei "die Adaption eines viel älteren Radioformats", die des News-Senders nämlich. Kurioserweise hat ein solcher News-Sender, das AFN Power Network, den Spieß umgedreht. Zumindest während der entscheidenden Phasen der "Operation Desert Storm" wurden diese Frequenzen des US-Soldatensenders zum Nachrichtenkanal: Übernahmen waren (via AFRTS) zu hören vom National Public Radio, vom Mutual Network, von AP, ABC - und von CNN. Zu hören war dabei keineswegs CNN Radio, sondern der Fernsehton von CNN International bzw. Headline News. Es klappte vorzüglich, mit einer Ausnahme.

Immer wieder strahlte CNN Radio Ansprachen des irakischen Staatschefs Saddam Hussein aus und setzte gleichzeitig ein Radio ins Bild. Was die AFN-Hörer nicht sehen konnten: gut sichtbar verkündete ein Aufkleber die Marke des Geräts - "It's a Sony!". Höchst verdächtig: der Sticker prangte nicht (wie werkseitig vorgesehen) dezent in einer Ecke, sondern gut sichtbar oben in der Mitte. Experten munkelten sogleich von product placement. Die Theorie ist durchaus glaubwürdig: in vielen Ländern, auch in den USA, hat der Golf-Krieg zu einem Run auf Kurzwellen-Empfänger geführt. Andererseits hat CNN derartige Nebeneinnahmen kaum nötig: die Zuschauerzahlen sind explodiert, die Werbepreise haben sich verfünffacht.

Die drei großen US-TV-Networks, seit Jahren ohnehin aufgrund verschärfter Kabel-Konkurrenz im Abwind, leiden weiter. NBC bezifferte seine krisenbedingten Verluste nach dem ersten Kriegsmonat mit 35 Millionen Dollar, CBS errechnete 1,4 Millionen Dollar Verlust pro Stunde Sondersendung. Wie schon in England, so weigerten sich nun auch die Werbekunden in den USA, ihre Produktbotschaften zwischen die Bilder von Raketenangriffen, Panzerschlachten und Bombenopfern setzen zu lassen. Trotzdem gingen die Sondersendungen weiter wie geplant, gespart wurde am restlichen Programm.

Die Arbeit an Konkurrenzprodukten zu CNN ist durch die Ereignisse der letzten Wochen und Monate beschleunigt worden. Die BBC bastelt für ihren World Service (der mit seiner Golf-Berichterstattung allerdings nicht überzeugen konnte) an einer TV-Version. Im Gegenzug wollen Fernsehanstalten aus vier kontinentaleuropäischen Ländern (einschließlich Bundesrepublik Deutschland) im Rahmen der European Broadcasting Union ein Programm namens Euronews auf einen Satelliten hieven - ab 1992 neun Stunden täglich, ab 1993 dann rund um die Uhr. Das Programm soll gleichzeitig in fünf Sprachen ausgestrahlt werden, als fünf separate Ton-Unterträger erhalten. Aus diesem Grund will bzw. muss man ohne Reporter und Moderatoren auskommen und lediglich Filme und Grafiken präsentieren. Vorsichtig ausgedrückt: eine mutige Idee. Da die Verantwortlichen für die ersten sechs (!) Jahre Verluste erwarten, hoffen sie auf Gelder aus den beteiligten Ländern und aus Brüssel - denkbar schlechte Voraussetzungen für ein wirklich unabhängiges Programm.

Peter C. Klanowski

Aus Radio-Skala 3/1991